Klimaziele: Warum das Burgenland trotz Vorreiterrolle hinten ist
"Das Burgenland wird die angepeilten Klimaziele verfehlen." Diesen Satz hört man im Land der Windräder und (neuerdings auch) Photovoltaik-Anlagen (PV) gar nicht gern.
Grundlage dieser Annahme sind zwei aktuelle Studien: Eine wurde vom Dachverband Erneuerbarer Energie (EEÖ) beim Wirtschaftsforschungsinstitut (WIFO) in Auftrag gegeben (PDF als Download); die andere ist eine Aktualisierung der bereits im Februar 2021 erstellten Analyse über die Beiträge der Bundesländer zur Erreichung der nationalen Klimaziele von der österreichischen Energieagentur (AEA) (PDF als Download).
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Tatsächlich folgt der Inhalt der Studien dem Prinzip "Zuckerbrot und Peitsche".
In diesem Artikel lesen Sie:
- Warum der Ausbau von erneuerbarer Energie nicht reichen wird, um die Klimaziele zu erreichen
- Was die burgenländische Klimastrategie von der österreichischen unterscheidet
- Wie sich der Energieverbrauch im Burgenland in den vergangenen Jahren entwickelt hat
- Warum der Finanzausgleich zwischen Ländern und Bund reformiert werden sollte
- Aktuelle Daten und Fakten zum Energieverbrauch im Burgenland
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Einerseits wird in den Studien die Vorreiterrolle des Burgenlandes beim Ausbau von erneuerbarer Energie gelobt, andererseits gebe es im Gegensatz zu anderen Bundesländern keine klar definierten Ziele für die Einsparung von Energie.
Ziele setzen & erreichen
"Gerade bei den Treibhausemissionen geht es aber schon auch darum, dass man sich konkrete Ziele setzt und entsprechende Maßnahmen hinterlegt, um diese dann auch zu erreichen", wird Michael Rohrer, Energieexperte und einer der AEA-Studienautoren, vom ORF Burgenland zitiert.
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Grundsätzlich hat sich das Burgenland eine eigene Klimastrategie mit 120 Maßnahmen vorgenommen. Grundlegender Unterschied: Das Ziel folgt einer anderen Definition, die eine Kompensation der verbleibenden Treibhausgasemissionen (THG) durch den Export von erneuerbarem Strom vorsieht.
Damit will man bis 2030 klimaneutral und energieunabhängig sein – rechnerisch zumindest. Das wäre zehn Jahre früher, als es die nationale Klimaschutzstrategie vorgibt.
Darauf pocht auch der burgenländische Energiesprecher Wolfgang Sodl (SPÖ). Man werde sich nicht von einzelnen Studien von den Klimazielen abhalten lassen, der Fahrplan bis 2030 sei klar: "Dazu gehört auch die Gesamtverkehrsstrategie, also die Reduzierung von Treibhausgasemissionen."
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In neun Handlungsfeldern mit 120 Einzelmaßnahmen soll bis 2030 die bilanzielle Klima- und Energieneutralität – auch unter Berücksichtigung der natürlichen und energetischen Senken – erreicht werden. "Das ist ambitioniert, aber realistisch", versichert Sodl.
Einsparen & Fairness
Auch AEA-Experte Rohrer befindet, dass man bei den Ausbauplänen bereits nahe am Möglichen sei. Derartige Maßnahmen für mehr erneuerbare Stromproduktion seien aber auch über das Jahr 2030 hinaus sinnvoll und notwendig. Mehr Potenzial ortet Rohrer im Bereich Einsparungen, also etwa bei der Elektromobilität oder dem Tausch von Öl-Kesseln.
Denn laut Berechnungen des Dachverbandes Erneuerbare Energie und der AEA hat sich der Endenergieverbrauch (EEV) im Burgenland von 2000 bis 2021 um 136 Prozent erhöht. 2021 lag dieser zwischen 30 und 34 Megawattstunde (MWh) pro Person.
Das größte Einsparungspotenzial liegt im Verkehrssektor
Der Verkehrssektor verursache fast die Hälfte aller THG-Emissionen in jenem Bereich, der vom Emissionshandel ausgenommen ist (Nicht-EH-Bereich). Im Burgenland ist der errechnete Anteil laut Studie mit 51 Prozent am höchsten. Spitzenreiter ist das Bundesland auch beim Verbrauch der Haushalte: Im Burgenland lag dieser 2021 bei 12,3 MWh pro Person, in Wien hingegen nur bei sieben MW/h pro Kopf.
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Ein großer Hemmschuh bei den Bemühungen zu mehr Klimaneutralität ist laut der WIFO-Studie auch der Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern. Denn Klimaschutzkompetenzen würden dort kaum berücksichtigt, sagen die WIFO-Experten Margit Schratzenstaller und Hans Pitlik.
Weder die Aufteilung der für Klimamaßnahmen bereitgestellten Mittel noch die geltende Kostenteilung für drohende Zukäufe von Emissionszertifikaten bemisst sich nach den Klimaschutzanstrengungen der einzelnen Länder, sondern nur nach der Anzahl der Einwohnerinnen und Einwohner: "Hier mangelt es an Fairness."
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In der Studie finden sich weitere zentrale Aussagen
- Verkehr: 187.000 private Pkw gibt es im Land, jährlich werden im Burgenland 2,1 Millionen Kilometer gefahren. Um die Klimaziele zu erreichen, müssten der Tanktourismus eingestellt und 25 bis 35 Prozent der Fahrzeuge klimaneutral oder im selben Ausmaß weniger gefahren werden.
- 36 Prozent der burgenländischen Heizsysteme werden mit fossiler Energie betrieben, in Summe 46.000. Bis 2030 erfordern die Klimaziele einen Austausch von 21.000 dieser fossilen Systeme.
- Der lineare Trend der Windkraft der vergangenen 10 Jahre, fortgeschrieben bis 2030, zeigt, dass das Ziel des Burgenlandes mit der Ausbaugeschwindigkeit der vergangenen zehn Jahre (2012-2021) nicht erreicht werden kann.
- Das Burgenland exportierte im Jahr 2021 mit 0,8 Terrawattstunden (TWh) und 49 Prozent des eigenen BEEV (Bruttoendenergieverbrauch) an elektrischer Energie absolut und relativ den größten Anteil an elektrischer Energie aller Bundesländer.
So werden die einzelnen Sektoren bewertet
- Im Nicht-EH-Bereich (vom Emissionshandel ausgenommen) dominieren in allen Bundesländern die Verkehrsemissionen. Verkehrsemissionen haben im Burgenland (mit 51 %), in Wien (mit 50 %), in der Steiermark (mit 47 %) und in Salzburg (mit 46 %) einen über dem Österreichschnitt liegenden Anteil an den Nicht-EH-Treibhausgasemissionen.
- Im Vergleich dazu verursacht in den anderen Bundesländern der Gebäudesektor die zweithöchsten THG-Emissionen. In Wien beträgt dessen Anteil an den Nicht-EH-Treibhausgasemissionen 26 %, in Tirol 23 %, Vorarlberg 22 % und im Burgenland 19 %.
- In der Industrie sind die Emissionen in Kärnten (um 0,1 Mio. t CO2-Äquivalent) sowie in Niederösterreich (um 0,2 Mio. t CO2-Äquivalent) und Burgenland (0,01 Mio. t. CO2-Äquivalent) gestiegen.
- Der Endenergieverbrauch (EEV) pro Person in den Bundesländern lag 2021 in Oberösterreich, Niederösterreich, Kärnten und der Steiermark zwischen 40 MWh/Person und 45 MWh/Person. Im Burgenland, in Salzburg, Tirol und Vorarlberg liegt der EEV pro Person zwischen 30 MWh/Person und 34 MWh/Person. Im Vergleich dazu hat Wien, bedingt durch die dichte Besiedelung, einen sehr niedrigen jährlichen EEV pro Person von 19 MWh.
- Nach 2005 haben einzig Wien und Salzburg bis 2021 eine absolute Reduktion des EEV bewirken können. Der Energieverbrauch pro Person ist ab 2005 in den meisten Bundesländern gesunken. Kärnten hingegen verzeichnete einen Zuwachs des EEV pro Person um 3 %, das Burgenland um 2%.
- Den höchsten Anteil an anrechenbaren erneuerbaren Energien im Jahr 2021 erreichte Kärnten mit 59 %. Das Burgenland erreichte durch den Windkraftausbau den stärksten Zuwachs seit 2005 (+133 %) und lag 2021 mit einem anrechenbaren Anteil von 53 % gemeinsam mit Salzburg auf dem zweiten Platz.
- Der Anteil der Landwirtschaft am sektoralen Energieverbrauch ist im Burgenland mit 4 Prozent der höchste aller Bundesländer.
- Der Haushaltssektor war im Jahr 2021 für 29 % des EEV verantwortlich und verursachte gemeinsam mit dem Dienstleistungssektor 11 % der gesamten THG-Emissionen bzw. 17 % der Nicht-EH-THG-Emissionen. In Österreich weisen Haushalte in Summe einen EEV von 89 TWh auf. Bei einer Betrachtung des EEV pro Person zeigt sich, dass im Burgenland der EEV pro Person mit 12,6 MWh/Person am höchsten und in Wien mit 7,2 MWh/Person am niedrigsten ist.
- Im Burgenland zum Beispiel hat sich der EEV um 136 % erhöht, während sich der Produktionsindex nur verdoppelt hat (+100 %). Das zeigt, dass die Industrie im Burgenland insgesamt in diesem Zeitraum um 18 % energieintensiver geworden ist. Diese relative Entwicklung ist allerdings nur begrenzt aussagekräftig, da auch der absolute Startwert in den Bundesländern eine wichtige Rolle spielt. Burgenland zum Beispiel hatte im Jahr 2000 ein deutlich niedrigeres Produktionsniveau als Niederösterreich.
- Insgesamt ist die Energieintensität bezogen auf die Wohnfläche in allen Bundesländern gesunken. In Wien allerdings nur geringfügig (-6 %). Die Bundesländer, mit der besten Entwicklung der Energieintensität waren das Burgenland, Kärnten und Niederösterreich mit -19 %.
Wie Energie produziert wird
- Im Burgenland wird der Großteil des Stroms durch Windkraftanlagen produziert (129 % des BEEV) und teilweise exportiert.
- Die Stromerzeugung aus fester Biomasse hat vor allem in Kärnten einen hohen Anteil von 12% (des BEEV), in der Steiermark, im Burgenland, in Oberösterreich, Niederösterreich und Salzburg liegt der Anteil zwischen 4% und 7% (des BEEV).
- Die Stromerzeugung aus Photovoltaik macht im Burgenland 6%, in der Steiermark und in Niederösterreich 5 % des BEEV aus. In Kärnten, Oberösterreich, Vorarlberg, Tirol und Salzburg machte sie 3 bis 4 % aus. In Wien hat diese einen Anteil von 1 %. Burgenland exportierte im Jahr 2021 absolut und relativ größten Anteil am meisten elektrische Energie (0,8 TWh; ca. 49 % des eigenen BEEV für Strom).
- In der Betrachtung des Anteils der erneuerbaren Stromerzeugung hat das Burgenland mit dem Windkraftausbau alle anderen Bundesländer im Jahr 2014 überholt und liegt inzwischen bei 143 % des BEEV der elektrischen Energie.
- Das Burgenland, Tirol und Salzburg sind die einzigen Bundesländer, welche ihre Exporte steigern konnten (von -1,2 TWh auf 0,9 TWh im Burgenland, von 0,0 TWh auf 0,6 TWh in Tirol und von 0 TWh auf 0,6 TWh in Salzburg). Oberösterreich und Vorarlberg sind von Stromexporteuren zu Stromimporteuren geworden.
Wo und wie künftig ausgebaut werden soll
- Für den Ausbau von Windkraft haben das Burgenland (2030), Kärnten (2030), Niederösterreich (2030), Salzburg (2030) und die Steiermark (2030) Ausbauziele spezifiziert. Das Burgenland hat in der Klimastrategie Burgenland 2023 einen zusätzlichen Windkraftausbau für das Jahr 2030 mit 5,2 TWh angegeben.
- Für den Ausbau von Photovoltaik wurden Ziele bzw. abgeleitete Ziele in allen Bundesländern definiert. Das Burgenland gibt an, dass 2030 zusätzlich 3,2 TWh durch Photovoltaik abgedeckt werden sollen. Das entspricht einem Zubau von Anlagen mit einer installierten Leistung von 3.200 MW.
- Das Burgenland plant für die Erzeugung von 0,6 TWh grünen Wasserstoff zusätzlich Wind und Photovoltaikproduktion. Diese wird jedoch nicht an das Stromnetz angebunden sein und werden daher in der Studie nicht berücksichtigt.
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