Mehr als ein Teamchef: Was Rangnick beim ÖFB anpacken könnte
Ralf Rangnick bleibt beim ÖFB – nicht nur bis zum Ende der Europameisterschaft, sondern darüber hinaus. So viel ist seit Donnerstag klar. Der Jubel ist groß, die Reaktionen emotional. „Bauch an Hirn: Bist deppert?“, kommentierte etwa die Süddeutsche Zeitung die Gefühlsentscheidung des Teamchefs.
Klar, dass man im Hause ÖFB auch gleich versucht, die Gunst der Stunde zu nutzen. Präsident Klaus Mitterdorfer etwa sprach noch am Donnerstag gegenüber Sky davon, dass man schon in den nächsten Tagen Gespräche mit Ralf Rangnick in Sachen Vertragsverlängerung führen werde.
Der 65-Jährige soll ein neues Arbeitspapier unterzeichnen. Sein aktuelles jedenfalls läuft bis zum Ende des Jahres 2025 – also bis zum Ende der Qualifikation für die WM in Nord- und Mittelamerika im Jahr darauf und verlängert sich automatisch bis nach dem Turnier, sofern man dabei ist.
Mitterdorfer hat allerdings dabei allerdings nicht nur von einem neuen, längeren Vertrag gesprochen, sondern auch von einer bevorstehenden Kompetenzerweiterung des Teamchefs. „Wir haben ihm signalisiert, dass die Gestaltungsmöglichkeiten, die er bei uns in den unterschiedlichsten Bereichen hat, noch intensiver haben wird“, berichtete der Kärntner und sprach von Themen wie etwa den Nachwuchsnationalteams oder der Trainerentwicklung.
Der oberste Funktionär stellt dem wichtigsten sportlichen Entscheidungsträger also neue Kompetenzen in Aussicht – so weit, so gewöhnlich. Wenn da nicht die Strukturen des ÖFB wären, durch die die ganze Angelegenheit einen Haken bekommt. Denn weder über den Vertrag des Teamchefs, noch über besagtes Durchgriffsrecht kann Mitterdorfer im größten Sportverband des Landes alleine entscheiden. Es braucht dazu einen Präsidiumsbeschluss und in diesem Gremium ist Mitterdorfer selbst nur einer von 13 Stimmberechtigten.
KURIER-Informationen zufolge war der Vorstoß des Präsidenten allerdings nicht akkordiert mit seinen Funktionärskollegen. Fakt ist, dass jene Herren bei wichtigen Entscheidungen aber zumindest „mitgenommen“, also vorab und nicht via Medien informiert werden wollen.
Mitterdorfer, dem es in seinem ersten Jahr als Präsident gelungen ist, Ruhe ins zuvor zerstrittene Präsidium zu bringen, will aufs Gas drücken und den neuen Schwung nützen – und zugleich nicht mehr allzu viel Rücksicht nehmen auf die traditionell langsam mahlenden Mühlen im ÖFB. Und sicher weiß er auch: Nichts könnte dabei hilfreicher sein als eine erfolgreiche Europameisterschaft. Ein für viele längst fälliger Neustart bei den Nachwuchsnationalteams noch vor der EURO ist allerdings ausgeschlossen.
Und so ist es von Vorteil, dass sich in den nächsten Wochen alles und jeder, der in der Verantwortung steht, auf die EM konzentrieren kann. Für die Zeit danach gibt es aber in der Tat einiges zu tun. Und man kann davon ausgehen, dass sich Rangnick nach einer potenziell erfolgreichen EURO noch lauter zu Wort melden wird, als bisher.
Auch bei Themen, die er nicht direkt beeinflussen wird können, wie etwa dem Ligaformat, das er bereits vor einem Jahr im Interview mit dem KURIER kritisiert hat. Rangnick ist Befürworter einer Aufstockung der Bundesliga auf 14 oder 16 Klubs, um mehr Spielwiesen für Talente zu haben. Und weil 2026 der TV-Vertrag mit Sky ausläuft, kommt das Thema ohnehin bald auf den Tisch.
Mehr Einfluss wird Rangnick auf die Trainerausbildung im ÖFB haben, die dem Förderer junger Trainer ein besonderes Anliegen ist. Inhaltlich hat Rangnick die Ausbildung bereits gelobt. Heiß diskutiert werden seit Jahren aber die Aufnahmekriterien.
Zuletzt war ein Rückgang bei den Anmeldungen zu vernehmen, was zur Folge hatte, dass es ein Bewerber in den Kurs geschafft hat, obwohl er bei einer taktischen Aufgabenstellung am Aufnahmetag eine Themenverfehlung abgegeben hat. Niemand weiß besser als Ralf Rangnick, dass es für die Entwicklung von guten Fußballern entsprechenden Trainer-Nachwuchs braucht.
Für Unterhaltung mit dem Teamchef ist in den nächsten Jahren jedenfalls gesorgt.
Kommentare