Was eine dreijährige Abhöraktion im Seewinkel zutage brachte
Drei Jahre lang wurde der Seewinkel in großem Stil abgehört. Dahinter steckt kein Geheimdienst, sondern Forscherteams des Nationalparks Neusiedler See-Seewinkel und der Universität Wien.
Mit Geräten des chinesischen Tech-Konzerns Huawei wurden in den vergangenen drei Jahren mehr als zwei Millionen Audiodateien an 57 Punkten im Schilfgürtel aufgezeichnet.
Auswirkungen des Klimawandels
Wozu das ganze? Die Forschenden wollten herausfinden, wie sich der Klimawandel und der Zustand des Schilfs rund um den Neusiedler See auf die darin lebende Vogelwelt auswirken.
Die Ergebnisse wurden im Rahmen eines großen Presseevents am Dienstag in Wien und Illmitz präsentiert.
Positive Aspekte des Schilfbrandes
Eine der wohl überraschendsten Erkenntnisse: Viele Vogelarten scheinen davon zu profitieren, wenn ihr Lebensraum, das Schilf, von Zeit zu Zeit brennt.
Christian Schulze von der Uni Wien erklärt: "Dass kontrollierte Schilfbrände positive Aspekte haben, zeigt die Analyse der einzelnen Spezies. Während etwa das Kleinsumpfhuhn oder der Mariskensänger laut den neuen Daten am liebsten in altem Schilf brüten, bevorzugen andere Spezies wie der Teichrohrsänger oder die Bartmeise eindeutig jene Gebiete, in denen das Schilf in den Jahren 2002 oder 2022 großflächig abgebrannt und anschließend neu gewachsen ist".
Das Fazit der Forscher: Gezieltes Brandmanagement im Altschilf des Neusiedler See könnte die Biodiversität der gesamten Region fördern.
Im vergangenen Jänner wurden bei einer Brandschutzübung in Jois 200 Hektar Schilf in Brand gesetzt (mehr dazu lesen Sie hier) - weitere kontrollierte Brände könnten in Zukunft per Verordnung durchgeführt werden.
Ein Fall für die KI
Zurück zur Abhöraktion und ihrer Technik: Die gigantische Datenmenge von 11,72 Terabyte wäre von den Forscherinnen und Forschern mit herkömmlichen Mitteln kaum auszuwerten gewesen.
Deshalb kam Künstliche Intelligenz (KI) zum Einsatz: Die KI durchsuchte die mehr als zwei Millionen Audiodateien mit den Klängen des Schilfgürtels. Was sie fand: Die Gesänge von 69 Vogelarten.
Die am häufigsten erkannten Spezies - der Teichrohrsänger, die Bartmeise und der Rohrammer - decken sich mit den Beobachtungen von Ornithologen im Nationalpark.
Sorgte Niederschlag für Rückkehr?
Es gab aber auch Überraschungen: So sind die Blaukehlchen derzeit weitaus zahlreicher im Schilf anzutreffen, als Forscher bisher vermutet hatten. Die Große Rohdrommel hingegen hat den Neusiedler See aufgrund der Trockenheit in den vergangenen drei Jahren komplett gemieden.
"Wir hoffen aber, dass sich die Situation im vergangenen Jahr wieder gebessert hat und die vermehrten Niederschläge für eine Rückkehr gesorgt hat. Die Auswertung unserer neuen Daten wird das zeigen", sagt Uni-Forscher Schulze.
Für Harald Grabenhofer, Fachbereichsleiter im Nationalpark, wurde die KI rasch zum geschätzten "Kollegen": "Dank der modernen Technologie haben wir die Möglichkeit, signifikant mehr und vor allem zeitlich unbegrenzt Daten zu generieren. Zu jeder Tages- oder Nachtzeit und bei jeder Wetterlage zu der normalerweise nie ein Forscher im Schilf gewesen wäre. Dazu kommt, dass wir große Flächen simultan analysieren können".
Das Monitoring-Projekt im Schilfgürtel ist noch nicht abgeschlossen: Heuer sollen weitere akustische Untersuchungen durchgeführt werden, um die Auswirkungen der gestiegenen Wasserstände des Neusiedler Sees und der Salzlacken auf die Vogelpopulation zu untersuchen.
Zukünftige Naturschutzmaßnahmen im Nationalpark werden sich auf diese Forschungsergebnisse stützen.
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