Darling, wir sind im Autokino: Filmschauen während Corona
Im Niemandsland zwischen Wien und Niederösterreich, die Straße ist holprig. Und doch: Hunderte Autos, Stoßstange an Stoßstange. Die Menschen in der Corona-Krise offenbar ausgehungert nach Popcorn und Unterhaltung. Und die sollen sie auch kriegen.
Es ist Freitagabend. „So viel war in Groß-Enzersdorf schon lange nicht mehr los“, sagt ein Radler, der den Stau fotografiert. Der Grund: die Wiederöffnung des Drive-in-Kinos. Am Programm: Grease, der Film über den betont coolen Danny Suko und das brave Mädchen Sandy Olsson.
Alone in a Drive In Movie (folgend in Kursiv: alles Songs aus dem Film). Allein oder mit Familie und Freunden im Auto, ja. Kontakt zu anderen, nein. Das ist auch in den Sicherheitshinweisen zu lesen. Die Crew liefert den Zettel gemeinsam mit Chips, Desinfektionsmittel und Kondom direkt vor der Autotür auf dem Parkplatz vor der Leinwand ab. „Nicht aussteigen“, mahnt eine sonore Stimme aus dem Radio, das den Filmton wiedergibt.
Im Nebenauto schlürft ein Pärchen Sekt aus Plastik-Flöten. Mit der Dämmerung wird es romantisch – noch bevor der Film startet. Blue Moon.
Der Streifen soll um 21 Uhr beginnen. Tut er aber nicht, weil der Andrang zu groß ist. Punkt neun Uhr wollen die Gäste aber Unterhaltung. Sie hupen. „Bitte nicht hupen, die Anrainer werden es danken“, sagt die Stimme aus der Box.
Halbstark
Endlich gehen die Flut- und Autolichter aus. Nur nicht der Scheinwerfer vom Vordermann. Das regt auf. Es soll ja dunkel sein, wenn die Halbstarken und ihre Ladys in der Rydell High School herumtanzen.
Fünf Mal bekommt er Besuch von verärgerten Menschen. Look at me. Das Licht zieht die Blicke auf sich. „Schalten Sie das endlich ab“, herrscht ihn eine Frau an. Die Crew klebt die Scheinwerfer zu. Das Popcorn, Cola und Wasser sind auch eingetroffen. Sie kommen in einem Leiterwagen.
Im Auto wird es gemütlich – und unordentlich. Taschen, Masken (für den Gang zum Klo), Handys, Brillen und Brösel bringen Chaos in die „Keksdose“ (wie die Kids im Film ihr Fahrzeug bezeichnen). Die Heckscheibe beginnt anzulaufen. Draußen hat es zehn Grad.
Geölter Blitz
Immer wieder gehen Lichter der Autos an. Um das Radio in Gang zu halten und Luft in den Innenraum zu bringen, werden die Zündschlüssel umgedreht. Jetzt wird es aber Zeit. Wie ein geölter Blitz geht es auf die Toilette – das ist erlaubt. Greased Lightning. „Zwei Euro, junger Mann.“ Für das Kompliment zahlt man den Preis doch gerne. Am Rückweg fällt eines auf: Nicht nur die eigenen Fensterscheiben sind beschlagen.
Karten und Popcorn: Fast alles geht im Autokino Groß-Enzersdorf online (autokino.at): Karten kaufen und Snacks bestellen jedenfalls. Das Ticket wird per E-Mail zugeschickt und kann auch am Handy vorgewiesen werden. Die Betreiber bitten, Autofenster geschlossen zu halten und im Fahrzeug zu bleiben. Eine Ausnahme gibt es. Und zwar,
wenn man aufs Klo muss. Die WC-Anlagen sind geöffnet. Personal sorgt dafür, dass sich nicht zu viele Menschen gleichzeitig in den Räumen befinden.
Snacks vor die Autotüre: Die über eine App bestellten Knabbereien und Getränke werden direkt zum Auto gebracht.
Radio aufdrehen: Der Ton kommt übers Radio. Die Frequenzen werden auf die Leinwand projiziert.
Es geht ins Finale. Die Popcorn sind gegessen und im Auto verteilt. Und als dann die mittlerweile zur Femme fatale gewandelte Sandy ihren Suko im Leder-Outfit bei You’re the one that I want aus der Fassung bringt, sind die Fenster endgültig angelaufen.
Die Abfahrt funktioniert durchaus diszipliniert. Nur einer bleibt stehen, die Autobatterie ist leer. Gemeinsam in der Kolonne geht es heimwärts. „We go together. Shoo-bop sha wadda wadda yippity boom de boom.“
Und ab 1. Juli sollen dann auch normale Kinos öffnen.
Diskussionen bis Disco
In Linz beginnt’s, heißt es zumindest. Diesmal ist man weit davon entfernt. Seit Wochen wälzt die Stadt Pläne, ein Autokino auf dem Urfahraner Jahrmarkt-Gelände zu eröffnen. Doch noch ist nicht fix, ob und wann dort die Leinwand erhellt wird. Und Kritik von den Grünen gibt es obendrein. Im Sommer könnten 250 Autos mit laufenden Motoren zwecks Klimaanlagen-Betrieb für schlechte Luft sorgen.
In Salzburg hingegen sind schon vom 28. Mai bis 30. August 95 Filmabende beim Gelände vor Flughafen eingeplant. Und vom 29. bis 31. Mai gibt es in der Arena Nova Wiener Neustadt ein Autokino-Wochenende. Und da wird es laut, denn auch ein Auto-Clubbing ist eingetaktet. Was für die einen das endgültige Ende der Partywelt einläutet, ist für die anderen ein Rettungsanker in höchster Feier-Not. Bei geschlossenen Fenstern dürfen sich maximal vier Personen im Wagen wegwippen. Lichtblitze und Rauch inklusive – aber die finden draußen statt.
Wiener Neustadt ist nicht der einzige Disco-Drive-in: „Reinfahren, feiern, rausfahren“, heißt es auf der Homepage autodisco.at, die Spektakel vor dem Empire St. Martin im Mühlkreis (OÖ), vorm Baby O Ilz (Steiermark) und in Innsbruck ankündigt. Und bei allen gilt natürlich: „Don’t drink an drive“.
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