30 Jahre Frauenhaus: „Wir haben sicher einige Morde verhindert“
„Dass es uns in 30 Jahren noch gibt, hätten wir damals nicht geglaubt.“ Obwohl es eigentlich eine traurige Tatsache ist, dass das Frauenhaus Amstetten mehr denn je als Anlaufstelle benötigt wird, wollte man das Jubiläum der Inbetriebnahme am 11.11. 1991 heuer dennoch mit einem Festakt würdigen, sagt die Leiterin Maria Reichartzeder. Corona erzwang die Verschiebung des Events, bei dem auch Doris Schmidauer, die Frau des Bundespräsidenten dabei sein wollte.
Das wäre eine Chance mehr gewesen, auf die Dringlichkeit des Thema besonders aufmerksam zu machen. „Es erschüttert uns, die Gewalt wird nicht weniger. 22 Morde sind es heuer bereits wieder und dann noch die vielen brutalen Gewalttaten“, sinniert die Sozialarbeiterin.
An den Einzug der ersten Schutz suchenden Frau mit ihrem Kind an diesem Faschingsbeginn vor 30 Jahren kann sich Reichartzeder noch gut erinnern. Mühsam sei es damals gewesen, als Verein ohne fixe Finanzierungszusage das zweite Frauenhaus in NÖ zu eröffnen. 2.250 Frauen und Kinder haben seitdem hier Sicherheit gefunden. Viele Schicksale, die auch unvergessliche Erinnerungen bescheren. Etwa jene Frau, die dem Team einen blühenden Blumenstock schenkte. „So blühe ich auf, wenn ich hier bin“, sagte sie und ging zurück zu ihrem Mann. „Es war oft aufregend, aber auch erfreulich, etwa als Frauen bei uns Kinder zur Welt brachten. Und einmal hat eine der Frauen hier beim Gewinnspiel sogar ein Haus gewonnen“, erzählt Reichartzeder lachend.
Doch in Erinnerung bleiben auch andere Ereignisse: Zornig ans gut gesicherte Haustor trommelnde Männer, schwer misshandelte Frauen jeden Alters, die Zuflucht fanden und oft verstörende und aufwühlende Notrufe, die Reichartzeder und ihre fünf Kolleginnen zu hören bekamen.
Fritzl als Nachbar
Und es gab und gibt unfassbare Taten, die nicht weit entfernt geschehen. Mörder und Kinderschänder Josef Fritzl wütete im Horrorhaus nur wenige Straßen entfernt. Im Stadtteil Greinsfurth wurden vor zwei Jahren zwei Frauen brutal ermordet. „Solche Vorkommnisse sind natürlich extrem belastend“, sagt Reichartzeder. Nach dem Auffliegen des Fritzl-Falls organisierten die Frauenorganisationen die aufrüttelnde Ausstellung „Hinter der Fassade“. „Wir waren stolz, dass sich 600 Besucher mit dem Thema Gewalt an Frauen beschäftigt haben“, so Reichartzeder. Eine Fritzl-Erkenntnis war für sie und die Kolleginnen, „dass es nichts gibt, was unmöglich ist“. Wie wäre es gewesen, hätte ein Fritzl-Opfer am Nottelefon versucht, seine unglaubliche Lage zu schildern? „Seitdem nehmen wir jeden, auch noch so verwirrten Hilferuf noch ernster. Wir sind uns sicher, dass wir durch rasche Hilfe schon einige Morde verhindert haben“, so Reichartzeder.
Aber in den 30 Jahren habe sich auch gesetzlich und gesellschaftlich viel getan: „Man kann nur appellieren, nicht still zu sein. Immer aufmerksam, Bedrohungen anzusprechen und auch Männer noch mehr zu sensibilisieren.“
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