"Die Kindesabnahme war unsere Rettung"

"Die Kindesabnahme war unsere Rettung"
Vier von fünf Familien, die im SOS Kinderdorf Pinkafeld nach Problemen betreut werden, schaffen den gemeinsamen Weg zurück nach Hause.

„Es war einfach alles zu viel für uns“, schildert Herbert E. (Name von der Redaktion geändert). Der Lockdown habe alles zum Überkochen gebracht, gebrodelt habe es aber schon länger. Derzeit lebt er mit seiner Frau und den vier Kindern im SOS Kinderdorf Pinkafeld – und es geht wieder bergauf.

Die Familie hat eine schwere Zeit durchgemacht. Die Beziehung der Eltern war angespannt, die Schulnoten der Kinder wurden schlechter. „Ich war berufsbedingt viel unterwegs, das war das Hauptproblem“, sagt der Vater. Seine Frau war mit den Kindern auf sich allein gestellt. „Mit Homeschooling und Lockdown, da lagen bei allen die Nerven blank“, schildert der Mann. Seine Frau habe sich abgekapselt und immer öfter geschrien.

Das Jugendamt schaltete sich schließlich ein. „Uns wurden die Kinder abgenommen. Die Kindesabnahme hört sich jetzt hart an, aber das war unsere Rettung“, schildert E. Die Kinder wurden auf Krisenplätzen untergebracht. Jetzt ist die Familie wieder vereint – in der Eltern-Kind-Betreuung (Ekibe) im SOS Kinderdorf in Pinkafeld.

80 Prozent schaffen gemeinsame Rückkehr

Hier kann die Familie mit Unterstützung durch ein professionelles Team zusammenkommen und an ihren Problemen arbeiten. „Wir haben das Angebot jetzt seit mehr als zehn Jahren“, sagt SOS-Kinderdorfleiter Marek Zeliska. Derzeit leben acht Familien mit insgesamt 20 Kindern in der Ekibe. Das Angebot ist auf eine Dauer von maximal zwei Jahren ausgerichtet, in dieser Zeit zeige sich, ob die Familie mit den Kindern zurechtkomme oder nicht.

Breites Angebot
Das Angebot Eltern-Kind-Wohnen von SOS-Kinderdorf gibt es nicht nur im Burgenland, sondern auch in Niederösterreich, Oberösterreich, der Steiermark, Kärnten, Salzburg und Tirol. Insgesamt werden mehr als 40 Familien betreut.

Pilotprojekt
Auch in der Bundeshauptstadt Wien startet noch in diesem Jahr im Rahmen eines Pilotprojekts ebenfalls die Betreuung von Familien im Eltern-Kind-Wohnen. Im Burgenland konnte  seit dem Start des Hilfsangebots schon rund 40 Familien wieder Halt und Sicherheit geboten werden, damit Kinder  auch nach schweren Krisen langfristig bei ihrer Familie bleiben können.

 

 

„Danach wird entschieden, ob die Familie gemeinsam nach Hause gehen kann, oder ob die Kinder doch fremduntergebracht werden“, sagt Zeliska. Rund 80 Prozent der Fälle enden mit einer gemeinsamen Rückkehr nach Hause. „Die Entscheidung trifft das Jugendamt“, erklärt Zeliska.

Für Familie E. ist klar: „Wären wir jetzt nicht hier im SOS Kinderdorf, wären wir ganz sicher schon geschieden, ohne Sorgerecht für die Kinder.“

"Keiner traut sich, darüber zu reden"

Gerade am Land spielen viele gerne heile Welt und perfekte Familie, meint der Vater. Wenn man dahinter schaut und mit den Leuten ins Reden kommt, oder ich meine eigene Geschichte erzähle, sieht man, dass jede Familie irgendwelche Probleme hat. Aber keiner traut sich, darüber zu reden. Ich kann nur allen empfehlen, Hilfe zu suchen und anzunehmen.“

An den Wochenenden ist die Familie mit ihren Schützlingen daheim. Unter der Woche sind sie im Kinderdorf, wo sie eine Tagesstruktur haben, Unterstützung im Familien- und Schulalltag bekommen, Ergotherapie für die Kinder, Entlastung und mehr Zeit für sich und ihr Familienleben erhalten.

Nach etwa sechs Monaten im Kinderdorf soll es ab Juni komplett nach Hause gehen. „Ich werde nun mehr Zeit als Mann, als Vater haben. Einfach nur zu Hause sein. Unsere Kinder, meine Familie, haben meine Liebe und Anwesenheit verdient. Wir haben im Kinderdorf viel gelernt, jetzt müssen wir uns gemeinsam bemühen.“

Kommentare