Ein Serientäter aus der Provinz
„Das Letzte, was sie sah, bevor sie ohnmächtig wurde, waren eine Menge Blut und ein rot gesprenkelter Zwicker, hinter dem sie die Augen des Mannes leblos anstarrten.“
Andreas Gruber, weiß, was seine Leser lieben: Mörderische Spannung, in Kombination mit exzessiver Gewalt und viel Blut. „Ja, es ist schon oft brutal. Ich bin auch schon gefragt worden, was das für ein krankes Gehirn ist, das sich so etwas ausdenkt“, sagt Gruber mit einem breiten Lächeln. „Aber wenn nur das Blut spritzt, ist das langweilig, es kommt schon auf die Handlung an. Ich beschreibe die Morde ja auch gar nicht so detailliert, das überlasse ich lieber der Fantasie der Leser.“
„Todesrache“ nennt sich der jüngste Roman des Autors aus Niederösterreich. Schwer zu glauben, dass der gemütliche Mann, der in seinem Wintergarten im 400-Seelen-Nest Grillenberg im hintersten Triestingtal von den neuesten Abenteuern seines Ermittlers Sneijder erzählt, während auf der grünen Wiese gegenüber die Rehe grasen, sich „so etwas“ ausdenken kann.
Selbst habe er jedenfalls keine charakterlichen Gemeinsamkeiten mit seinem beinharten Lieblingsermittler, einem echten „Kotzbrocken“. Ganz im Gegenteil: „Ich falle schon fast in Ohnmacht, wenn ich mich selbst unabsichtlich beim Brotschneiden tief in die Hand schneide. Außerdem bin ich nahe am Wasser gebaut und muss schon mal eine Träne wegdrücken, wenn ich eine Tier-Doku im TV sehe. Vielleicht liebe ich es gerade deshalb, über ,harte Knochen’ zu schreiben, über perverse Serienkiller, abartige Todesarten und menschliche Konflikte, die kaum noch zu ertragen sind. Es ist eben diese andere Welt, die mich fasziniert.“
Geschichten hat er sich schon immer gern ausgedacht, erzählt Gruber. „Als ich noch nicht schreiben konnte, zeichnete ich Comics.“ Der erste Krimi entstand mit neun Jahren. „Aber nach drei Seiten waren alle Figuren tot, weil sie sich gegenseitig umgebracht haben – ich schätze, das ist eine Berufskrankheit bei mir“. Anfangs schlug der gebürtige Wiener, dessen Eltern nach NÖ zogen, als er 17 war, einen ganz anderen Berufsweg ein. Er studierte Controlling an der WU, arbeitete bei einigen Firmen, aber ab 1996 war klar: „Ich möchte Schriftsteller werden“. Das Problem: „Ich hatte keine Ahnung, wie das Literaturbusiness funktioniert“.
Selbstverlag, Online-Veröffentlichungen – gab es damals alles nicht. Man musste bei einem der großen Verlage angenommen werden. „Meinen ersten Roman mit 400 Seiten habe ich hundert Mal angeboten und bekam hundert Absagen. Mir war schon klar, dass es schwierig wird, aber da war ich knapp davor aufzugeben“. Tat er aber nicht. Stattdessen besuchte Gruber Schriftstellerkurse in Deutschland und lernte das Schreiben von der Pike auf.
Andreas Gruber - 1968 in Wien geboren, lebt der vielfach ausgezeichnete Autor (Österreichischer Krimi-Preis 2021) mit seiner Familie und vier Katzen in Grillenberg (NÖ).
Im DACH-Raum (Deutschland, Österreich, Schweiz) hat er bisher 4,7 Millionen Exemplare verkauft (inkl. E-Book, Hörbuch, Buchclub).
Seine Bücher (in mehr als zehn Sprachen übersetzt) waren insgesamt über 110 Wochen auf der Spiegel-Bestsellerliste, drei davon (Todesreigen, Todesmal, Todesschmerz) auf Platz eins. „Todesfrist“ und „Todesurteil“ wurden durch SAT.1 und Constantin Film verfilmt.
Dann der große Moment: Die erste Story erschien in einer Kurzgeschichten-Sammlung. „Das war toll. Endlich ein Buch in der Hand zu halten, wo mein Name drinnen stand“. Das erste eigene Werk – damals war Gruber noch im Horror- und Science-Fiction-Genre unterwegs – erschien dann 2000. „Ab da war es einfacher, ich hatte Kontakt zur Szene“. 2006 folgte der erste Krimi. Den im Laufe der Jahre immer stärker reduzierten Bürojob hängte er 2014 endgültig an den Nagel. Seither ist er hauptberuflich Autor.
Das Künstlerleben ist allerdings „sehr unspektakulär“. Gearbeitet wird täglich von 7 bis 19.30 Uhr, unterbrochen von einer Walking-Runde oder einer TV-Serie auf dem Heimtrainer. Das Wochenende gehört der Familie, aber „das Gehirn rattert weiter. Mir fallen permanent solche Sachen ein“, erzählt Gruber. Taucht eine neue Idee auf, wird sie gleich aufgeschrieben, ganz altmodisch mit Stift und Papier. Und landet schließlich in einer Datei im Computer, um vielleicht im nächsten Roman eine Rolle zu spielen. „Ich bin kein Autor, der aus dem Bauch heraus schreibt. Ich plane die Handlung, die Kapitelübergänge, den Zeitrahmen, recherchiere an den Locations und befrage viele Leute vom Fach“. Rund ein Jahr braucht er für einen neuen Roman, der nächste ist schon in Arbeit.
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