Stadtarchäologie: Dem Rätsel um Wiens Anfänge auf der Spur

Bruchstücke der Vergangenheit: Bauarbeiten bringen regelmäßig Knochen und andere Artefakte ans Licht
Lärm, Staub und abgesperrte Straßen: Baustellen sind für viele ein Ärgernis – im Gegensatz zur Stadtarchäologie Wien. Für sie sind Bauprojekte die einzige Möglichkeit, einen Blick in den Untergrund und in der Zeit zurückzuwerfen.
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Eine perfekte Gelegenheit waren zuletzt die Vorarbeiten zur Umgestaltung des Michaelerplatzes im 1. Bezirk. Unter dem holprigen Kopfsteinpflaster wurden erstmals mittelalterliche Gräber des im 13. Jahrhundert errichteten Friedhofs Sankt Michael freigelegt.

Der historische Michaelerplatz ist für Archäologen eine Fundgrube
Gefunden wurden 20 Individuen in Originalposition und eine Vielzahl menschlicher Knochen. Bestimme Hohlziegel gaben erstmals auch Hinweise auf eine Fußbodenheizung.
Dass in der Stadt relativ viele Funde gemacht werden können, liegt daran, dass Wien fast durchgehend besiedelt war – aber eben nur fast. Eine zeitliche Lücke gibt bis heute Rätsel auf.
Nachweisbar ist eine römische Besiedelung bis ins frühe fünfte Jahrhundert. Spuren einer Wiederbesiedlung finden sich dann erst wieder ab dem achten beziehungsweise neunten Jahrhundert. Hinweise könnten Grabüberreste vom Petersplatz liefern.
Einem der großen stadtgeschichtlichen Rätsel auf der Spur
Laut Analysen stammen diese aus der Zeit zwischen dem neunten und elften Jahrhundert. „Wir wissen nicht, welcher Kultur diese Menschen angehörten oder woher sie kamen. Durch die Funde lässt sich aber ein Blick auf eines der großen stadtgeschichtlichen Rätsel werfen – die Anfänge der Stadt Wien im frühen Mittelalter“, sagt Kristina Adler-Wölfl, Leiterin der Stadtarchäologie.
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Das älteste Haus wurde beim Rochusplatz im 3. Bezirk freigelegt. Datiert ist es auf die Zeit 5.100 vor Christus. Überrascht hat dort noch ein ganz anderer Fund: „Wir haben auch römische Keramik und Schreibgriffel gefunden, die 100 Jahre älter sind als alles, was wir bisher aus der Römerzeit kennen.“
U-Bahnbaustellen werden zu Fundgruben
Ein Chance für Entdeckungen ist der U2/U5-Ausbau, der bereits einige Funde ermöglichte. Die nächste spannende Station ist laut Adler-Wölfl die geplante U2-Haltestelle Gußriegelstraße. Ein Indiz dafür ist, dass in der Umgebung beim Häuserbau bereits frühmittelalterliche Gräber gefunden wurden.
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Eine Fundgrube könnte auch die künftige U5-Station Elterleinplatz sein, da sie im Randbereich der damaligen römischen Legionsziegelei entstehen soll. Das Besondere an jeder neuen Entdeckung: „Man kann Vermutungen mit ganz konkreten Funden überprüfen.“
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