Wiehag: "Think big" im Innviertel

Crossrail Station in London: Wiehag hat aufsehenerregende Projekte verwirklicht.
Spektakuläre Holz-Dachkonstruktionen berühmter Architekten, made in Oberösterreich.

Erich Wiesner errichtet gigantische Holzkonstruktionen mit weltberühmten Architekten wie Norman Foster – unter anderem in London. Doch hierzulande hat sich noch nicht wirklich herumgesprochen, dass seine Firma Wiehag im idyllischen Innviertel nahe der deutschen Grenze Weltruf besitzt. Entwickelt hat sie sich aus der Möbelfirma Wiesner & Hager. Diese wurde 1990 geteilt – Erich Wiesner führt nun die Holzkonstruktionsfirma Wiehag, sein Cousin betreibt das Möbelgeschäft.

Allerhöchste Präzision

Wiehag: "Think big" im Innviertel
Eine U-Bahn-Station der Firma WIEHAG in London
Wiehag hat aufsehenerregende Projekte verwirklicht: zum Beispiel eine U-Bahnstation im Londoner Finanzzentrum (Canary Wharf Crossrail Station) mit spektakulärer 14.000 Quadratmeter großer Dachfläche, die teils als Park gestaltet ist. In Schottland wird gerade eine Destillerie gebaut, deren Kessel unter einer unregelmäßig geschwungenen, begrünten Dachkonstruktion verschwinden. Was so natürlich aussieht, verlangt nach allerhöchster Präzision. In Israel wurde ein Einkaufszentrum gebaut, in Frankfurt eine Messehalle mit rekordverdächtigem Holztragwerk. Wiehag hat auch Großaufträge wie Tesco-Märkte und neuerdings Lidl, die nach Großbritannien expandieren.
Wiehag: "Think big" im Innviertel
WIEHAG, Macallan Destillerie, honorarfrei
Zur Jahrtausendwende nahm Erich Wiesner volles Risiko auf sich: Satte 20 Millionen Euro investierte er in ein brandneues Werk mit gefinkelter Technologie. Die am Computer entwickelte Zeichnung wird von Maschinen direkt ins Holz gefräst. Davor wird das (österreichische) Fichtenholz zur Prüfung sogar geröntgt. Je nach Festigkeit werden die Holz-Lamellen unterschiedlich verleimt. Bis zu 50 Meter lange Träger werden so zusammengefügt.

Durchbruch mit U-Bahn

Wiehag steht für Holzkon-struktionen mit bis dato ungeahnter Spannweite. Die 2011 errichtete Londoner U-Bahn-Station hat weltweit Aufsehen erregt. Damit kam der Durchbruch. Über Auftragsmangel kann man sich seither nicht beklagen.

Davor musste man aber (nicht nur) den Engländern aufwendig die Vorteile von Holz erklären. Da geht es nicht nur um "green building". Überraschenderweise hat Holz sogar im Brandfall Vorteile gegenüber einem Stahlbau. Denn ab einer gewissen Hitze verliert ein Stahlbau seine Festigkeit. Holz brennt zwar, aber der "Brandwiderstand" des Gebäudes ist höher. Und der Preis? "Sobald Stahl mit einem Brandschutzanstrich versehen wird, ist er teurer als Holz", sagt der Unternehmer.

Wiehag: "Think big" im Innviertel
Wiehag, Erich Wiesner, honorarfrei
Doch der Anfang war hart: "Ich hatte das Gefühl, dass mir das Wasser bis zum Hals steht", gesteht Wiesner im KURIER-Gespräch. Denn die Preise für simples Brettschichtholz begannen nach der großen Investition zu sinken.

Schnell war klar, dass sich die Firma nicht nur hoch spezialisieren, sondern auch außerhalb von Deutschland und Österreich um neue Märkte umschauen musste. Die Vorbereitung umfasste sogar intensives Sprachtraining für die Mitarbeiter: "Wir können Projekte in Englisch, Italienisch und Spanisch abwickeln", sagt Wiesner stolz. Er produziert auch heute noch alles in Altheim. Die (oft riesigen) Teile werden per Lkw und Schiff in die Welt geschickt.

Österreichischen Politikern werden die Wiehag-Projekte im Ausland gerne vorgeführt, um zu zeigen, was man aus Holz alles bauen kann. Und umgekehrt? Der österreichische Markt "hat noch Potenzial", sagt Wiesner. Es tue ihm leid, dass weder bei den neuen Bahnhöfen noch am architektonisch interessanten WU-Gelände Holzkonstruktionen vorgesehen waren. Wiesner ist kein Mann der rauen Töne. Ansonsten könnte er noch viel deutlicher kritisieren, dass man ausgerechnet im Holzland Österreich noch so wenig auf dieses Naturmaterial – und nur selten auf herausragende, internationale Architektur – achtet. Aber vielleicht liegt es daran, dass Trends meist erst mit Verspätung in Österreich aufschlagen. Dennoch sind viele heimische Bauten mit Wiehag-Holzkonstruktionen (Messezentrum Wels, Eissportzentrum Wien, Salzburg Arena) bereits gut "bedacht". Und in Asten (OÖ) baut Coop Himmelb(l)au gerade ein "Haus des Brotes" – Museum für den Chef der Firma Backaldrin.

Mitarbeiter gesucht

Arbeitslosigkeit gibt es im Innviertel so gut wie keine, dafür zahlreiche Leitbetriebe wie KTM, Amag, FACC, Team 7. Facharbeiter und Meister mit handwerklichem Geschick im konstruktiven Holzbau, HTL-, FH- und TU-Absolventen werden von der Wiehag gesucht. "Wir haben 20 Lehrlinge, würden weitere acht bis zehn nehmen – und tun allerhand, um die Leute zu halten", sagt Wiesners Ehefrau Elisabeth, die in der Firma fürs Personalwesen zuständig ist. Und sie fügt hinzu: "Oft sind wir schon froh, wenn sie wenigstens quadratrechnen können." Mittlerweile sucht sie in der Slowakei, Ungarn und Tschechien nach Mitarbeitern. Einen syrischen Lehrling gibt es auch. Die Zusammenarbeit klappt gut, er hatte davor aber schon Matura.

Und was sagt ein stark in Großbritannien verankerter Unternehmer zum Brexit? Einige Bauinvestitionen würden sich jetzt wohl verzögern, meint Wiesner. Seine Projekte seien davon eher nicht betroffen. Sein (unausgesprochenes) Motto: "Think big" ist jedenfalls aufgegangen.

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Teil 2: Wiehag: "Think big" im Innviertel

Teil 3: Röntgenstrah­len trennen edle und andere Metalle

Die Holzkonstruktionsfirma Wiehag in Altheim hat 350 Mitarbeiter und eine Exportquote von über 70 Prozent. Umsatz: rund 70 Millionen Euro. Alle Teile für die teils von weltberühmten Architekten entworfenen Dachkonstruktionen werden in Altheim hergestellt. Grundmaterial ist Fichtenholz. Die Firma hat sich aus dem 1849 gegründeten und in fünfter Generation von der Familie geführten Unternehmen Wiesner-Hager entwickelt.
Erich Wiesner hat zur Jahrtausendwende in eine neue, Fertigungshalle investiert und wagte den Sprung über Österreich und Deutschland hinaus.

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