Ex-Bankchef Martin Pucher: Vom "Messias" zum Bankrotteur

COMMERZIALBANK MATTERSBURG U-AUSSCHUSS-SITZUNG: PUCHER
Ex-Banker Martin Pucher trickste 25 Jahre lang. Vor Gericht wird er sich wohl nie verantworten müssen. Plus: Was bisher geschah.

Für die einen war er eine Art Messias, für die anderen war er "das Gesetz"“. Der frühere burgenländische Banker Martin Pucher, Gründer der Commerzialbank Mattersburg und Ex-Präsident des Fußballklubs SV Mattersburg, sonnte sich gern im Licht der Öffentlichkeit und gab sich als spendabler Gönner.

Es gab kein lokales Fest, das nicht von Pucher aus der Bankkassa heraus gesponsert wurde. Sein Wort hatte Gewicht, Widerspruch duldete er nicht. Am Ende hat er aber die mit rund 820 Millionen Euro Schaden drittgrößte Insolvenz der österreichischen Wirtschaftsgeschichte zu verantworten.

Seine Karriere führte den gebürtigen Wiener Neustädter zur Raiffeisenbank Schattendorf-Zemendorf-Stöttera-Krensdorf-Hirm-Loipersbach-Draßburg-Baumgarten, dessen Leiter er bis 1995 auch war. Nachdem es Streit über die Ausrichtung des Bankgeschäfts gab, spaltete Pucher die kleine Bank mit acht Filialen vom Raiffeisenverbund ab. Daraus wurde die Commerzialbank Mattersburg.

Commerzialbank war schon 1999 pleite

Schon damals soll Pucher erste Malversationen begonnen haben. Wie nun im Nachhinein der renommierte Sachverständige Karl Hengstberger in seinem 600 Seiten dicken Gutachten feststellt, war die Commerzialbank eigentlich schon 1999 pleite.

Commerzialbank Hirm

Am 14. Juli 2020 wurde die Commerzialbank Mattersburg behördlich geschlossen.

Doch Pucher drehte das große Rad mit Hilfe der Gelder der Bankkunden weiter. Der fünftklassige burgenländische Fußballverein SV Mattersburg, der in der Saison 2003/2004 in die Bundesliga aufstieg, war Puchers Herzensangelegenheit. Pucher machte seine Bank zum Hauptsponsor, fast die Hälfte des elf Millionen Euro schweren Jahresbudgets "finanzierte" Pucher mit erfundenen Verträgen und fiktiven Sponsoren. Jahrelang schleuste Pucher so Geld aus der Bank in den Verein. Selbst die Zahl der Zuschauer im VIP-Bereich wurde fingiert, die angeblichen Ticketeinnahmen bezahlte heimlich die Bank.

Auf dem Höhepunkt seiner kriminellen Karriere fungierte Pucher für vier Jahre als Präsident der Fußball-Bundesliga. Jahr für Jahr trickste Pucher die Bankprüfer mit gefälschten Bestätigungen über Bankguthaben aus. Im Jahr 2015 wurde er dann von zwei Schlaganfällen eingeholt, von denen er sich bis heute nicht erholt hat. Mit der Pleite der Bank am 15. Juli 2020 brach das Kartenhaus rund um die Commerzialbank zusammen.

Doch Martin Pucher kann für die Malversationen nicht zur Verantwortung gezogen werden. Es wurden zahlreiche medizinische Gutachten beauftragt. In einem dieser Gutachten heißt es: Pucher sei "„krankheitsbedingt mit Blick auf seine körperliche und geistige Verfassung nicht in der Lage, vor Gericht zu erscheinen und in der Hauptverhandlung zum Sachverhalt auszusagen".

Die Causa Commerzialbank: Was bisher geschah

Die Geschichte der Ermittlungen  rund um die  Commerzialbank ist eine lange. Der Stein kam 2020 durch eine Selbstanzeige der Hauptverantwortlichen ins Rollen, doch schon zuvor gab es Hinweise auf Missstände.

2015 hatte sich ein Whistleblower mit Tipps zu Malversationen in der Commerzialbank an die Behörden gewandt, die jedoch keine Hinweise darauf fanden. Nach der Pleite wurden mehrere Klagen eingebracht – unter anderem gegen Wirtschaftsprüfer TPA, die Republik Österreich und das Land Burgenland, das als Revisionsverband der Mehrheitseigentümerin der Bank tätig war. Sowohl die Republik als auch das Land haften laut Urteilen aber nicht für  Schäden.

Die ehemaligen Mitarbeiter, Aufsichtsräte und Vorstände lieferten im U-Ausschuss ein bezeichnendes Bild von den Vorgängen in der Bank. Sie wollten von Unregelmäßigkeiten nichts mitbekommen haben. Ex-Bankvorständin Franziska Klikovits gab an, dass 50 Prozent der Kredite, 95 bis 98 Prozent der Interbankveranlagungen und zehn Prozent der Kundeneinlagen, die ausgebucht wurden, "Fake" gewesen seien. Erste Unregelmäßigkeiten soll es schon 1981 gegeben haben. Spätestens 1999 war die Bank laut Gutachten zahlungsunfähig.

Der Anfang vom Ende

Die Bank war am 14. Juli 2020 behördlich geschlossen worden, weil eine Selbstanzeige von Ex-Bankchef Martin Pucher und Klikovits jahrelange Malversationen ans Licht brachte. Spareinlagen waren erfunden, Kredite fingiert und aus der Bank entnommenes Bargeld dürfte in Unternehmen und Puchers SV Mattersburg geflossen sein  – den Sportverein kostete die Causa in weiterer Folge sogar die Bundesliga-Lizenz.

Über die Jahre waren auch wiederholt kleinere Teilaspekte Verhandlungsthema, unter anderem eine 70.000 Euro schwere Schweigegeldzahlung durch Pucher und Klikovits an einen Mitarbeiter, der drohte, Auffälligkeiten im Kreditgeschäft publik zu machen.

Landesrat trat zurück

Politisch hatte die Causa einen Untersuchungsausschuss und den Rücktritt des damaligen Landesrats Christian Illedits (SPÖ) zur Folge. Letzterer hatte als Aufsichtsratspräsident der Fußballakademie Burgenland ein 100-Gramm-Goldblatt vom SV Mattersburg als Geburtstagsgeschenk angenommen. Das Verfahren gegen ihn endete mit einer Diversion.

COMMERZIALBANK MATTERSBURG U-AUSSCHUSS-SITZUNG: ÜBERSICHT

Die politische Aufarbeitung erfolgte im Untersuchungsausschuss.

Ebenfalls in den Blick der Justiz gerieten auch Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (SPÖ) und der Chef der Finanzmarktaufsicht (FMA), Helmut Ettl. Die ÖVP Burgenland zeigte die beiden wegen mutmaßlicher Falschaussage im U-Ausschuss an. Hintergrund waren Widersprüche  im Hinblick auf die Informationsflüsse vor der Schließung der Bank. Das Verfahren gegen Doskozil und Ettl wurde letztlich aber eingestellt.

Aktueller Stand

  • Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) ermittelt derzeit gegen 25 Beschuldigte, darunter 16 Personen und neun Verbände.  Der Verfahrenskomplex umfasst demnach mittlerweile 70 Aktenbände, was laut APA rund 35.000 Seiten entspreche.

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  • Gegenstand der Ermittlungen sind gewerbsmäßig schwerer Betrug, Untreue, Betrügerischer Krida, Bilanzfälschung, Geldwäscherei sowie diverse Korruptionsvorwürfe gegen die Verantwortlichen. Derzeit wird auf die gerichtliche Freigabe des sichergestellten Beweismaterials gewartet. 
     
  • Die Zahl der Beschuldigten ist von bis zu 57 Personen (2023) auf mittlerweile 25 zurückgegangen. Grund sind laufende Abschlüsse von Teilaspekten der Untersuchungen – sowohl durch Anklagen als auch durch Diversionen oder Einstellungen.
     
  • Die Gesamtschäden sind in jedem Fall enorm, es wird von rund 820 Millionen Euro ausgegangen.
     
  • Am 17. Juli wird der Prozess fortgesetzt, und gleichzeitig sollen die Verhandlungen an diesem Tag auch ihr Ende finden. Die Hauptangeklagten, Klikovits und Pucher, werden aber nicht mehr dabei sein. Die Ex-Bankvorständin fasste nach einem umfassenden Geständnis bereits im Februar eine Haftstrafe von sechs Jahren und vier Monaten aus.
     
  • Das Verfahren gegen Pucher wurde ausgeschieden, weil der Schwerkranke laut Gutachten nicht verhandlungsfähig ist. Neben dem Bank-Duo waren noch drei Unternehmer angeklagt, die ihre maroden Firmen mit Geld aus der Bank am Leben erhalten haben sollen. Einer davon wurde schon zu zwei Jahren und sechs Monaten Haft verurteilt. Für die anderen beiden soll es das Urteil beim letzten Prozesstermin im Juli geben. 
     

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