Als noch Mammuts und Höhlenbären in Wien lebten

Was haben der Bau des Stephansdoms, einer Villa in Hietzing und der neuen U-Bahn-Linie U5 gemeinsam? Bei all diesen Arbeiten stieß man auf Überreste von Mammuts. Wurden die überdimensionalen Knochen im Mittelalter noch Riesen zugeschrieben, können Experten die Funde aus der Eiszeit mittlerweile gut einordnen. Der KURIER sprach mit Martin Penz, Urgeschichte-Experte der Stadtarchäologie Wien darüber, was uns die Funde über vergangene Zeiten lehren.
Mindestens 350 eiszeitliche Knochenfunde sind aus Wien bekannt – rund 100 davon stammen von Mammuts. Denn auch anderes Getier war unterwegs: etwa Wollnashörner, Urpferde, Riesenhirsche, Rentiere, Höhlenbären oder Riesenbiber. „Kleine Knocherl“, sagt Penz, „fallen bei Bauarbeiten ja meistens gar nicht auf. Die Knochen dieser Lebewesen aus der Eiszeit sind aber so groß, dass sie nicht zu übersehen sind.“
Erster dokumentierter Fund
Der erste dokumentierte Fund eines Mammutüberrests in Wien stammt aus 1443: Beim Bau des Nordturms des Stephansdoms stießen Arbeiter auf einen Oberschenkelknochen. Ebenfalls historisch belegt sind Ausgrabungen aus 1546: Damals glaubte man, Knochen der biblischen Riesen Gog und Magog entdeckt zu haben.

Dieser Knochen eines Mammuts wurde beim Bau des Nordturms des Stephansdoms entdeckt.
Längst ausgestorben: Bis vor rund 12.000 Jahren gab es im Wiener Raum eine Steppe, in der Mammuts lebten. Danach sind die Tiere in Europa ausgestorben. Die letzten gab es vor 4.000 Jahren in Sibirien.
Der erste dokumentierte Knochenfund: Dieser Mammutknochen wurde am sogenannten „Riesentor“ des Stephansdoms aufgehängt. Dessen Name könnte laut Legende von diesem Knochen stammen – oder auch vom mittelhochdeutschen Wort „risen“, das „sinken“bedeutet (das trichterförmige Portal fällt nach innen tief ab).
Weitere Informationen zur Stadtarchäologie: stadtarchaeologie.at
Viele Funde aus der Gründerzeit
Dass es gerade im 19. Jahrhundert zahlreiche Funde gab, ist mit der regen Bautätigkeit während der Gründerzeit zu erklären. Zum einen trat beim Kelleraushub für die vielen neuen Wohnhäuser der eine oder andere Knochen zutage. Da man für die neuen Gebäude jede Menge Ziegel benötigte, entstanden an den Stadträndern Ziegeleien. „Daher gibt es zwei Hotspots, wo besonders viele Überreste gefunden wurden: in den Löss- und Lehmgruben der Ziegeleien am Wiener Berg und in Nussdorf bei Heiligenstadt“, erklärt Penz.
Generell ist die Zahl der Funde im Wiener Raum vergleichsweise hoch: „Früher befand sich hier eine baumlose Kältesteppe. Und schon damals war es hier windig“, beschreibt der Experte. Der Wind habe den Lössboden etwa beim Bisamberg oder beim Wiener Berg meterhoch angefrachtet – darin finden sich immer wieder Überreste aus der Eiszeit. Vorwiegend stieß man übrigens auf Stoß- und Backenzähne sowie auf Ober- oder Unterschenkelknochen. „Schädel sind seltene Fundstücke, da sie dünner und fragiler sind.“
Spuren von Menschen
Man weiß also, dass im Wiener Raum bis vor rund 12.000 Jahren Mammuts und andere Riesentiere unterwegs waren. Und es gibt auch einige (wenige) Spuren von Menschen aus längst vergangenen Zeiten: „1995 hat ein Winzer in Stammersdorf seinen Keller erweitert und Überreste eines Höhlenbären und anderer Tiere gefunden“, sagt Penz. „Es war so eine auffällige Ballung verschiedener Spezies, dass wir uns gefragt haben: Handelt es sich hier um Jagdreste von Menschen?“
Exkursion in den Weinkeller
Gemeinsam mit anderen Fachkundigen unternahm Penz eine Exkursion zu besagtem Weinkeller („Im seriösen Sinn“, sagt er und lacht). Sie fanden tatsächlich Hinweise auf Menschen: etwa schwärzliche Erde im gelbbraunen Lössboden, was auf eine Feuerstelle hindeutet. „Leider fanden wir dort aber keine kulturellen Reste“, fügt er hinzu.
Auf die stieß man anderswo, nämlich in Hietzing und Nussdorf. Bei Bauarbeiten an einer Villa in den 60er-Jahren in der Titlgasse fand man neben Mammutresten auch Kleinwerkzeuge, die auf menschliche Besiedelung hindeuten – 15.000 bis 30.000 Jahre vor unserer Zeit. In Nussdorf wiederum stieß man auf einen Wildpferdknochen, der verdächtige Schnittmarken aufwies: „Das waren keine Kratzer, wie sie bei der Bergung solcher Funde vorkommen. Das waren typische Schnittspuren, die beim Häuten der Tiere passieren“, sagt Penz. Diese entstanden vor 38.000 Jahren. „Somit sind diese beiden die ältesten Funde, die auf Lager von Menschen im heutigen Wiener Raum hindeuten“, sagt der Archäologe.
Nun hofft man auf weitere Entdeckungen – um mehr Licht ins Dunkel unserer Vergangenheit zu bringen.
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