Conchita Wurst spielt Kaiser Franz Josephs homosexuellen Bruder
Er trat in Frauenkleidern auf, prügelte sich mit fremden Männern und lebte seine Homosexualität offen aus. Das waren auch die Gründe, warum über Erzherzog Ludwig Viktor in der Monarchie offiziell Stillschweigen herrschte.
Jetzt, mehr als hundert Jahre später, tritt Kaiser Franz Josephs jüngster Bruder vor den Vorhang, steht er doch im Mittelpunkt gleich zweier Ereignisse. Das erste ist eine TV-Dokumentation in ORF III, das zweite ein Theaterstück, in dem das Enfant terrible des Wiener Kaiserhofs von keinem Geringeren als Tom Neuwirth alias Conchita Wurst dargestellt wird.
Schon wieder ein Bub
Nach drei Buben hatten sich die Eltern des Kaisers sehnsüchtig ein Mädchen gewünscht, doch das 1842 geborene Kind war wieder ein Bub, und er wurde auf den Namen Ludwig Viktor getauft. Der unerfüllte Wunsch der Eltern führte dazu, dass „Luziwuzi“, wie Freunde ihn riefen, schon im Kindesalter bei Familienfesten als Mädchen verkleidet wurde. Eine Leidenschaft, die ihm sein Leben lang bleiben sollte.
Obwohl Kaiser Franz Joseph für seine Sittenstrenge bekannt war, hatte er ein gutes Verhältnis zu seinem um zwölf Jahre jüngeren Bruder. Ganz anders Kaiserin Elisabeth, die Erzherzog Ludwig Viktor infolge seiner Tratschsucht verachtete und in einem Spottvers als chronischen Lügner bezeichnete.
Unermesslich reich
Durch Erbschaften unermesslich reich, führte „Luziwuzi“ ein dandyhaftes Leben und ließ sich vom Ringstraßenarchitekten Heinrich Ferstel am Wiener Schwarzenbergplatz ein prunkvolles Palais bauen (in dem heute eine Spielstätte des Burgtheaters untergebracht ist). Außerdem besaß Ludwig Viktor eine bedeutende Kunstsammlung.
Als dementsprechend „gute Partie“ war er vom Haus Habsburg mehrfach als Heiratskandidat für diverse Prinzessinnen vorgesehen, doch lehnten in allen Fällen entweder er oder die Bräute ab – darunter eine Schwester der Kaiserin Elisabeth –, zumal er keinen Hehl von seiner homosexuellen Veranlagung machte.
„Unzucht mit Personen desselben Geschlechts“ wurde zu Kaisers Zeiten mit bis zu fünf Jahren schwerem Kerker geahndet. Bei „Luziwuzi“ drückte die Justiz freilich beide Augen zu.
„Skandalöse Feste“
Und so wurden im Palais des Erzherzogs, aber auch im Prater und in anderen Vergnügungsstätten viele, zum Teil „skandalöse Feste“ gefeiert, die sich durch die strenge Pressezensur lange geheim halten ließen. Bis der Erzherzog im Jahr 1904 in einen Vorfall verwickelt war, der sich nicht mehr vertuschen ließ. Wie die Society-Fürstin Nora Fugger in ihren Memoiren berichtet, hatte sich Ludwig Viktor in einer öffentlichen Badeanstalt in der Wiener Innenstadt einem jungen Mann genähert, „von dem er geohrfeigt wurde, worauf es zu einem Handgemenge kam“.
Der Eklat machte die Runde, und der Kaiser sah sich veranlasst, seinen Bruder in Verbannung zu schicken. Er landete natürlich weder vor Gericht noch im Gefängnis, sondern wurde in das feudale Salzburger Schloss Kleßheim umgesiedelt.
Doch auch von dort gelangten alarmierende Nachrichten nach Wien. Denn in Salzburg kam es zu weiteren „unangenehmen Zwischenfällen“, wie der General (und spätere NSDAP-Politiker) Eduard Glaise-Horstenau notierte: „In Salzburg herrschte, wenn der Erzherzog Residenz hielt, reges gesellschaftliches Leben, an dem auch die Offiziere meines Regiments Anteil hatten. Doch der Oberst verkündete, Einladungen nach Kleßheim seien in Hinkunft unter dem Vorwand einer Übung abzulehnen ... Für junge Offiziere war die Situation, wenn sie allein beim Erzherzog waren, nicht angenehm. Man dachte, wie man sich gegen des Kaisers Bruder verhalten sollte, wenn …“
Eine Ballerina
Außerdem erhielten Offiziere, die in Kleßheim verkehrten, vom Thronfolger Franz Ferdinand eine strenge Rüge. Später waren die beiden Erzherzöge verfeindet, weil „Luziwuzi“ Franz Ferdinands Heirat mit der Gräfin Sophie Chotek als „nicht ebenbürtig“ ablehnte.
Erzherzog Ludwig Viktor war im Alter demenzkrank und wurde 1915 unter Kuratel gestellt. Er starb zwei Monate nach dem Zusammenbruch der Monarchie, am 18. Jänner 1919, im Alter von 77 Jahren und wurde auf eigenen Wunsch nicht in der Kapuzinergruft, sondern in Salzburg-Siezenheim bestattet.
Der enormen Besitzungen des Erzherzogs gingen an seinen Großneffen Kaiser Karl, dessen Bruder Maximilian und an deren Mutter Maria Josepha, die das Erbe gleich nach Ludwig Viktors Tod veräußerten.
Stellte „Luziwuzis“ Veranlagung heute glücklicherweise kaum noch ein Problem dar, so rief sie damals einen gewaltigen Skandal hervor. Auf die Affären seines Bruders angesprochen, reagierte Kaiser Franz Joseph auf seine Weise: „Man müsste ihm als Adjutanten eine Ballerina geben, dann könnt‘ nix passieren.“
Conchita Wurst lässt im Vorfeld des neuen Theaterstücks wissen, dass sie die Habsburger verehre, von Ludwig Viktors Persönlichkeit fasziniert sei und zwischen seinem und ihrem eigenen Leben Parallelen finde.
TV-Doku „Franz Josephs Brüder – Die verhängnisvollen Vier“: Dienstag, 19. Dezember 2023, 20.15 Uhr, ORF III.
Theater „Luziwuzi. Ich bin die Kaiserin“, musikalisch-theatralisches Happening, Buch und Regie: Ruth Brauer-Kvam. In der Titelrolle Tom Neuwirth alias Conchita Wurst. Theater Rabenhof Wien, Premiere: 15. Februar 2024.
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