Grenzstreit kostet Schattendorf schon weit über 100.000 Euro
Als Arbeitnehmer und Konsumenten sind unsere ungarischen Nachbarn fürs Burgenland unverzichtbar, als Verursacher zusätzlichen Verkehrs würde man indes nur allzugern auf sie verzichten.
Nirgendwo sonst zeigt sich das zwiespältige Verhältnis zu unseren engsten Nachbarn so deutlich wie in Schattendorf.
Weil neben Bewohnern der zwei Kilometer entfernten ungarischen Gemeinde Agfalva (Agendorf) immer mehr Pendler aus dem Großraum Sopron den kleinen Grenzübergang genutzt hätten, um schneller zu ihren Arbeitsplätzen im Burgenland, aber auch in NÖ und Wien, zu kommen, zog die burgenländische Grenzgemeinde im Vorjahr die Notbremse.
Nur mehr per Ausnahmebewilligung sollte eine eigens an der Grenze eingerichtete Fußgängerzone passiert werden können (der KURIER hat berichtet).
Diese Grenzziehung wird massiv bekämpft - mit juristischem Besteck und mit dem Vorschlaghammer. Vor Gericht hat Schattendorf alles gewonnen, die deutsch-ungarische Anwaltskanzlei NZP Nagy Legal hatte gegen die "unzulässige Beschränkung des freien Durchzugsverkehrs innerhalb des EU-Schengenraums" geklagt und ist bis hin zum Oberlandesgericht abgeblitzt.
Auf der Straße ist die Kommune bisher aber machtlos. Die im Vorjahr um rund 100.000 Euro errichteten Zufahrtsbeschränkungen an der Grenze wurden mehrmals durch Vandalenakte beschädigt, zwei dieser Angriffe waren heftig.
Die erste Reparatur an den versenkbaren Pollern kostete Schattendorf 11.000 Euro. Im heurigen März rückten die Grenzstürmer gar mit einem Bohrer an. Wie tief die Gemeinde dieses Mal in die Tasche greifen muss, sei "noch nicht definierbar, weil der verursachte Schaden unter der Asphaltdecke liegt und daher ohne eine Öffnung nicht sichtbar ist", heißt es aus dem Gemeindeamt.
Mit Kosten zwischen 20.000 und 30.000 Euro wird aber jedenfalls gerechnet. Wer dahinter steckt, weiß man nicht. Die Ermittlungen der Polizei haben bisher keine Ergebnisse gezeitigt.
Diesmal wird aber erst repariert, sobald eine Videoüberwachung installiert ist. Der Gemeinderat hat sich schon dafür ausgesprochen, die Datenschutzbeauftragte des Landes eine "To-do-Liste" erstellt.
Wann nun alles fertig ist und die Anlage, die schon seit Sommer 2023 "scharf" sein sollte, tatsächlich in Betrieb genommen werden kann, sei derzeit nicht seriös zu beantworten, sagt Bürgermeister Thomas Hoffmann (SPÖ).
Dass der jetzige provisorische Zustand, in dem de facto nur Fußgänger und Radfahrer passieren können, zum Dauerzustand werden könnte, stellt der Ortschef in Abrede.
Alle, die „persönliches erhebliches Interesse“ nachweisen, sollen auch durchfahren können, sagt Hoffmann. Die Ausnahmebewilligung gilt zwei Jahre und kostet 160 Euro.
Beispiel für ein erhebliches wirtschaftliches oder persönliches Interesse sei die Zufahrt zum Pflegestützpunkt Schattendorf, der sich unmittelbar an der Grenze befindet.
Bis zum Totalschaden der Grenzanlage im heurigen März 2024 waren am Gemeindeamt 452 Anträge eingelangt. Davon wurden 174 bewilligt
und 148 abgelehnt. 130 Anträge sind in Bearbeitung, das heißt, sie sind bis zur Reparatur der Anlage "auf Eis gelegt". Zugunsten der Interessenten, betont die Gemeinde.
Denn sobald ein Antrag bewilligt ist, beginnt die Zwei-Jahres-Frist zu laufen - auch wenn die Passage noch gesperrt ist. Die Leute würden also zahlen, ohne fahren zu können.
Die Anwaltskanzlei NZP Nagy Legal versucht es übrigens noch einmal. Kommende Woche findet am Landesgericht Eisenstadt wieder ein Zivilprozess statt. Beklagte Partei ist diesmal nicht Schattendorf, sondern die Republik Österreich.
Klagsgegenstand sind abermals die Grenzkontrollen, diesmal überall an der österreichisch-ungarischen Grenze. NZP macht die Wartezeiten an der Grenze wegen der 2015 eingeführten und seither stets verlängerten Kontrollen für ihre eigenen Rechtsanwälte als Schaden geltend und sieht die Reisefreiheit beeinträchtigt.
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