Zurück in die Zukunft: Klimaextreme im Zeitraffer
Es ist Erdgeschichte, die einem da zu Füßen liegt. Ein Riff, über und über voll mit den Überresten der größten Austern, die auf unserem Planeten jemals existiert haben. Sie stammen aus einer Zeit, als im Korneuburger Becken noch tropische Bedingungen herrschten.
Als jene Flächen, auf denen sich heute Straßen, Felder und Häuser aneinanderreihen, mit warmem Meerwasser bedeckt waren.
Ja, das fossile Austernriff in Stetten (Bezirk Korneuburg) ist eine archäologische Weltsensation.
Es ist das größte seiner Art, das der Wissenschaft ungeahnte Einblicke in das Leben vor 16 Millionen Jahren erlaubte.
Nur ein Wimpernschlag in der Erdgeschichte
Und dennoch ist dieser Schatz der Fossilienwelt Weinviertel nichts anderes als ein Wimpernschlag im Verlauf der Erdgeschichte. Denn unser Planet hat weitaus einschneidendere Klimaextreme hinter sich, die beinahe jedes Leben ausgelöscht hätten.
Genau damit beschäftigt sich eine neue Sonderausstellung in der Fossilienwelt, die vom Naturhistorischen Museum Wien (NHM) gestaltet wurde. „Eisplanet und Hitzehölle“ lautet deren treffender Titel, denn die Erde hat von eingefrorenen Ozeanen bis hin zu wüstenartiger Trockenheit schon jede Menge hinter sich.
„Wir leben derzeit in einer warmen Phase einer Eiszeit, die vor 2,6 Millionen Jahren begann“, sagt Mathias Harzhauser, Abteilungsdirektor der geologisch-paläontologischen Abteilung des NHM. Zuletzt richtig frostig wurde es in Niederösterreich vor etwa 25.000 Jahren, als sich das Land in eine karge Steppe verwandelte. Doch das war nichts im Vergleich zu jener Eiszeit vor 700 Millionen Jahren, als die Welt de facto ein einziger Gletscher war.
Ähnlich unwirtlich war es in unserer Region vor 250 Millionen Jahren, und zwar aufgrund der Hitze. Am wüstengleichen Großkontinent Pangaea herrschten durchschnittlich mehr als 40 Grad, was 96 Prozent der Tiere das Leben kostete. Nur die Reptilien in ihren harten Eiern überstanden den Treibhaus-Effekt. Eine Katastrophe, fürwahr, aber ohne diese hätte es die Menschheit nie gegeben.
Perspektiven
„Denn wir stammen, wie alle Säugetiere, von einer urtümlichen Gruppe von Reptilien ab, die an die harten Bedingungen Pangaeas perfekt angepasst waren“, ist auf einer Schautafel zu lesen.
Öffnungszeiten
Die Fossilienwelt Stetten ist von 1. April bis 31. Oktober geöffnet, jeweils dienstags bis sonntags von 10 bis
17 Uhr. Jeden ersten Sonntag im Monat gibt es einen Kindertag, jeden dritten finden Spezialführungen statt. Außerdem gibt es Workshops und Ferienspecials. Mehr unter www.fossilienwelt.at
650 Arten
von Tieren und Pflanzen wurden in dem Riff gefunden. So konnte die Geschichte der Region rekonstruiert werden. Seit 2009 kann man diese in der Fossilienwelt erleben
Zeiten also, die man sich nicht zurückwünscht. Vermeiden lässt sich das aber wohl nicht. Denn die Geschichte der Erde war schon immer geprägt von einem Wechsel von Kalt- und Warmzeiten – ein natürlicher Rhythmus. Allerdings ist der Mensch drauf und dran, diesen maßgeblich zu stören. Denn die Klimaerwärmung könnte dazu führen, dass auf der Erde wieder jene Gegebenheiten herrschen wie im Karbon-Zeitalter vor 330 Millionen Jahren.
„Damals hatte die Atmosphäre einen besonders hohen Kohlendioxid-Gehalt“, führt Harzhauser vor Augen. Die schlechte Nachricht: Schon heute haben wir in Sachen CO2 die untere Grenze des Steinkohle-Zeitalters erreicht. Denn all jene Stämme und Blätter, die damals florierten, speicherten das Kohlendioxid und wurden über Millionen von Jahren zu Kohle. Und genau diese verbrennen wir heute – und führen das CO2 so in nur wenigen Jahrzehnten wieder in die Atmosphäre zurück.
Ist ein Blick in die Schaukästen der neuen Ausstellung also zugleich ein Blick in die Zukunft? Wir werden es nie erfahren. Aber darüber nachdenken lässt einen ein Besuch in der Fossilienwelt allemal.
Weltsensation vor den Toren Wiens: Die Entdeckung des fossilen Austernriffs
Dort, wo heute die Fossilienwelt steht, wurde vor einigen Jahren das weltgrößte fossile Austernriff mit 15.000 Riesenaustern freigelegt. 2009 eröffnete dann der Themenpark, der das einmalige Naturdenkmal zeigt und die Geschichte des verschwundenen tropischen Urmeers und seiner Bewohner erzählt.
Aus den fossilen Überresten von 650 Tier- und Pflanzenarten, die im Korneuburger Becken gefunden wurden, haben Wissenschafter rekonstruiert, wie es hier vor 17 Millionen Jahren ausgesehen hat. In der Ausstellung sind ausschließlich fossile Funde aus dem Korneuburger Becken zu sehen, darunter auch einige Weltunikate.
Highlight der Fossilienwelt ist unumstritten das weltweit größte fossile Austernriff. Schon seit der Mitte des 19. Jahrhunderts wurden im Korneuburger Becken Fossilien gefunden. Doch erst 1975 begann eine Gruppe von örtlichen Sammlern – die „Freunde der Mineralien und Fossilien“ – mit der systematischen und umfangreichen Dokumentation der Funde. Die Ergebnisse dieser Arbeit wurden gemeinsam mit 40 internationalen Wissenschaftern ausgewertet und publiziert.
Im Frühjahr 1987 wurde mit ersten Grabungen am Austernriff begonnen, aber erst rund 20 Jahre später wurde es im Rahmen der größten paläontologischen Grabung, die je in Österreich durchgeführt wurde, freigelegt und mit einer 600 großen Halle überdacht. Bis dato ist das fossile Austernriff vom Teiritzberg Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchungen.
Durch die umfassende Forschung ist das Korneuburger Becken nicht nur eine weltweit einzigartige Fossillagerstätte, sondern auch das am besten wissenschaftlich bearbeitete und dokumentierte Becken der Welt.
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