Der rätselhafte Tod des 19-jährigen Toni
„Die Zeit heilt alle Wunden, sagt man. Das stimmt nicht.“
Fast 24 Jahre sind seit dem Tod ihres Sohnes Toni vergangen. Wie und warum er gestorben ist, das wissen die Eltern bis heute nicht. Fragen, die sie jeden Tag aufs Neue quälen. Es gebe zu viele Ungereimtheiten, sagt das Paar, das im Burgenland lebt. Ihren vollen Namen wollen sie nicht in der Zeitung lesen.
Es war der 1. August 1998, als die Eltern Toni zum letzten Mal sehen sollten.
Der 19-jährige Anton Sascha Strodl leistete zu der Zeit Präsenzdienst. Eigentlich wäre der gelernte Schlosser an jenem Sommerabend in der Kaserne eingeteilt gewesen. Doch weil sein bester Freund Geburtstag feierte, hatte er den Dienst getauscht. Bei einer Hütte, wenige hundert Meter vom Elternhaus in Forchtenstein (Bezirk Mattersburg) entfernt, fand die Grillparty statt.
„Als Toni ging, hat er noch gesagt, er schlafe oben (bei der Hütte, Anm.) und wird erst morgen in der Früh nach Hause kommen. Als er da in der Tür stand beim Rausgehen – das ist das letzte Bild, das ich von meinem Sohn habe“, sagt seine Mutter.
Die Hiobsbotschaft
In der Früh kam das Rote Kreuz. Die Eltern dachten zunächst an eine Spendensammelaktion. Stattdessen gab es eine traurige Nachricht.
„Wir wissen nicht, was in der Nacht passiert ist, keiner hat uns was gesagt“, sagt der 70-jährige Vater. Erst in der Vorwoche hatte die Familie Besuch von Beamten des Landeskriminalamtes. Die Ermittler gehen von einem Unfall aus, dennoch gilt der Akt weiterhin als ungeklärt.
Fest steht, dass Toni am 2. August, gegen 2 Uhr früh, seinem Freund mitgeteilt hatte, dass er nur kurz aus der Hütte gehen und gleich wieder kommen werde. Zwei Stunden später hatten zwei vorbeifahrende Burschen Toni rund 100 Meter von der Hütte entfernt gefunden. Er war tot.
Bei der Obduktion wurde Fremdverschulden festgestellt. Unklar ist, ob der 19-Jährige Opfer eines Verkehrsunfalles mit Fahrerflucht oder eines Gewaltverbrechens wurde, sagen die Eltern. Tatsache ist, wie der KURIER berichtet hatte, dass Anton Strodl an seinen schweren Kopfverletzungen gestorben ist. Bei der zweiten Obduktion wurde auch entdeckt, dass sowohl Schädeldecke als auch Wirbelsäule des Opfers zertrümmert waren.
Auf KURIER-Nachfrage bei der Staatsanwaltschaft Eisenstadt erklärt eine Sprecherin, dass in dem Akt der Eintrag „Verkehrsunfall durch ein Auto“ vermerkt sei. Das Verfahren wurde gegen unbekannte Täter geführt. Es sei damals sämtlichen Hinweisen nachgegangen worden. Man habe alles versucht, doch irgendwann habe es keinen weiteren Ermittlungsansatz gegeben. 2001 wurde das Verfahren abgebrochen.
Dabei schien der Fall für die Eltern schon knapp vor der Klärung. „Nachdem die Leiche zur Beerdigung freigegeben worden war, ist ein Polizist zu uns gekommen. Er wolle uns als Erste informieren, denn es werde am nächsten Tag eine Pressekonferenz geben. Er hat gesagt: ,Morgen sagen wir, wer der Täter ist’“. Bis heute wissen sie es nicht.
Mysteriöse Anrufe
Sieben Kopfverletzungen habe Toni gehabt – das sei ihnen vom Untersuchungsrichter mitgeteilt worden. Ob ihm jemand mit einem Gegenstand auf den Kopf geschlagen habe, oder ob etwa ein Wagen mit einem Rammschutz Toni die gleichmäßigen Verletzungen an der Stirn zugefügt habe, sei unklar. Mysteriös seien auch die wiederholten Anrufe gewesen. Immer wieder habe der anonyme Anrufer den Vater verlangt, der untertags in der Arbeit war. Zur Tochter habe er einmal gesagt: „Ich weiß, wer es war“. Nachdem die Familie eine Fangschaltung legen habe lassen, sei es nie wieder zu solchen mysteriösen Anrufen gekommen.
Ermittlungen habe es in alle Richtungen gegeben, sagt ein Beamter des Landeskriminalamtes, der mit dem Fall beschäftigt war. Der Gerichtsmediziner sei zunächst von einem Gewaltverbrechen ausgegangen, aber auch ein Verkehrsunfall mit Todesfolge schien denkbar. „Wir haben damals, als das bei uns noch nicht so üblich war, eine Fotogrammetrie (Bildmessung, Anm.) in der Schweiz in Auftrag gegeben“, so der Beamte. Auch ein Haar, das an einem verdächtigen Fahrzeug gefunden worden war, wurde zu einem Gutachter geschickt. DNA habe man aber keine nachweisen können. „Ich bin ziemlich sicher, dass es ein Verkehrsunfall war. Dennoch kann ein Gewaltverbrechen nicht ganz ausgeschlossen werden“, sagt der Kriminalist. Motiv habe man keines gesehen. Toni sei überall sehr beliebt gewesen.
Dutzende Zeugen
Mehr als 50 Zeugen wurden befragt, ein Geständnis habe es laut anderslautenden Gerüchten aber nie gegeben. Dass der Fall kurz vor der Klärung gestanden wäre und eine Pressekonferenz anberaumt gewesen sein soll, auch das kann der Ermittler nicht bestätigen. „Davon höre ich zum ersten Mal.“ Erst vor Kurzem habe er sich mit Kollegen den Fall noch einmal angesehen. Auf neue Erkenntnisse sei man nicht gestoßen.
Nach fast einem Vierteljahrhundert beschäftigt der Tod des 19-Jährigen auch einen pensionierten Ermittler. „Ich bin den Akt in Gedanken immer wieder durchgegangen. Aber mir fällt nicht auf, was wir übersehen haben könnten. Vielleicht meldet sich der Verantwortliche ja, weil er mit der Schuld nicht leben kann.“
An der Stelle, an der Toni blutüberströmt gefunden worden war, haben Freunde ein Marterl errichtet. Immer wieder sucht Tonis Vater dort nach Antworten – bisher konnte sie ihm aber keiner geben.
Hinweise: 059133 10-3333
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