Wenn sie sich in ihrer Heimatstadt im Kaffeehaus treffen, gehen die Zwillingsbrüder mit dieser Situation sehr locker um. Parteipolitik ist für sie – „Wir haben sicher emotional eine stärkere Bindung als normale Geschwister“ – (noch) kein Grund für einen familiären Zwist. Auch wenn während eines Gespräches immer wieder Seitenhiebe – speziell gegen Sebastian Kurz oder Pamela Rendi-Wagner – eingestreut werden. „Politisch streiten wir wenig bis gar nicht. Wir wissen ja, wie wir denken, und wir haben sehr viele andere Themen, über die wir uns unterhalten“, sagt Rainer Spenger.
„Politischer wird es, wenn die Eltern dabei sind“, ergänzt Jörg. Die Mutter sei auch anfänglich sehr unglücklich gewesen, dass ihre Söhne für verschiedene Parteien kandidieren. Jörg: „Aber mittlerweile hat sie es akzeptiert.“ Speziell zu Weihnachten wird Parteipolitik aber meist ausgespart. Außer diesmal: Da hat Jörg seinem Bruder ein Buch über Sebastian Kurz geschenkt. „Ich habe bis heute noch nicht darin geblättert“, sagt Rainer.
Dass sich die Zwillinge, die aus dem politisch tiefschwarzen Hollenthon in der Buckligen Welt stammen und bis zum 18. Lebensjahr den fast identen Lebensweg vorweisen – vom katholischen Gymnasium in Katzelsdorf bis hin zur fast gleichen Position im Mittelfeld des Fußballklubs Wiesmath bis hin zu den gleichen Krankheiten – , gerade in der Parteipolitik auseinanderentwickeln, liegt an der Studentenzeit.
Rainer Spenger ging nach Wien und studierte dort Publizistik und Politikwissenschaft. Dort zeigte er sich von den linken Strömungen in der Zeit von SPÖ-Bundeskanzler Franz Vranitzky fasziniert. Das habe seinem Denken entsprochen: „Ich habe schon in der Schule bei Diskussionen mit meinen Freunden die linkeren Positionen eingenommen.“ Auf das Studium folgte die parlamentarische Mitarbeit beim ehemaligen SPÖ-Nationalratsabgeordneten Arnold Grabner aus Wiener Neustadt und danach bei der SPÖ-Größe Rudolf Nürnberger.
Weitere Stationen waren die Arbeiterkammer NÖ sowie das Rathaus Wiener Neustadt, wo er bei den Bürgermeistern Traude Dierdorf und Bernhard Müller Pressesprecher war. Bis zu dem Tag, als 2015 die ÖVP in der Stadt die Regentschaft übernahm. Da wechselte er dann als Geschäftsführer zum Verein für Konsumenteninformation VKI nach Wien.
Jörg Spenger hingegen beschritt den für Lehrer in Niederösterreich nicht unüblichen Weg: Mitgliedschaft beim ÖAAB, Personalvertretung, Kandidatur für die ÖVP in der Stadt. Kurze Zeit war er auch im Ministerium der damaligen ÖVP-Bildungsministerin Elisabeth Gehrer tätig gewesen. Heute arbeitet er an der Pädagogischen Hochschule in Baden, wird aber auch auf Bundesebene in Ministerien eingesetzt, wenn es um die Bildung geht.
Trotz unterschiedlicher Parteien gibt es einen Punkt, bei dem sich die beiden treffen: christlich-soziale Politik. Da sei man einer Meinung, diese sei in beiden Parteien zu finden. Wobei da wohl die Ausbildung in den katholischen Schulen kräftig nachwirkt.
Rainer Spenger hat sich als neuer SPÖ-Chef in der Stadt sehr viel vorgenommen. Im Gegensatz zu seinen Vorgängern hat er mit ÖVP-Bürgermeister Klaus Schneeberger ein Arbeitsübereinkommen unterzeichnet. Was seinem Zwillingsbruder sicherlich nicht unangenehm ist, weil so viel parteipolitischer Zündstoff wegfällt. Jörg ist auch überzeugt, dass es Rainer gut machen wird. Über die Lippen kommt ihm das allerdings erst, als sein Bruder bereits das Kaffeehaus verlassen hat.
ÖVP und SPÖ sind aber nicht die einzigen Dinge, die die Gebrüder trennen. Im Fußball ist Jörg ein Rapid-Anhänger, Rainer hingegen hält zu Austria Wien. Womit Jörg Spenger momentan nicht nur politisch die Nase vorne hat.
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