In der Praxis stößt Ungarns Verordnung an die Grenze - noch

In der Praxis stößt Ungarns Verordnung an die Grenze - noch
Laxe Kontrollen und kaum Probleme für Waren-, Güter- und Pendlerverkehr. Aber noch sind nicht alle Fragen geklärt.

Ganz sicher ist man in Österreich noch nicht, ob der Verkehr an Ungarns Grenzen am Mittwoch ähnlich reibungslos ablaufen wird wie am Dienstag. Denn die aufgrund der Covid-19-Pandemie per Verordnung verschärften Einreisebestimmungen hatten zunächst kaum nennenswerte Auswirkungen auf den Grenzverkehr zu Ungarn – weder auf den großen noch auf den kleinen.

Wie berichtet war ja die Sorge groß gewesen, weil Pendler sich laut Verordnung nur innerhalb von jeweils 30 Kilometer der Grenze bewegen dürfen. Laut einem ORF-Bericht könnte es aber sein, dass in den kommenden Tagen schärfer kontrolliert wird.

Kaum Kontrollen am Dienstag

Am Dienstag wurden die geltenden Regeln in der Praxis jedenfalls großzügig ausgelegt. Chaotische Szenen wie im März, wo sich die Fahrzeuge kilometerweit in beide Richtungen gestaut hatten, blieben aus. Ab Mitternacht in der Nacht auf Dienstag bildete sich auf der Lkw-Spur Richtung Ungarn zwar ein kleinerer Stau, „aber alles im üblichen Rahmen“, so Oberstleutnant Helmut Marban von der Landespolizeidirektion Burgenland beim KURIER-Lokalaugenschein Dienstagvormittag.

In der Praxis stößt Ungarns Verordnung an die Grenze - noch

Zu diesem Zeitpunkt regnet es in Strömen und die ungarischen Grenzbeamten winken die meisten Fahrzeuge einfach weiter – sowohl in Richtung Österreich als auch nach Ungarn. Arbeitsbestätigungen oder Dokumente werden kaum kontrolliert. Und offenbar nicht nur in Nickelsdorf. „Beim Grenzübergang Schachendorf bin ich einfach durchgefahren“, sagt der Ungar Gabor I., der in einem landwirtschaftlichen Betrieb im Bezirk Oberwart arbeitet.

Polizei ist auf alle Eventualitäten vorbereitet

Kurz vor Redaktionsschluss am Dienstag ist die Situation an den Grenzen unverändert entspannt. „Wir erwarten auch in den kommenden Stunden fließenden Verkehr, sind aber auf alle Eventualitäten vorbereitet“, sagt Marban.

Überhaupt hat es den Anschein, als ob nach den Lehren des Lockdowns und der ungarischen Grenzschließung im Frühjahr jetzt auch deshalb alles reibungslos läuft, weil auf Ausnahmesituationen mit Flexibilität und Hausverstand reagiert wird. Von allen Beteiligten.

"Ohne Österreicher könnten wir schließen"

Zum Beispiel berichten etwa ungarische Zahnärzte, dass ihre Patienten dank kurzfristig ausgestellter Bestätigung am Dienstag problemlos nach Ungarn reisen konnten. „Ohne Österreicher könnten wir schließen“, sagt Edith Hirschbock vom Schweizer Zahnarzt Management in Szombathely.

Bei der Caritas Burgenland, die auch ungarische Arbeitskräfte beschäftigt, wie etwa in den Pflegeeinrichtungen, berichtet man am Dienstag von etwas längeren Wartezeiten, aber insgesamt einem problemlosen Grenzübergang für die ungarischen  Mitarbeiter.   „Wir haben seit Beginn der Corona-Krise gelernt, flexibel auf die jeweiligen Situationen zu reagieren. Deshalb haben wir auch jetzt für den Ernstfall eine Plan B. Derzeit sehen wir aber keinen Anlass, um Maßnahmen ergreifen zu müssen“, sagt eine Sprecherin der Caritas.

„Eine Erleichterung ist die Grenzschließung sicher nicht“, erklärt der Obmann der Winzerkellerei Neckenmarkt, Franz Heincz. In etwa zwei Wochen soll mit der Lese in den Weingärten begonnen werden. „Die meisten der Erntehelfer sind aber ohnedies aus der näheren Umgebung, da erwarten wir keine größeren Probleme“, räumt Heincz ein.

Wirtschaftskammer trifft Vorbereitungen

Ganz so entspannt gibt man sich in der Wirtschaftskammer nicht. „Es gibt viele Fragezeichen, die uns Sorgen bereiten“, sagt  Franz Perner, Geschäftsführer der Sparte Tourismus und Freizeitwirtschaft in der Wirtschaftskammer Burgenland am Dienstag. Man wisse noch nicht, wie die Verordnungen an der Grenze gehandhabt würden und wie die Rückreisen der ungarischen Arbeitskräfte funktioniere. Das werde man erst in den kommenden Tagen beantworten können. Falls es zu Problemen komme, würden bereits Vorbereitungen laufen, damit die ungarischen Arbeitnehmer in Österreich nächtigen können.

Demonstrationen in Ungarn

In Ungarn gibt es zumindest in Grenznähe indes wenig Verständnis für die verschärften Einreisebestimmungen, die aus Sicht der Pendler nur eine Erschwernis auf ihrem Arbeitsweg darstellen. In diversen Gruppen auf sozialen Medien wie Facebook wird bereits Stimmung gegen die Einreisebestimmungen und die Corona-Maßnahmen der ungarischen Regierung gemacht: In Sopron wird am Donnerstag und Samstag demonstriert.

Ärger in Deutschkreutz

Der Listen-Bürgermeister der ungarischen Grenzgemeinde Deutschkreutz, Manfred Kölly, ist über die Grenzschließung des Nachbarlandes verärgert. Stau habe es am Grenzübergang in „seiner“ Gemeinde zwar nicht gegeben, sagt Kölly am Dienstagmittag zum KURIER. „Aber ich verstehe nicht, dass die Ungarn bei uns einreisen dürfen und wir nicht über Ungarn fahren dürfen. Das Virus macht ja nicht an der Grenze Halt.“ Es gebe etliche  Deutschkreutzer, die täglich zu ihrem Arbeitsplatz nach Eisenstadt oder Wien pendeln. Sie können jetzt nicht wie gewohnt über Ungarn fahren. „Die Pendler müssen jetzt etwa für den Weg nach Eisenstadt hin und retour täglich  50 Kilometer länger im Auto sitzen und über die S31 fahren, wo es noch dazu eine Baustelle gibt“, sagt Kölly.

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