Warum Gerhard Jellasitz die „Chance seines Lebens“ ausließ
Österreichs Politikern wird oft nachgesagt, ihnen mangle es an Rücktrittskultur. Gerhard Jellasitz kann man das schwerlich vorwerfen.
Als der damals erst 51-jährige ÖVP-Landeshauptmannstellvertreter bei der vorgezogenen Landtagswahl 2000 die SPÖ trotz des Bank-Burgenland-Skandals nicht entscheidend schwächen konnte, um selbst Landeshauptmann zu werden, gab er am Wahlabend vor laufenden Kameras seinen Rücktritt bekannt, im Landtag blieb er bis 2004.
In seinem neuen, 250 Seiten umfassenden Buch „Sonnenland mit Schattenseiten“, widmet sich der heute 71-jährige Purbacher, der in Schützen am Gebirge aufgewachsen ist, aber nicht nur seiner fast 40-jährigen politischen Laufbahn, sondern versucht auch einen Beitrag zum 2021 anstehenden 100-Jahr-Jubiläum des Burgenlandes zu leisten.
Sprung zum Landeshauptmann
Am spannendsten sind freilich die politischen Passagen im Buch des homo politicus.
Der aus einer Bauernfamilie stammende Jellasitz verlor mit zehn Jahren seinen Vater, zwei Jahre später (1961) die Mutter; Gerhard und seine zwei jüngeren Brüder wurden von der Großmutter aufgezogen.
Über die JVP kam er mit 16 Jahren zur Volkspartei, wurde später Landesparteisekretär, Abgeordneter, 1991 Landesparteiobmann und 1993 Landeshauptmann-Stellvertreter in der rot-schwarzen Proporzregierung.
In diesen Jahren war die ÖVP mehrmals auf dem Sprung, den 1964 an die SPÖ verlorenen Landeshauptmann zurückzugewinnen.
Nach der Wahl 1996 bot sich die „Chance meines Lebens“, so Jellasitz. Er schlug sie aus, weil Schwarz-Blau zwar eine Mehrheit im Landtag hatte, die SPÖ in der Regierung aber nicht auszubooten gewesen wäre, so seine Sicht.
Krisen durchlebt
Als die ÖVP vier Jahre später trotz Bank Burgenland sogar leichte Verluste hinnehmen musste, „verstand ich die Welt nicht mehr“, schreibt Jellasitz – und nahm den Hut (Wolfgang Schüssel schenkte ihm zum 60er eine ironisch-liebevolle Zeichnung dazu).
Offen spricht er darüber, dass er rund um die Wahl 2000 „ein Burnout und Bluthochdruckkrisen“ durchlebte, „mehrere Aufenthalte in Intensivstationen retteten mir das Leben“.
Zehn Jahre geschenkt
Der Druck „innerhalb von Tagen eine für tausende Menschen dramatische Entscheidung zu treffen, ist nicht zu beschreiben“. Sein damaliger Regierungspartner, LH Karl Stix, erkrankte wenig später an Krebs, 2003 starb er.
Der Zusammenbruch der Commerzialbank im Sommer erinnerte Jellasitz „schlagartig“ an 2000.
Heute sei er auch jenen Menschen dankbar, die ihn damals nicht gewählt haben: „Sie schenkten mir zehn Jahre mit meinen Enkelkindern und eine hohe Lebensqualität“, resümiert Jellasitz.
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