„Den Menschen ihre Geschichte zurückgeben“

„Den Menschen  ihre Geschichte zurückgeben“
Kuratorin Marie-Theres Arnborn lässt in der neuesten Ausstellung im Badener Kaiserhaus jüdische Häuser Geschichte(n) erzählen

Der Zufall schreibt manchmal die besten Geschichten. In diesem Fall war es ein Hinweis auf ein historisches Klavier, einen Bösendorfer, der in einem Gartenhaus in Wien-Mauer vor sich hindämmere. An sich schon ungewöhnlich genug, aber als Marie-Theres Arnborn dann an einem kalten Wintertag in dem besagten Gartenhaus tatsächlich vor dem Instrument steht, kann sie ihr Glück nicht fassen: „Mir kommt leise der Gedanke, dass dies wieder einmal so ein Moment ist, wo ein Gegenstand auf mich gewartet hat.“ Denn der Flügel wurde am 23. Dezember 1879 ausgeliefert – an Wilhelm von Gutmann. Und dürfte wohl ein Geschenk an seine Frau Ida gewesen sein, die am 24. Dezember ihren 32. Geburtstag feierte.

Nun steht der Bösendorfer im Kaiserhaus in Baden und ist eines der Exponate in der Ausstellung „Sehnsucht nach Baden – Jüdische Häuser erzählen Geschichte(n)“. Anhand von zehn historischen Villen wird das Leben der jüdischen Familien, die hier lebten, erzählt. Die Historikerin, Autorin und Direktorin des Wiener Theatermuseums Marie-Theres Arnborn ist Kuratorin dieser jüngst eröffneten Ausstellung. Und eine dieser Familien sind eben die Gutmanns, die Kohlen-Gutmanns, wie sie damals genannt wurden. Wilhelm und sein Bruder David Gutmann revolutionierten den Energiemarkt in der Monarchie – und wurden reich. In Baden zeugt heute noch die imposante Villa Gutmann von dieser Zeit. „Eine spannende Familie, sie hat etwa auch die Poliklinik in Wien gegründet. Sehr weitläufig bin ich sogar mit den Gutmanns verwandet“, sagt Arnborn. Und kann gleich einen weiteren Zufall präsentieren: Ein historisches Gemälde der „Villa Ida“, wie der Späthistorismus-Bau auch genannt wurde. Entdeckt vor Kurzem bei einer Online-Auktion in Frankreich und, weil der Verkäufer den Zusammenhang nicht kannte, um einen relativ günstigen Betrag erworben. Nun schmückt es eine Wand im Kaiserhaus und zeugt vom früheren Glanz.

„Den Menschen  ihre Geschichte zurückgeben“

Marie-Theres Arnborn mit dem Klavier von Ida Gutmann, das sie in einem Gartenhaus entdeckte

Recherchearbeit

Bei ihren Buchprojekten kommt Arnborn zwar manchmal der Zufall zu Hilfe, sie verlässt sich aber auf genaue Recherche. Schon 2014 widmete sie sich der Welt des Wiener jüdischen Großbürgertums. Häuser Geschichten erzählen ließ sie in „Villen-Büchern“ über Bad Ischl, Attersee, Traunsee, Ausseerland und Pötzleinsdorf. Im Herbst folgt, begleitend zur Ausstellung, eines über die Badener Villen. „Am Anfang stand dabei die sogenannte Bürgertumsforschung. Dann wurde immer klarer: Die von den Nationalsozialisten vertriebenen und ermordeten Menschen müssen ihre Geschichte zurückbekommen“, erklärt Arnborn. Das sei oft kompliziert. Nachkommen gibt es nicht immer, die Quellenlage ist oft schlecht, Nachlässe sind kaum erhalten.

„Wenn man die Arisierungsakten liest, erwartet man, dass das schockierend ist. Aber die Rückstellungsakten sind fast noch schockierender“. Nach dem Ende des Krieges waren die Familien über die ganze Welt verstreut, die Villen wurden zu Spottpreisen verkauft. „Niemand wurde adäquat entschädigt“, sagt Arnborn.

Familiengeschichten

In der Ausstellung in Baden geht es demnach zwar auch um Aufarbeitung. aber „vor allem um die Familiengeschichten und wir blicken zurück in eine Zeit des Aufbruchs, der Innovation, der Künste – und der Sommerfrische“. Denn Baden war im 19. Jahrhundert als solche stark gefragt. Mehr als 500 Villen entstanden, teilweise durch prominente Architekten wie Otto Wagner oder Alexander Wielemann.

Nicht weniger prominent sind die Namen der Auftraggeber. Emil Jellinek etwa, der sich ein besonderes Automobil konstruieren lässt und es nach seiner 1889 in Baden geborenen Tochter Mercedes benennt. Oder Gustav Heller – die „Wiener Zuckerl“ sind noch heute in aller Munde. Auch der Bankier Gustav Eppstein lässt sich in Baden eine Villa errichten, und zwar von Otto Wagner. Porträts der Familie (das Wiener Palais Eppstein ist heute Nebengebäude des Parlaments) sind zu sehen.

Das Interesse an der Ausstellung war schon am Eröffnungswochenende groß Der Blick hinter die schönen (Villen-)Fassaden macht neugierig auf die schönen und traurigen, beglückenden und tragischen Geschichten dahinter. „Um jene in den Fokus zu stellen, die oftmals vergessen sind“, betont Arnborn.

Sehnsucht nach Baden
Die Ausstellung „Sehnsucht nach Baden    – Jüdische Häuser erzählen Geschichte(n)“ ist noch  bis 6. November im  Kaiserhaus Baden, Hauptplatz 17, von Dienstag bis Sonntag sowie an Feiertagen jeweils von 10 bis 18 Uhr geöffnet

www.kaiserhaus-baden.at

 

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