Rund um die Uhr im Einsatz für Rehkitz und Co.
Das Rehkitz steht schon vor dem Tor im Gehege. Es weiß, was jetzt kommt. Andrea Maranitsch öffnet die Tür und das Reh steht bei Fuß, es gibt Milch aus der Flasche. Seit zweieinhalb Monaten sind zwei Rehkitze am Gut Steinbach in Stegersbach einquartiert. Zuerst in der Küche des Hauses und jetzt in einem Freigehege, werden die beiden liebevoll aufgepäppelt.
Zu den Wildtieren kam Maranitsch durch Zufall. Eines der beiden lag länger als einen Tag verwaist am Wegrand. „Es war sehr schwach und konnte sich kaum bewegen. Das andere wurde von der Polizei im Nordburgenland aus einem Schacht gerettet und zu mir gebracht“, erzählt Maranitsch. Sie hat schon zahlreiche Erfahrungen mit der Aufzucht von Wildtieren gemacht. Gemeinsam mit Tierärzten aus der Region hat sie auch diese Herausforderung angenommen. „Am Anfang brauchen die Kitze alle zwei Stunden eine Flasche frische Ziegenmilch“, sagt die Tierfreundin.
Tierrettung
Mittlerweile sind beide fidel in ihrem Gehege unterwegs. Sie bekommen täglich frische Blätter. „Am liebsten haben sie Rosenknospen und Rosenblätter“, weiß Maranitsch. Aber auch Himbeerblätter und andere Delikatessen werden den beiden kredenzt. Ziel ist es, die Tiere wieder auszuwildern, wenn sie alt genug sind.
Ihre letzten Wild-Findelkinder konnte sie nicht mehr auswildern. 2016 hat sie drei Wildschweine, die nur wenige Tage alt waren, mit der Flasche aufgezogen. „Alle 20 Minuten brauchten die Kleinen etwas zu trinken“, schildert Maranitsch. Die Arbeit hat sich gelohnt, aus Lilly, Zilly und Willy sind mittlerweile stattliche 80-Kilogramm schwere Wildschweine geworden. „Die drei sind sehr schlau, durch das Aufziehen mit der Flasche, haben sie sich zu sehr an mich gewöhnt, deshalb leben sie hier bei uns im Wald“, sagt Maranitsch. Sitz, bei Fuß und Männchen machen können die Rüsseltiere auf Kommando. Ihr erstes gerettetes Wildtier war ein Turmfalke. „Den habe ich auch aufgepäppelt“, sagt Maranitsch, die ausgebildete Tiertherapeutin ist. Nebenbei hat sie die Jagdprüfung und die Falknereiausbildung absolviert, um sich um Greifvögel kümmern zu können. Derzeit betreut sie am Gut Steinbach einen Mäusebussard und eine Amsel in ihren Volieren. Ein Waldkauz wohnt fix bei ihr.
Therapie mit Tieren
Den Kauz setzt sie auch bei ihrer tiergestützten Therapie ein. „Viele Menschen haben panische Angst vor Vögel. Mit dem Kauz und auch meinem Therapiehahn habe ich schon mit vielen Klienten daran gearbeitet – mit Erfolg“, erklärt die Tiertherapeutin. Mit ihren zahmen Tieren ist sie auch in Schulen unterwegs. Aber auch am Gut Steinbach gibt es für Gruppen und Einzelpersonen Therapiestunden. „Viele Kinder haben am Anfang Angst vor den Tieren und nach einiger Zeit sind sie ganz narrisch nach ihnen“, sagt Maranitsch.
Auch sie selbst wollte schon immer viele Tiere haben, wie sie sagt. 2015 haben sie und ihr Mann das Anwesen in Stegersbach gekauft. „Es sollte ein Ferienhaus werden“, sagt Maranitsch. Mittlerweile wurde das Ferienhaus im Süden zum Vollzeitjob für Maranitsch. 70 Tiere, darunter Hunde, Enten, Gänse, Pferde, die drei Wildschweine und viele andere haben hier ein Zuhause gefunden. Neben der Therapie bietet sie die Räumlichkeiten auch für Seminare oder Feierlichkeiten an. Interessierte können gegen Voranmeldung (+43 699 11 79 79 91) die Tiere besichtigen. Für Firmen gibt es auch Pferdeseminare zum Teambuilding. „Wir haben einen sehr guten Trainer und bekommen immer positive Rückmeldungen von den Teilnehmern“, sagt Maranitsch.
Ein Ziel der Tierfreundin ist es, eine offizielle Auffangstation für Wildtiere im Südburgenland am Gut Steinbach zu etablieren. „Wir haben genügend Flächen und das Know-how dafür“, sagt Maranitsch. Eine Entscheidung vom Land gibt es dazu noch nicht. „Wir könnten uns um alle Findlinge kümmern, sie betreuen und wenn es geht, wieder entlassen“, erklärt Maranitsch.
Ihre zwei Rehe werden noch eine Weile bei ihr bleiben. „Wenn sie stark genug sind, werden wir das Gehege öffnen und sie in die Freiheit entlassen“, sagt Maranitsch.
Was tun, wenn man ein verwaistes Wildtier findet?
Vor allem im Frühling werden oft verwaiste Wildtierbabys gefunden. Doch nicht alle brauchen Hilfe. Werden sie berührt, bedeutet das oft das Todesurteil für das junge Wild, da sie von den Eltern verstoßen werden.
Grundsätzlich gilt bei gefundenen Wildtieren zu unterscheiden, ob sie dem Jagdrecht unterliegen oder nicht. Hase, Reh und Wildschwein gehören dazu, ein Igel allerdings nicht. Im Jagdrecht ist geregelt, dass sich nur Jagdausübungsberechtigte Wildtiere aneignen dürfen. Deshalb ist beim Auffinden von verletzten Rehen oder Hasen immer ein Jäger zu kontaktieren und dann kann das weitere Vorgehen abgestimmt werden. Wird ein Hase oder Rehkitz unerlaubt mitgenommen, fällt dies unter Wilderei.
Nicht berühren
„Ich appelliere an jeden Naturfreund, Jungtiere nicht anzufassen. Die Elterntiere sind oft nicht weit entfernt und nehmen ihre Jungtiere nach einem menschlichen Kontakt oftmals nicht mehr an“, erklärt Burgenlands Landesjägermeister Roman Leitner.
Grundsätzlich gilt: Findet man verwaiste oder vermeintlich kranke Hasen oder Rehe, sollten sie nur aus der Ferne beobachtet werden. Erst wenn sie nach einigen Stunden noch dort zu finden sind, sollte man den zuständigen Jäger kontaktieren, heißt es vom Jagdverband.
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