Länder verschärfen Corona-Regeln, Wien fordert einheitliche Linie
Einen unerfreulichen Rekord brachte der gestrige Samstag mit sich: In ganz Österreich wurden 6.102 neue Corona-Infektionen registriert. Das ist der höchste Wert seit fast einem Jahr, als am 21. November 2020 mehr als 6.500 neue positive Fälle gemeldet wurden.
Das beunruhigt die politisch Verantwortlichen: Die Reaktion sind weitere Regel-Verschärfungen – und eine neue Runde im Match Wien versus Bund.
Die meisten positiven Tests kamen am Samstag mit 1.892 in Oberösterreich dazu, ebenfalls vierstellig liegt Niederösterreich mit 1.076 Ansteckungen. Diese Zahlen veranlassen nun die niederösterreichische Landesregierung dazu, die Corona-Maßnahmen zu verschärfen.
Verschiebung von OPs droht
Ab dem 8. November ist für die Nachtgastronomie und bei Großevents ab 500 Personen eine 2-G-Pflicht vorgesehen. Die Bereiche können ab diesem Zeitpunkt also nur geimpft oder genesen betreten werden. Weiters kommt eine FFP2-Maskenpflicht im gesamten Handel, in Museen und in Bibliotheken hinzu.
Für manche Bereiche könne man nicht mehr ausschließen, dass „in absehbarer Zeit Routine-OPs verschoben werden müssen“, begründete Landesvize Stephan Pernkopf (ÖVP) diesen Schritt.
Seine Parteikollegin Martina Rüscher in Vorarlberg will Anfang der Woche entscheiden: Da werde die Lage hinsichtlich neuer Verschärfungen beurteilt, sagte die Gesundheitslandesrätin dem ORF. Denkbar seien etwa Verschärfungen in der Nachtgastronomie.
Sieben strengere Länder
Stand Samstag setzten damit sieben Bundesländer auf strengere Vorschriften, als sie der Bund vorgibt. Rechtlich ist das zulässig: Die Regeln, die die Bundesregierung und ihr Stufenplan vorgeben, sind sozusagen der Mindeststandard.
Jedes einzelne Bundesland darf aber für sich strengere Maßnahmen beschließen. Das Resultat: Den Durchblick zu bewahren, wird immer schwieriger.
Im Wiener Rathaus sieht man diese Entwicklung sehr kritisch: Österreich werde immer weiter zu einem „Fleckerlteppich von unterschiedlichen Regelungen“, heißt es aus dem Büro von Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ).
Er fordert die türkis-grüne Bundesregierung auf, „klare, bundeseinheitliche Regelungen“ festzuschreiben, wie sie Wien seit Pandemiebeginn verlangt habe.
„Wir brauchen eine klare Linie und eine deutliche, einfach verständliche Kommunikation. Wenn wir warten, bis die Spitäler überlastet und die Intensivbetten belegt sind, dann ist es viel zu spät“, so Ludwig.
„Eindeutige“ Prognosen
Der Stadtchef sieht sich durch die Verschärfungen in den anderen Bundesländern in seinem strengen Corona-Kurs bestätigt. In Wien gilt ja bereits seit Anfang Oktober im gesamten Handel eine FFP2-Maskenpflicht und 2-G in der Nachgastronomie – an der Notwendigkeit war damals durchaus gezweifelt worden.
„Wien wird den Weg der Sicherheit im Interesse der Gesundheit der Bevölkerung weitergehen“, sagt Ludwig. Soll wohl heißen: Der Bund ist zu sanft, es hätte von dieser Seite bereits früher mehr Schutz für die Bevölkerung gebraucht.
Diese Sichtweise teilt dem Vernehmen sogar der eine oder andere ÖVP-Landeschef. Hermann Schützenhöfer, Landeshauptmann in der Steiermark, und sein Amtskollege Günther Platter in Tirol sollen das etwa so durchklingen lassen haben.
Ausruhen will man sich in der Bundeshauptstadt dennoch nicht. Ein weiterer Anstieg der Infektionszahlen sei – auch in Wien – zu erwarten, sagt Ludwig. Die Prognosen seien eindeutig. Was dagegen helfe? Entsprechende Schutzmaßnahmen und eine hohe Impfquote.
Mückstein gegen Kickl
Letztere sieht der grüne Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein durch das Agieren der FPÖ in Gefahr. Zuletzt hatte Parteichef Herbert Kickl erneut auf die Wirksamkeit von Medikamenten und Spurenelementen gegen Corona hingewiesen.
Es sei definitiv „brandgefährlich“ zu glauben, dass auch Spurenelemente helfen, sagte Mückstein im Ö1-Journal am Samstag. Ob dieser und anderer Aussagen, der steigenden Infektionszahlen und der stagnierenden Impfraten will der Minister nun das Gespräch mit Kickl suchen.
Dieser reagierte prompt darauf: Kickl ließ per Aussendung wissen, dass er an einem Gespräch mit dem grünen Gesundheitsminister interessiert sei – wenn auch aus anderen Motiven.
Kickl hält die angekündigte 2,5-G-Regel am Arbeitsplatz und den damit verbundenen „Psycho-Terror gegen Hunderttausende Menschen“ für brandgefährlich. Dies wolle er Mückstein erklären.