Protest gegen ungarisches Flüchtlingslager nahe burgenländischer Grenze
Die rechtskonservative ungarische Regierung baut Medienberichten zufolge ein Aufnahmelager für illegale Migranten in Nähe der österreichischen Grenze.
Der Bau soll außerhalb des Ortes Vitnyéd errichtet werden, 15 Kilometer von der Grenze entfernt. Unter den Bewohnern regt sich Widerstand. Am Sonntag fand ein Protestmarsch in dem 1.500-Einwohner-Ort statt. Premier Viktor Orbán hatte jüngst bekräftigt, keine Flüchtlinge aufnehmen zu wollen. Das Burgenland will sich wehren.
Ein drei Meter hoher Drahtzaun sei in Windeseile um das ehemalige Schulgelände namens Csermajor errichtet worden, welches die Polizei streng bewacht, schrieb das Onlineportal "hvg.hu" am Montag. Fotos würden belegen, dass Doppelstockbetten im ehemaligen Turnsaal aufgestellt wurden. Der Bürgermeister von Vitnyéd, Csaba Szalai, hatte daran erinnert, dass sich das Gelände in staatlichem Besitz befände und er sich in der Angelegenheit nicht äußern dürfte.
In der offiziellen Facebook-Gruppe des Ortes hatte Szalai jedoch zunächst die Errichtung eines Flüchtlingslagers damit begründet, dass Ungarn wegen des Verstoßes gegen EU-Asylrecht mit einer Millionenstrafe belegt wurde. In Csermajor waren bisher Flüchtlinge aus der Ukraine untergebracht. Vitnyéd liegt im Komitat Györ (Sopron), jeweils nur wenige Kilometer von der Grenze im burgenländischen Seewinkel und bei Deutschkreutz entfernt.
Verschärfte Grenzkontrollen möglich
Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) richtete am Mittwoch ein Schreiben an die ungarischen Behörden - darin ist von "deutlich verschärften Grenzkontrollen" die Rede: „Sollten die kolportierten Pläne auf ungarischer Seite stimmen, wird es von der österreichischen Polizei auch hier keinen Spielraum geben. Bei Bedarf werden die Grenzkontrollen zu Ungarn deutlich verschärft. Das habe ich auch den ungarischen Behörden unmissverständlich mitgeteilt. Zudem haben die in den letzten beiden Jahren gesetzten Maßnahmen zur Bekämpfung der Schlepperei Wirkung gezeigt. Die illegale Migration an der burgenländisch-ungarischen Grenze wurde um 97 Prozent zurückgedrängt. Die Schlepper machen einen Bogen um Österreich. Darüber hinaus sind 60 österreichische Polizisten erfolgreich zur Schlepperbekämpfung auf ungarischem Staatsgebiet eingesetzt“, so Gerhard Karner.
Scharfe Kritik an dem ungarischen Vorhaben kam deshalb von Burgenlands Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (SPÖ). "Wenn sich diese Berichte bewahrheiten, kann es bei dieser Lokalisierung nur darum gehen, im großen Stil den Weitertransfer von Flüchtlingen über die grüne Grenze nach Österreich zu ermöglichen. Das käme einer staatlich organisierten Schlepperei gleich", betonte er. Das Land werde sich gegen die Pläne daher "mit allen rechtlichen und politischen Möglichkeiten zur Wehr setzen".
Doskozil bekräftigte am Mittwoch seine Forderung nach einer verstärkten Überwachung der grünen Grenze und kündigte einen Brief an Ungarn an. Für den Fall, dass das Nachbarland an dem Vorhaben festhält, will der Landeshauptmann die Schließung von Grenzübergängen vorbereiten - eventuell auch durch die Errichtung von Fußgängerzonen wie etwa in Schattendorf.
Doskozil forderte auch Bundeskanzler Karl Nehammer und Innenminister Gerhard Karner (beide ÖVP) dazu auf, in der Angelegenheit aktiv zu werden. Sollte Ungarn derartige Vorhaben weiterverfolgen, müsse Österreich mit einer "rigorosen Überwachung der grünen Grenze antworten", meinte der Landeshauptmann. Er kündigte an, dass das Burgenland in einem solchen Fall sofort alle Grenzübergänge schließen werde - "notfalls auch mit weiteren Fußgängerzonen", so Doskozil in Anspielung auf den für den Autoverkehr geschlossenen Grenzübergang zwischen Schattendorf und dem ungarischen Agendorf.
Die österreichischen Behörden verbuchen aktuell vergleichsweise wenige illegale Grenzübertritte aus Ungarn. Bundeskanzler Nehammer betont im Wahlkampf, dass diese um 97 Prozent zurückgegangen seien.
Orbán hatte jüngst seine Forderung nach EU-Zahlungen für die ungarischen Grenzsicherungsausgaben bekräftigt. "Sie werden zahlen, es ist nur eine Frage der Zeit", sagte der auf EU-Ebene mit FPÖ-Chef Herbert Kickl verbündete Politiker in einem Rundfunkinterview.
Orbán hat wiederholt versucht, seine EU-Partner in der Migrationsfrage unter Druck zu setzen. Für Empörung sorgte etwa die mit ausgebliebenen EU-Geldern begründete Freilassung von hunderten verurteilten Schleppern im Frühjahr des Vorjahres, die auch von FPÖ-Chef Kickl scharf als "unverständlich und inakzeptabel" kritisiert wurde.
Auch in der großen Flüchtlingskrise des Jahres 2015/16 spielte Orbán eine unrühmliche Rolle. Nachdem im September 2015 Bilder von unter unmenschlichen Bedingungen in ungarischen Lagern festgehaltenen Migranten europaweit für Aufsehen gesorgt hatten, öffneten Österreich und Deutschland ihre Grenzen. Der damalige Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) sprach von einem "Notfall" und verglich das Vorgehen Orbáns mit jenem der Nationalsozialisten im Zweiten Weltkrieg. "Flüchtlinge in Züge zu stecken in dem Glauben, sie würden ganz woanders hinfahren, weckt Erinnerungen an die dunkelste Zeit unseres Kontinents", sagte er.
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