Bereitschaftsdienst: Am Wochenende fehlen die Ärzte
Wer an Wochenenden oder Feiertagen in Niederösterreich medizinisch grundversorgt werden muss, ist in vielen Fällen auf einen Krankenhausbesuch angewiesen. Wie aus einer Anfragebeantwortung an die Neos Niederösterreich nun hervorgeht, hat in einigen Sprengeln keine einzige Praxis für einen Bereitschaftsdienst geöffnet.
Zurückzuführen ist das vor allem auf ein Urteil des Verwaltungsgerichtshofs (VwGH) im Frühjahr 2019: Die Verpflichtung zum Bereitschaftsdienst für Kassenärzte wurde aufgehoben. Nur wer sich freiwillig meldet, macht seitdem Zusatzdienste.
„Skandalöse Verschlechterung“
Gerald Bachinger, Sprecher der Patientenanwaltschaft Niederösterreich, sieht eine „skandalöse Verschlechterung“. „Etwa 40 bis 50 Prozent der Patienten, die in eine Notfallambulanz kommen, brauchen die Infrastruktur eines Krankenhauses nicht. Aber das schlechte System drängt die Patienten dorthin“, kritisierte er.
So entstünden nicht nur längere Wartezeiten, sondern auch unnötige Mehrkosten. „Eine Behandlung im Krankenhaus ist definitiv teurer, als beim Hausarzt“, bestätigte Max Wudy, Obmannstellvertreter der Kurie niedergelassene Ärzte der Ärztekammer Niederösterreich (ÄK NÖ).
Bezirk Mistelbach
In vier von acht Sprengeln gibt es zur Zeit gar keine Bereitschaftsdienste.
Bezirk Mödling
Ein Sprengel ist an Wochenenden und Feiertagen im ersten Quartal 2020 unbesetzt.
Bezirk Wr. Neustadt
Ein Sprengel bleibt bis Ende März unbesetzt.
Insgesamt 49 Sprengel in NÖ sind zu weniger als 76 Prozent der Bereitschaftszeit – also unterdurchschnittlich – besetzt.
Nicht kostendeckend
Er kritisiert, dass seit dem VwGH-Urteil eine gesetzliche Grundlage fehle. Momentan sind Bereitschaftsdienste in Niederösterreich nur zu etwa 76 Prozent besetzt. Für einen Bereitschaftsdienst, der etwa sechs Stunden dauert, bekommt man eine Pauschale von 150 Euro von der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK).
„Das ist oft nicht einmal kostendeckend. Es ist also sehr undankbar für Ärzte, diese Dienste zu machen“, kritisierte Wudy. Seitens der ÖGK hieß es, die tägliche Pauschale sei immerhin um etwa 45 Prozent auf 150 Euro erhöht worden.
"Teufelskreis"
„Wir befinden uns in einem Teufelskreis“, sagt Wudy, denn weiter zuspitzen würde sich die Situation dadurch, dass etliche Kollegen vom freiwilligen Dienst zurücktreten. Denn durch den Rücktritt anderer Ärzte steige die Belastung für die verbliebenen Diensthabenden. Patientenanwaltschaft und Ärztekammer sind sich einig: Es gibt ein grundlegendes, strukturelles Problem im Bereich der niedergelassenen Allgemeinmediziner. Die Diskussion um die Bereitschaftsdienste verschärfe die Lage weiter.
24 Stellen zu besetzen
Prinzipiell müssen in Niederösterreich 24 Kassenstellen für Allgemeinmediziner zur Zeit besetzt werden. Für junge Ärzte sei diese Option wenig attraktiv: „Multifunktionelle Gesundheitszentren sind der einzig sinnvolle Ausweg. Junge Ärzte wollen Arbeitszeitmodelle, die sich nicht mit einer Einzelordination vereinbaren lassen“, so Bachinger.
Bis 2021 soll es in Niederösterreich 14 Primärversorgungszentren geben, die eine alternative Anlaufstelle zum Hausarzt seien sollen. ÄK NÖ und Patientenanwaltschaft halten diesen Plan für einen „Tropfen auf dem heißen Stein“, damit könnten nicht einmal zehn Prozent der Niederösterreicher versorgt werden, sagte Wudy. Für eine allgemeine Aufwertung des Allgemeinmediziners sei auch ein Bürokratieabbau für Hausärzte dringend notwendig, fordert er.
Neos NÖ kritisieren fehlenden Plan
Gesundheitssprecherin Edith Kollermann von den Neos NÖ sieht das genauso: „Es fehlt an einer angemessenen Honorierung der Leistungen und an einem Abbau der Bürokratie.“ Aus dem Büro von Landesrat Martin Eichtinger (ÖVP) verwies man auf den Plan der 14 Primärversorgungszentren: „Diese Gesundheitszentren haben ein klares Ziel: Sie sollen die Ambulanzen in den Spitälern entlasten und die hohe medizinische Versorgung in den Regionen noch weiter steigern“, sagte Eichtinger. Drei Zentren sind bereits eröffnet. Die Frage, wann konkret die Übrigen kommen, bleibt noch offen.
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