Die Telefonzelle. Einst waren sie Zeichen des Fortschritts, heute sind Münzsprechanlagen ein Relikt früherer Zeiten. Nach und nach werden sie abgebaut, wie derzeit im Südburgenland – oder sie erfüllen neue Aufgaben
Die Münzen sind gefallen: In Jennersdorf wurden dieser Tage zwei der öffentlichen Telefonzellen abgebaut. Dass die Münzsprechanlagen verschwinden, dafür hat Bürgermeister Reinhard Deutsch aber Verständnis: „Ich weiß ja, dass die Telefonzellen in den vergangenen Jahren kaum noch genutzt wurden“, sagt Deutsch.
Während die meisten noch vor zwei, drei Jahrzehnten eine „Telefonmünze“ bei sich hatten, um im Notfall telefonieren zu können, so gelten die „Hütterl“ im Zeitalter des Smartphones als ein Relikt aus früheren Zeiten. Es ist vor allem die ältere Generation, die mit den „öffentlichen Sprechstellen“, wie sie im Beamtendeutsch genannt wurden, emotionale Erinnerungen verbindet.
Dort hatte man sich als Kind beim Spielen versteckt, als Jugendliche mit der besten Freundin telefoniert, oder die Eltern angerufen, wenn der Schulbus einem vor der Nase davongefahren ist. Gastarbeiter hatten die Möglichkeit, mit ihren Familien Kontakt zu halten. Auch Rendezvous wurden dort mangels alternativer Datingplattformen ausgemacht.
Warum gibt es nur noch wenige Telefonzellen?
Eine „flächendeckende Versorgung mit öffentlichen Sprechstellen“ war sicherzustellen, dazu wurden die „Erbringer des Universaldienstes“ vom Gesetzgeber her auch verpflichtet. Pro etwa 1.000 Einwohner war eine Telefonzelle vorgeschrieben.
Die Vorgaben haben sich geändert, wie A1-Unternehmenssprecherin Livia Dandrea-Böhm erklärt: „Mit dem neuen Telekommunikationsgesetz) (TKG) ist Ende 2021 auch die Universaldienstverordnung gefallen. Damit fällt die gesetzliche Verpflichtung für Telefonzellen weg.“
Etwa 11.000 der viereckigen Hütterl hatte es Ende 2021 noch in Österreich gegeben, aktuell sind es 7.762 Stück – und sie werden immer weniger. Das ist dem Umstand geschuldet, dass „der Bedarf im Laufe der Jahre aufgrund der hohen Mobilfunkdichte immer stärker zurückgegangen ist“, so Dandrea-Böhm. Dennoch würden man nach wie vor in jeder der (insgesamt 2.059) Gemeinden bundesweit zumindest eine Telefonzelle finden.
„Die Standorte sind oft historisch gewachsen und werden laufend dem Bedarf entsprechend angepasst, wie etwa im Zuge von Ortsumgestaltungen“, so Dandrea-Böhm. Heute findet man Telefonzellen vor allem an Orten öffentlichen Interesses und neuralgischen Punkten wie etwa an Bahnhöfen oder Fußgängerzonen. Die Nutzer sind hauptsächlich Jugendliche, Handybesitzer mit leerem Akku, Menschen mit geringem Einkommen und Touristen.
Was heute als altmodisch gilt, war früher ein Zeichen der Modernisierung: Zu Beginn des 20. Jahrhunderts bewilligte die k. k. Post die ersten „Telephonautomaten“ nach einem Patent des Ingenieurs Robert Bruno Jentzsch. Der erste Münzfernsprecher ging 1903 am Wiener Südbahnhof in Betrieb. Gegen Einwurf von 20-Heller-Stücken waren damit lokale Telefongespräche möglich.
Gebaut wurden die Telefonzellen, die in ganz Österreich zu finden waren, auch im südburgenländischen Pinkafeld (siehe Zusatzbericht).
Auch wenn die „Hütterl“ aus der Zeit gefallen zu sein scheinen, sind sie dennoch mancherorts gefragter denn je – und können Leben retten: In Wien gibt es schon zehn A1 Telefonzellen mit eingebauten Laien-Defibrillatoren. Genutzt werden sie zuweilen auch als Bücherzellen (wie auch im Freibad Jennersdorf) oder als Kunst- und Kulturobjekte. Telefonzellen können auch ganz modern sein: Nämlich dann, wenn sie als Tankstellen für Elektrofahrzeuge fungieren.
Am 17. August 1903 ging am Wiener Südbahnhof der erste Münzfernsprecher Österreichs in Betrieb. Ab 1907 durften Telefonautomaten auch in Kaffeehäusern aufgestellt und ab 1909 in Kiosken auf der Straße errichtet werden
30.00 Stück Telefonzellen gab es einst in Österreich, heute sind es nur noch rund 7.700
Telefonzellen aus Pinkafeld
Mit der Telefonzelle gelang der Firma Nikitscher Metallwaren in ihren Anfängen in den 1950er-Jahren der Durchbruch. Damals hatte das Werk seinen Sitz in St. Michael (Güssing). Heute findet man die Telefonzellen selten, die Firma Nikitscher mit Standort in Pinkafeld (Bezirk Oberwart) hat den Erfolgskurs beibehalten.
Aus einer Firma mit anfangs fünf Mitarbeitern ist ein Betrieb mit 300 Mitarbeitenden sowie zehn Lehrlingen und einem Umsatz von 25 bis 30 Millionen Euro geworden.
„Big Player“Wirtschaftslandesrat Leonhard Schneemann (SPÖ) zeigte sich bei einem Besuch des Betriebes dieser Tage beeindruckt: „Nikitscher Metallwaren hat sich einen Namen gemacht und zählt heute zu den Big Playern bei Blechbearbeitung, Pulverbeschichtung und Feuerverzinkung“, erklärt Schneemann.
Mehr als sieben Jahrzehnte nach der Firmengründung im Jahr 1950 durch Josef und Anna Nikitscher führt Sascha Nikitscher in dritter Generation das Unternehmen mit Sitz in Pinkafeld.
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