„Er hat sich genommen was und wann er wollte“

Angeklagter wurde von Staatsanwältin als gewalttäiges Clan-Oberhaupt bezeichnet
Prozess wegen schwerer sexueller Gewalt vor Schöffensenat in St. Pölten wecken Erinnerungen an Josef Fritzl

Das spurlose Verschwinden einer jungen Mutter, deren Schicksal ungewiss ist, ließ Kriminalisten vor zwei Jahren auf einen anderen ungeheuerlichen Kriminalfall stoßen. Dass nun ein 65-jähriger Mostviertler, der einst Lebensgefährte der Vermissten war, wegen vielfacher brutaler sexueller Gewalt gegen Unmündige vor Gericht stehe, sei dem Zufall zu verdanken, sagte die Staatsanwältin.

Beim Prozessstart vor dem Schöffensenat am Landesgericht St. Pölten am Donnerstag ließ der Beschuldigte aus dem Bezirk Melk über seine Anwältin mitteilen, dass er nicht schuldig sei. Gegen ihn sei eine Verschwörung im Gange. Bevor im Schwurgerichtssaal aber die Öffentlichkeit vom Prozess ausgeschlossen wurde, kamen dort den Beobachtern Erinnerungen an den Fall Josef Fritzl aus dem benachbarten Amstetten hoch.

Der auf freiem Fuß gekommene Angeklagte wird schwerer Gewaltdelikte beschuldigt, auf die die Kriminalisten bei den Ermittlungen rund um die verschwundene Mutter Maria O. stießen. Zwischen 1976 und 2005 soll es zu Notzucht, vielfacher Vergewaltigung und Beischlaf sowie zur Nötigung zur Unzucht mit Unmündigen gekommen sein. Der Angeklagte soll jahrelang seine unter anderem mit ihm im Haushalt lebenden nahen Verwandten mit permanenter brutaler Gewalt durch Schläge und Drohungen gefügig gemacht haben.

Chef eines Familienclans

Die Anklageschrift sei wegen der wechselnden Gesetzeslage im großen Zeitraum schwer zu verstehen, sagte die Staatsanwältin. Doch im Kern handle es sich um einen großen abgekoppelten Familienclan, in dem der Angeklagte das Oberhaupt war. „Er hat sich mit Gewalt genommen was und wann er wollte, auch in sexueller Hinsicht“, schilderte die Anklagevertreterin. Drei heute erwachsene Frauen, eine davon fast 30 Jahre lang, sollen der Gewalt des Pensionisten, der drei Häuser besitzt, ausgesetzt gewesen sein.

Alle leiden unter massiven posttraumatischen Störungen und auch unter der Angst, der Clan könnte sich an ihnen rächen, so die Staatsanwältin. Zwei von ihnen forderten als Privatbeteiligte über ihre Anwältinnen 50.000 und 100.000 Euro Entschädigung. Die Anwältin des nicht geständigen Angeklagten kündigte Gegenwehr an. Zu allen Taten würden klare Hinweise fehlen. Auch genaue Zeitangaben gäbe es nicht. Die Hauptzeugin sei zudem Jahre später von einem anderen Mann vergewaltigt worden.

Ein Urteil ist vorerst noch ausständig. Die Richterin kündigte einen weiteren Prozesstag an.

 

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