So will das Burgenland die Pflege künftig organisieren

So will das Burgenland die Pflege künftig organisieren
Der Soziallandesrat spricht im Interview über die Umsetzung des Pflegeplans, die Sorge seiner Mutter und seine Zukunft nach der Wahl.

KURIER: Mindestlohn, Bio-Wende und Pflegeplan will LH Hans Peter Doskozil bis zur Wahl Ende Jänner auf Schiene bringen. Pflege gehört in Ihr Ressort. Hält der Start am 1. Oktober?

Christian Illedits: Hundertprozentig. Einige Maßnahmen des Plans sind bereits umgesetzt, alle anderen in Umsetzung befindlich. Für das Anstellungsmodell ab 1. Oktober fehlt nur mehr der Beschluss des Sozialhilfegesetzes im September im Landtag .Die Gründung der Pflegeservice Burgenland GmbH als Tochter der landeseigenen Krages ist formal bereits erfolgt

Geht sich auch der Pflegeservice-Geschäftsführer aus?

Die Ausschreibung läuft, danach kommt das Auswahlverfahren. Es kommt auch auf etwaige Kündigungsfristen an, die er oder sie im aktuellen Job hat. Interimistisch wurde der Krages-Chef bestellt.

Zentrales Element ist die Anstellung pflegender Angehöriger für Pflegebedürftige ab der Stufen 3 mit  höchstens 1700 Euro netto  monatlich auf Basis einer Vollzeitanstellung bei der Pflegeservice GmbH. Laut ÖVP gibt es von 600 potenziellen Anwärtern bisher nur 15 Interessenten?

Derzeit wäre jede Zahl Kaffeesudlesen. Die von einem Mitarbeiter meines Büros genannten 50 stammen aus den unverbindlichen, eigeninitiativen Anfragen bei  Case-und-Care-Managern. Wir starten jetzt die Informationsoffensive, in den nächsten Wochen – nachdem wir den offiziellen Stratschuss zur Interessensbekundung gegeben haben - wissen wir mehr.

Mit wie vielen  Interessenten rechnen Sie am 1. Oktober?

Die Zahl derer, die an diesem Tag den Dienstvertrag unterschreiben werden, wird vielleicht überschaubar sein. Nach und nach werden Hunderte das Modell annehmen, davon bin ich überzeugt.

In drei Jahren soll das Projekt evaluiert werden. Wann wird abgebrochen, sind 100 angestellte pflegende Angehörige eine Untergrenze?

Die Frage stellt sich nicht, es werden garantiert viel mehr sein.

Welche Ausbildung brauchen pflegende Angehörige?

Eine  Grundausbildung im Ausmaß von 100 Stunden. Das entspricht einem Teil der Heimhilfe-Ausbildung ohne Prüfung. Die Kosten trägt das Land – auch für eine vollwertige Heimhilfe-Ausbildung.

 Und was dürfen sie?

Grundsätzlich sind sie Betreuer, nicht Pfleger. Aber ein Angehöriger darf mehr als eine 24-Stunden-Betreuerin, die über eine Agentur vermittelt wird. Etwa Medikamente vorbereiten oder Blutdruck messen. Pflegerische Leistungen werden bei Bedarf zugekauft. Das ist  bei der 24-Stunden-Betreuung auch so. 

Was ist dann der Vorteil?

Meine pflegebedürftige Mutter hat  einmal gesagt: „Da sind  immer fremde Leute in meinem Haus“. Bei unserem Modell betreut ein vertrauter Mensch und der kann aus dem, was er bisher um Gottes Lohn geleistet hat, einen Job im Wohnort mit bis zu 1700 Euro netto Monatsgehalt (auf Basis einer Vollzeitanstellung) machen. Und vielleicht findet er Gefallen  an der Tätigkeit, macht eine Ausbildung und bleibt im Sozialbereich.

Finanziert nicht der Pflegebedürftige durch Abzüge bei Pflegegeld und Pension einen Teil des Gehalts des Angehörigen?

Die Abzüge gibt es ja auch bei jedem anderen Pflegemodell. Bei der 24-Stunden-Pflege etwa müssen die Familien meist extra noch etwas drauflegen, bei unserem Modell bekommt ein Familienmitglied hingegen aus Landesmitteln ein Gehalt. Und die  Angestellten erwerben Ansprüche für die Pension und sind sozialversicherungsrechtlich abgesichert

 

Was passiert mit den rund 40 Vermittlungsagenturen für  24-Stunden-Pflege, kommen auch sie unter Landeskontrolle?

 Das sind allesamt private Agenturen. Es gibt Überlegungen für eine landeseigene Agentur, aber das hat nicht oberste Priorität.

Hohe Priorität hat die Finanzierung der Anstellung pflegender Angehöriger, für die das Land bei Vollausbau 13 Millionen Euro netto veranschlagt hat. Die ÖVP spricht vom Dreifachen, was stimmt?

Wir haben die 13 Millionen mehrmals durchgerechnet, das ist der Aufwand  für 600 pflegende Angehörige.

Da sollen aber auch die Gemeinden mitzahlen, wie viel?

Bis Ende des Jahres  werden der Landeshauptmann und ich Gespräche mit den Gemeindevertretern führen, das wissen sie schon. Jetzt haben wir im Sozialbereich einen Schlüssel von 50/50, sonst 60 Prozent Land und 40 Kommunen. Es soll ein Gesamtpaket inklusive Gratiskindergarten und  1700-Euro-Mindestlohn geben.

Der Mindestlohn gilt nicht nur bei Landesbetrieben, sondern auch im Gemeindedienst?

Natürlich.

Sie sind auch Gemeindereferent, stemmen die 171 Kommunen diese Mehrbelastung?

Da bin ich mir sicher. Es wird ein ausgewogenes System geben, bei dem man auch den Bund nicht vergessen darf. 2020 gibt es wieder Verhandlungen zum Finanzausgleich und der Pflegefonds muss aufgestockt werden. Und die Gemeinden werden wir eigens entlasten.

"Kein Pflegeheim muss zusperren"

Das zweite Standbein des Pflegeplans ist die stationäre Pflege, die gemeinnützig werden soll. Wie viele der 44 Altenwohn- und Pflegeheime müssen dann zusperren?

Keines muss zusperren,  innerhalb der vierjährigen Übergangszeit kann jeder Betreiber umstellen, Senecura und weitere haben das schon zugesagt. Die meisten sind schon gemeinnützig, auch das Hilfswerk.

Apropos: Warum hat das Land die Kollektivertragserhöhung noch nicht weitergegeben? Allein fürs ÖVP-nahe Hilfswerk sollen das 350.000 Euro sein?

Im Herbst gibt es Gespräche mit allen Trägern, das Hilfswerk ist einer davon.

Neue Pflegeheime sollen mindestens 60 Betten haben. Bei Asylheimen hat es immer geheißen, das Burgenland vertrage nur kleine Einheiten, gilt „small is beautiful“ nicht mehr?

Experten sagen, dass 60 organisatorisch perfekt sind und eine hohe Qualität grantieren. Es sind jeweils fünf Zwölfereinheiten. Diese interprofessionellen Einrichtungen können am Bedarf ausgerichtet werden und neben Pflegepatienten auch demente Personen oder körperlich Behinderte aufnehmen. Auch Betten für Palliativpatienten sind denkbar. Damit ist wohnortnahe Versorgung für verschiedene Bedürfnisse gewährleistet – diese entsprechen unserem Bedarf.

In einer kleinen Gemeinde wie Schandorf ein 60-Betten-Heim?

Das Haus wird ja nicht nur für Schandorf gebaut, sondern für die ganze Versorgungsregion.

Es soll ein dreisprachiges Heim werden, in dem auch das Personal Deutsch, Burgenlandkroatisch oder Ungarisch spricht. Da wird man wohl auch in Ungarn rekrutieren müssen?

Schauen Sie  in einem Hilfswerk-Heim, wie viele ausländische Kräfte dort beschäftigt sind. Man darf nicht an der Realität vorbeiblicken. Aber wir arbeiten daran, mehr Burgenländer für den Pflegeberuf zu interessieren. Alle Träger werden mittun.

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Neues Bildungszentrum der Caritas für die Ausbildung von Pflegekräften in Gaming

Neben Schandorf sollen auch in Zurndorf und Eisenstadt neue 60-Betten-Heime entstehen. Nur mit Eisenstadts ÖVP-Bürgermeister Thomas Steiner hat noch niemand gesprochen.

Vielleicht kann er bei mir vorbeischauen, wenn er im Landhaus ist, ich mache auch mit ihm gerne eine Pressekonferenz (lacht). Wir haben bereits Träger für das neue Haus,  die Namen behalte ich noch für mich.

Es hieß, der  Bürgermeister kann sich  Träger aussuchen?

In Eisenstadt wurde jahrelang gesucht – Grund war ein Sonderbedearf im Behindertenbereich. Nach meinen Gesprächen haben sich Träger bereit erklärt, das gemeinsam zu machen.

Zu Ihrer Zukunft: Sie sind 61 und kandidieren bei der Landtagswahl im Jänner nochmals. Wollen Sie danach fünf Jahre als Landesrat weitermachen?

Das besprechen wir nach der Wahl, aber ich mach‘s gern.

Sollte Hans Peter Doskozil aus irgend einem Grund nach Wien gehen, wären Sie ein LH-Kandidat?

Hans Peter Doskozil wird hoffentlich noch lange Landeshauptmann bleiben.

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