Es betrifft alle, wenn auch in unterschiedlichem Maße. Die Lage ist immer noch dramatisch, auch für Unternehmen mit einem vergleichsweise geringen Energiekostenanteil. Die hohen Energiepreise fressen sehr viel vom Ergebnis auf oder drehen es sogar ins Negative. Wenn Energie statt 200.000 plötzlich zwei Millionen Euro kostet, können Sie sich vorstellen, was das bedeutet.
Es gibt tatsächlich Betriebe, deren Energiekosten ums Zehnfache gestiegen sind?
Es gab solche Monate, ja. Die Industrie braucht sehr rasch Unterstützung bei allen Energieträgern, um diese Kostenexplosion zu dämpfen.
Einen Gaspreisdeckel nach deutschem Vorbild?
Wie immer die Lösung ausschaut, aber wir brauchen Unterstützung. Österreich muss sich dazu bekennen, sonst haben wir einen massiven Wettbewerbsnachteil.
Sehen Sie Unternehmen im Burgenland existenziell gefährdet oder auf dem Sprung in andere Länder, wenn staatliche Hilfe ausbleibt?
Wenn sich die Produktion hier nicht mehr rechnet, sind Absiedelungen nicht ausgeschlossen. Es gibt einen europäischen Wettstreit. Wenn Energie anderswo günstiger ist, überlegt man bei der Wahl eines neuen Standorts, ob man in Region A oder B geht.
Bei der Standortwahl spielt auch die Industriegesinnung der Politik eine Rolle. Laut IV steuert die Industrie im Burgenland mit 28 Prozent den größten Anteil aller Sektoren zur Wertschöpfung bei. Die Landesregierung scheint aber eher Tourismus und Wein zu forcieren. Wird die Industrie von der Politik genügend geschätzt?
Grundsätzlich ja, es könnte aber noch viel besser sein. Natürlich muss auf die Industrie gehört werden, sie ist Garant für Wohlstand in diesem Land. Da werden wir uns entsprechend positionieren und Gehör verschaffen.
Gab es schon ein Gespräch mit Landespolitikern?
Ja, Wirtschaftslandesrat (Leonhard, Anm.) Schneemann war im Rahmen meiner Wahl bei der IV. Noch im Dezember soll es ein persönliches Gespräch geben.
Wie fühlen Sie sich als IV-Präsidentin in einem von der SPÖ-Regierung stark etatistisch geprägten Land.
Ich bin positiv gestimmt, dass wir eine gute Gesprächsbasis finden. Wir haben unsere Positionen, die werden wir weiter vertreten.
Das Land möchte seinen Mindestlohn von 1.700 Euro netto auch in der Privatwirtschaft haben ...
Die Kollektivvertragsverhandlungen werden von den Sozialpartnern geführt. Das ist gut so und wird so bleiben. Es ist nicht Sache der Politik, Löhne für die private Wirtschaft vorzugeben. Außerdem liegen die Löhne unserer Facharbeiter ohnehin drüber.
Warum ist es dann so schwer, für relativ gut bezahlte Industrie-Jobs Fachkräfte zu finden?
Menschen mit Faible für Naturwissenschaft und Technik wachsen nicht auf den Bäumen. Es muss gelingen, ausreichend kluge Köpfe in den MINT-Fächern (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft, Technik, Anm.) auszubilden oder ins Land zu holen. Und wir brauchen vor allem auch mehr Frauen mit diesen Kompetenzen, da müssen schon Mädchen im Kindergarten für Technik begeistert werden.
Während der Ausländeranteil bei den Beschäftigten im Burgenland schon bei fast 29 Prozent liegt, ist er in der Industrie noch einstellig?
Der Industrie sind Kompetenzen wichtiger als die Herkunft. Wer für einen bestimmten Job passt, wird genommen. Ich unterscheide nicht zwischen In- und Ausländern.
Ihre beiden männlichen Vorgänger an der IV-Spitze sind ganz unterschiedlich aufgetreten. Werner Frantsits war eher polternd, Manfred Gerger verhaltener, diplomatischer – wo stehen Sie?
Sicher auf der diplomatischen Seite. Aber das Ziel ist bei uns allen gleich, die Interessen der Industrie möglichst gut zu vertreten.
Frantsits und Gerger kommen aus dem Burgenland, Sie sind Wienerin, die in NÖ lebt und im Burgenland arbeitet. Haben Sie deshalb gezögert, IV-Präsidentin zu werden?
Nein, ich war ja auch vorher schon Vizepräsidentin und bin seit 2018 bei einem alteingesessenen burgenländischen Unternehmen. Der Wirtschaftsstandort Burgenland ist mir wichtig. Und ich wage zu bezweifeln, dass man es besser macht, wenn man hier geboren ist. Aber das sollen andere beurteilen.
Sie sind die erste Frau an der Spitze der Industriellenvereinigung. Wie stehen Sie zu Frauenquoten in Aufsichtsräten und Vorständen?
Bei Aufsichtsräten sind wir mit 25 Prozent Frauen schon ganz gut, bei Vorständen und Geschäftsführern ist noch Luft nach oben. Grundsätzlich halte ich die Quote aber für einen Eingriff in die Autonomie der Unternehmensführung. Persönlich möchte ich auch nicht wegen einer Quote bestellt werden, sondern aufgrund meiner Kompetenz. Ich versuche, mit gutem Beispiel voranzugehen und kluge Köpfe zu fördern, gleich ob Mann oder Frau. Natürlich freut es mich immer, wenn Frauen in Führungspositionen kommen.
Warum sind Sie Industriemanagerin geworden?
Ich habe in Wien eine HTL für Biochemie absolviert und dann auf der WU studiert. Ich komme aus einer Familie, wo Technik und Wissenschaft großgeschrieben wird.
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