Ein Gruß aus ferner Zeit: Wie der Mammutzahn in Wien gefunden wurde

„Auf den ersten Blick hab’ ich mir gedacht: Das schaut aus wie ein Mammutzahn. Aber eigentlich haben wir vermutet, dass es nur ein Stück Holz ist“, erzählt Oliver Marolt. Der Kärntner arbeitet in Wien beim U-Bahn-Bau, und ein Arbeitstag Ende des Vorjahrs wird ihm wohl noch lange in Erinnerung bleiben: Er stieß mit dem Bagger auf jenen Mammutzahn, dessen Fund nun publik wurde.
„Normalerweise“, sagt Marolt, „ist da im Boden nix Besonderes drin.“ Er war in der Ebendorferstraße hinter der Universität mit Baggerarbeiten beschäftigt, als er auf der Schaufel ein ungewöhnliches Teil entdeckte. „Es ist seitlich rausgestanden und war gebogen.“ Seine Kollegen und er begutachteten den Fund: An einen Mammutzahn wollte keiner so recht glauben, ein eigenartig geformtes Stück Holz erschien wahrscheinlicher. „Ein paar Wochen später haben wir dann erfahren, dass es doch der Zahn von einem Babymammut ist“, sagt Marolt.
Mammutfunde gebe es in Wien alle paar Jahre, bestätigt Kristina Adler-Wölfl, Archäologin der Wiener Stadtarchäologie.
Ein Knochen von Riesen?
Der älteste bekannte Fund war ein Oberschenkelknochen, der 1443 bei Aushubarbeiten für den Nordturm des Stephansdoms ans Licht kam. In einer Chronik aus dem 16. Jahrhundert wiederum hieß es, in Wien seien Gebeine der in der Bibel erwähnten Riesen Gog und Magog gefunden worden. Auch hier dürfte es sich um Mammutknochen gehandelt haben.
Der jüngste Fund in Wien war eben jener 73 Zentimeter lange Stoßzahn, der Ende des Vorjahres in 13 Metern Tiefe entdeckt wurde. Mitarbeiter der Geologisch-Paläontologischen Abteilung des Naturhistorischen Museums reinigten und konservierten ihn.

Grabungsarbeiten am Frankhplatz in Wien.
Ein Blick unter die Oberfläche fördere immer wieder Interessantes zutage, erzählt Adler-Wölfl: „Projekte wie der U-Bahn-Bau sind eine Chance für die Archäologie. Da erhalten wir Einblicke, die wir sonst nicht bekommen hätten.“ So stieß man etwa bei den Grabungen am Frankhplatz, nahe des Mammutzahn-Fundortes, auf römische Siedlungsreste. Zuvor war man davon ausgegangen, dass sich die römische Lagervorstadt nur bis zur Votivkirche erstreckte. Tatsächlich dürfte sie deutlich größer gewesen sein. „Wir haben einen Brunnen, Latrinen und einen Ofen gefunden. Das deutet auf eine Siedlung hin.“
Der geheimnisvolle Stiefel
Für Aufsehen sorgte auch, als ein Grabungsteam beim Frankhplatz in sieben Metern Tiefe einen blauen Glasstiefel fand. Er dürfte aus dem 16. Jahrhundert stammen. Fraglich ist, wofür er verwendet wurde: Mit einer „Schuhgröße“ von 6,5 und einer Höhe von 12,5 Zentimetern ist er für ein normales Trinkglas zu klein, für ein einfaches Schnapsglas aber zu groß. Möglicherweise, vermuten die Experten, wurde es mit Schnaps befüllt, und dann reihum gereicht.

Der kleine Glas-Schuh könnte ein Trinkgefäß gewesen sein.
Da gibt der Mammutzahn weniger Rätsel auf: Bis vor 12.000 Jahren gab es in Wien eine Steppe, in der Mammuts lebten. Wer den Zahn besichtigen möchte, braucht dafür übrigens keinen Bagger: Ab Donnerstag wird er bei der Station Volkstheater am Bahnsteig der U3 ausgestellt.
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