Die Bahn hält Hof am Hauptbahnhof

Die Bahn hält Hof am Hauptbahnhof
Die ÖBB lud zwei Wochen vor der Eröffnung zum Tag der offenen Tür. Hunderte kamen.

Hanna Reiter und ihr Sohn Helmut stehen ganz vorne in der Schlange. „Wir waren neugierig, was der neue Bahnhof so kann“, erzählt die Pensionistin. Als „be­geisterte Bahnfahrer“ haben sie sich angestellt, um ein Ticket für die Schnupperfahrt zum neuen Bahnhof Tullnerfeld (siehe unten) zu ergattern. Die Zeit bis zur Fahrt über­brücken Mutter und Sohn mit einer Bahnhofsführung. In großen Gruppen werden die Menschen durch die Baustelle geführt, Baumanager Georg Habersack beantwortet geduldig die Fragen der Besucher. Es sind überwiegend Pensionisten, bewaffnet mit großen Kameras und großem Fachwissen.

Seit 2010 wird am größten Bahnhof Österreichs gearbeitet, bis zu 600 Arbeiter waren in Spitzenzeiten gleichzeitig auf der Baustelle. Noch immer ragen ein halbes Dutzend Kräne über das moderne Rautendach, doch langsam nimmt der Bahnhof Form an.

Grüner Stein

„Wir stehen hier im ersten Teil der Ankunftshalle unter den Bahnsteigen“, erklärt Habersack. Der Boden und die Wände aus grünem Naturstein und die abgehängte Decke aus grauem Alu­minium geben einen ersten Eindruck. Der Rest der 30 mal 100 Meter großen Halle ist abgesperrt.

Je drei Rolltreppen werden in Zukunft auf die fünf Bahnsteige führen, heute müssen die Gäste noch mit den Treppen vorlieb nehmen. Die Bahnsteige selbst sind breit angelegt, darüber thront das mächtige Rautendach, das viele der Anwesenden mit einem Raumschiff vergleichen. Die Bahnsteigkanten sind 400 Meter lang, fünf S-Bahnen oder zwei komplette Railjets könnten theoretisch gleichzeitig an einem Bahnsteig halten.

In zwei Wochen werden hier die ersten Schnellbahnzüge und Regionalzüge der Ostbahn stoppen, dann ist auch der alte Ostbahnhof endgültig Geschichte. 2014 folgt dann der Fernverkehr.

Sieglinde Reidinger wohnt im 10. Bezirk und sah den Bahnhof oft aus der Ferne. Dem alten Südbahnhof weint sie keine Träne nach. „Der war zum Schluss doch ziemlich alt.“ Der neue Bahnhof gefällt ihr gut, nur die offene Bauweise ärgert sie. „Ich weiß nicht, ob da im Winter nicht ordentlich der Wind durchpfeifen wird.“

„Ja, warum wurde eigentlich keine Bahnhofshalle gebaut?“, will daraufhin ein Besucher wissen. „Den Norden und Osten müssen wir für die Züge offen halten“, erklärt Habersack. Werde auf den Seiten zugemacht, würde das einen Kamineffekt bewirken.

Fakten zum Hauptbahnhof

5 Bahnsteige mit 10 Bahnsteigkanten hat der neue Hauptbahnhof

3 Hektar hat die Ankunftshalle unter den Bahnsteigen

50 Hektar hat der gesamte Hauptbahnhof

1000 Millionen Euro – oder eine Milliarde wird der Bahnhof bis zur Fertigstellung kosten

Während die Wiener ihren neuen Hauptbahnhof in Augenschein nahmen, war einige Kilometer weiter westlich der Regionalbahnhof Tullnerfeld geladenen Gästen vorbehalten: Hier, auf halbem Weg zwischen Wien und St. Pölten, feierte die Politik mit ÖBB-Chef Christian Kern die offizielle Eröffnung der Neuen Westbahn.

Seit 1990 wurde die Neubaustrecke geplant und gebaut; 2,7 Milliarden Euro sind in das Projekt geflossen. Entsprechend starke Worte fanden die Politiker: Wiens Bürgermeister Michael Häupl zeigte sich erfreut, dass die Bundeshauptstadt endlich den Weg „von den Kopfbahnhöfen der k.u.k.-Residenzstadt zum modernen mitteleuropäischen Eisenbahn-Drehkreuz“ finde.

Niederösterreichs Landeshauptmann Erwin Pröll sagte, der öffentliche Verkehr in NÖ wurde „auf ein neues Gleis gestellt“. Infrastruktur-Ministerin Doris Bures gab sich erleichtert über die eingehaltene Bauzeit: „Seit meinem ersten Arbeitstag im Ministerium stand die Eröffnung bis Dezember 2012 fest.“ Sie versprach, auch die Südbahn auszubauen.

ÖBB-Chef Christian Kern feierte einen „Tag, an dem die Bahn das Auto restlos abhängt“, und forderte von der Politik, ÖBB-Kunden sollen bei der Reform der Pendlerpauschale „nicht weiter belastet“ werden.

Züge fahren auf der neuen Westbahn ab 9. Dezember in nur 25 Minuten von Wien nach St. Pölten. (Martin Bernert)

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