Allgemeinmedizin in NÖ: 33 unbesetzte Kassenstellen

Symbolbild
Es besteht Uneinigkeit darüber, ob Primärversorgungszentren die Lösung für jene Versorgungslücken sein können.

22 freie Kassenstellen gibt es derzeit im allgemeinmedizinischen Bereich in Niederösterreich. Bald werden es aber noch mehr sein: Im Oktober werden sieben weitere Stellen frei, im kommenden Jahr dann nochmals vier. Oliver Rückert, Kassenarzt aus Wiener Neustadt, befürchtet, dass die finanziellen Einbußen aus der Zeit des Lockdowns dazu beigetragen haben könnten. Das habe er zumindest aus der Kollegenschaft gehört.

Seitens der Ärztekammer Niederösterreich (ÄKNÖ) konnte man das vorerst nicht bestätigen: „Wir können es aber auch nicht ausschließen. Das müsste man im Einzelfall prüfen“, sagte Max Wudy, Sprecher der nö. Hausärzteschaft. „Die genauen Zahlen über  die Einbußen werden wir erst Ende September kennen“, sagt ÄKNÖ-Präsident Christoph Reisner. Generell befürchtet die Ärztekammer, dass etliche Praxen im Fall einer zweiten Infektionswelle geschlossen bleiben könnten. „Die Bereitschaft, offenzuhalten, wurde finanziell nicht honoriert“, sagt Reisner. Forderungen nach Ausgleichszahlungen für die Einbußen der Ärzte wurde bis jetzt nicht nachgekommen.

Offene Kassenstellen sind aber kein neues Problem. Eine Stelle in Gresten (Bezirk Scheibbs) ist beispielsweise schon seit 2016 unbesetzt. Diese Versorgungslücken sind ein Mitgrund, warum man mit der Errichtung sogenannter Primärversorgungseinheiten (PVE) begonnen hatte. Dabei geht es um eine spezielle Form von Gruppenpraxen. Sie sollen unter anderem den Vorteil bieten, dass die Ärztinnen und Ärzte auch im niedergelassenen Bereich fix angestellt werden. Allgemein bemerke man den Trend zu Gruppenpraxen, dem man damit nachkommen wolle, so Reisner. Für Patientinnen und Patienten hätte es  den Vorteil, dass mehrere medizinische Leistungen an einem Ort gebündelt seien, sagt Patientenanwalt Gerald Bachinger.

2020
Sieben Stellen im niedergelassenen Bereich der Allgemeinmedizin wurden dieses Jahr in NÖ bis jetzt schon frei. Sieben weitere sollen folgen. Die meisten offenen Stellen – mit jeweils vier Posten – gibt es in den  Bezirken Mistelbach,  Scheibbs und Wr. Neustadt

Laa an der Thaya
Im Oktober  beendet die einzige noch offen haltende Kassenärztin in Laa an der Thaya (Bez. Mistelbach) ihren Vertrag. Danach gibt es keine besetzte  Hausarztpraxis von Kassenseite mehr in der Stadt

Evaluierung gefordert

Rückert führte kürzlich  auf Eigeninitiative eine Umfrage durch, an der sich 160 nö. Hausärztinnen und -ärzte beteiligt hatten. Seine Daten zeigen Skepsis  gegenüber den Primärversorgungseinheiten. Aus diesem Grund verfasste Rückert einen offenen Brief an den nö. Landtag und den Nationalrat, in dem er fordert, dass die PVE evaluiert werden – was deren Preis-Leistungsverhältnis angeht und ob sie tatsächlich  Ambulanzen entlasten würden.

Wie auf KURIER-Anfrage klar wurde, läuft derzeit gerade eine Ausschreibung für eine Evaluierung der PVE in Niederösterreich. Eine Evaluierung sei Teil der Finanzierungsvereinbarung, hieß es von der nö. Landesgesundheitsagentur.

Liegen diese Daten vor, könnte man sie aber nicht mit den regulären Hausarztpraxen vergleichen, weil diese  nicht gleich evaluiert würden, so Patientenanwalt Bachinger. Er bezeichnete  den niedergelassenen Bereich als „Black Box“. Der Patientenanwalt befürwortet die Primärversorgungseinheiten. „Aus Patientensicht ist das sehr positiv. Es gibt ausgedehntere Öffnungszeiten und eine umfassendere Versorgung“, sagt er.

Als Lösung des Versorgungsproblems sieht Hausärzte-Sprecher Max Wudy die PVE aber nicht. „Mit den paar Zentren, die in Niederösterreich geplant sind, kann nur ein kleiner Teil abgedeckt werden. Der Kassenvertrag muss modernisiert werden und die generelle Wertschätzung für die Allgemeinmedizin  steigen“, fordert er. 

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