"Es ging um sexuelle Freiheit"

Autor Robert Schindel
Vor 50 Jahren lehnte sich die kritische Jugend gegen das Establishment auf.

Als einschneidend hat der heute 73-jährige Schriftsteller Robert Schindel die Phase erlebt. "Damals habe ich geglaubt, dass ich mit Literatur etwas bewegen kann, was natürlich nicht stimmt. Aber die Zeit hat mir wunderbaren Stoff für meine Texte geliefert", erinnert sich Schindel sich und schmunzelt.

"Ich war ja damals mit 23 schon etwas älter als die andren, hatte gerade zu studieren begonnen", erinnert er sich. Der Sohn jüdischer Kommunisten hatte, wie viele damals, das Gefühl, dass sich alles nur noch um Geld und Wohlstand dreht. Empfand die gesellschaftliche Ordnung als einengend, kritisierte das "Establishment". "Einerseits ist es uns um die persönliche, vor allem die sexuelle Freiheit gegangen", erzählt Schindel. Wenn die Medien das auch ärger dargestellt hätten, als es wirklich gewesen sei. Andererseits um Kritik am amerikanischen Imperialismus und Solidarität mit Unterdrückten. "Mit den Arbeitern ist das gescheitert. Aber wir haben damals eine neue Form des Protestes gefunden, die Spazier–Demonstrationen gegen das US-Auftreten in Vietnam", sagt er.

Den Namen "Kommune Wien" hätte die Gruppe angenommen, weil sie von Zeitungen als "kommunardisch"" beschriebene wurde. "Obwohl wir nie eine Wohngemeinschaft waren", betont er. Getroffen habe man sich in Ausschüssen, seltener in Kaffeehäusern.

"Mit der unangemeldeten Aktion in der Aula der Uni Wien, dem ,love in’ , haben uns die Künstler damals überrumpelt und in eine Presse-Kampagne hineingezogen, der wir nicht gewachsen waren", sagt Schindel.

Ob die heutige Jugend zu sanft und geduldig sei, wird er manchmal gefragt. "Das ist ein Irrtum, der in jeder Generation passiert. Die Alten idealisieren ihre eigenen Aktivitäten und werfen den Jungen vor, nichts zustande zu bringen." Doch die Zeit in seiner Jugend war im Umbruch, hätte sich für ihre Aktionen angeboten. "Wer heute in diesem Alter ist, weiß nicht, wie er sich orientieren soll, wo sich die Gesellschaft hin entwickelt und er ansetzen soll. Das ändert sich aber", betont er. Jede Generation habe ihre Sprache – und die sei heute eine ganz andere.

Der Alarm riss den 20-jährigen Präsenzdiener Erich Hiemetsberger und seine Kameraden an jenem 21. August 1968 gegen 3 Uhr Früh aus den Betten. In der Kaserne Allentsteig in Niederösterreich musste das Marschgepäck im Höchsttempo gepackt werden. "Als wir jeder sieben volle Magazine mit 120 scharfen Patronen ausgefasst haben, war klar, dass es ernst ist", erinnert sich Hiemetsberger.

Den für das österreichische Heer völlig überraschenden Überfall des Warschauer Pakts auf die CSSR, die sich mit dem Prager Frühling zu weit vom Bündnis distanziert hatte, wird der heute 69-jährige Hiemetsberger nie vergessen. Russische Panzer seien da die Grenze entlang gerattert, fremde Flugzeuge waren zu vernehmen, wurde ihm erzählt. Sonst harte Burschen begann in der Kaserne zu weinen. Kontakt mit den fremden Truppen hatten Hiemetsberger und seine Kameraden der Artillerie-Einheiten aber nicht. "Meistens in der Nacht sind Lkw-Züge mit Munition gekommen. Die mussten wir außerhalb der Kaserne abladen und streng bewachen", erinnert er sich. Wegen der Krise durfte er die Kaserne etliche Wochen nicht verlassen und auch der Wehrdienst wurde verlängert.

Keine Flower Power

Lange Haare, Flower Power oder Demos waren für den jungen Lkw-Chauffeur generell nie ein Thema. Der Waldviertler war schon vor dem Grundwehrdienst weger der Job-Chancen ins Mostviertel gezogen und siedelte sich in St. Georgen am Ybbsfelde an. Als 1982 die Ostarrichi-Kaserne in Amstetten eröffnete, kehrte Hiemetsberger zurück zum Heer. Allerdings als Zivilbeamter in der Gebäudeverwaltung. Sein Fazit zu den 68er-Erlebnissen: "Das zeigt, wie wertvoll es ist, in einem friedvollen Land zu leben ".

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