Zum Leben zwischengenutzt

Zum Leben zwischengenutzt
Die Gründerinnen von „Paradocks“ hauchen leer stehenden Gebäuden wieder Leben ein

Unweit von der Landstraße im dritten Bezirk in Wien, inmitten von prunkvollem Altbau und moderner Architektur steht in der Marxergasse 24/2 ein schnörkelloser Betonblock aus den 70ern. Ein Bürohaus war es früher, eines Tages sollte es nicht mehr als solches genutzt werden. Dann stand es leer. Bis im vergangenen März Margot Deerenberg (32), Veronika Kovacsova (30) und Leonie Spitzer (29) kamen, um ihm mit ihrer Geschäftsidee sukzessive wieder Leben einzuhauchen.

Die drei Freundinnen gründeten „Paradocks“, einen Thinktank zum Thema Zwischennutzung und Leerstand. Mit dem Wissen aus ihren Studien in Kunst, Architektur, Soziologie und Humangeografie, Erfahrungen aus bereits verwirklichten Projekten und dem Drang, sich sozial zu engagieren, entstand ihr Pilot-Projekt, „Das Packhaus“. Das Konzept: Paradocks nutzt leer Stehendes und hält es instand, gleichzeitig wird Selbstständigen, Start-ups und Studierenden günstiger Raum für Arbeit und Freizeit geboten. „Wir wollen damit eine Mini-Ökonomie schaffen“, erklärt Deerenberg. Sie reichten Ihre Idee bei der MA-18 ein und pitchten um das Haus, das von Conwert bis voraussichtlich Ende 2015 zur Zwischennutzung zur Verfügung gestellt wird – sie gewannen. Heute werden auf den 2200 des Hauses 60 Räume und zwei Co-Working Spaces von 250 Personen genutzt.

Der Ruf nach Belebung

Ursprünglich wollten die „urban Entrepreneurs“, wie sie sich nennen, nur zwei Stockwerke des Hauses nutzen. Doch der Zuschlag kam für das gesamte Bürogebäude. Als sie im März ihren ersten „Call for Projects“ starteten, hatten sie Sorge, das Haus nicht voll zukriegen. Diese verpuffte schnell. Sie bekamen drei Mal so viele Bewerbungen , wie sie verfügbare Räume hatten – heute sind sie voll.
Die Nutzer des Hauses dürfen ihren Raum individuell einrichten und gestalten. Sie bezahlen lediglich anteilige Betriebskosten, Gas, Strom und Internet, was zusammen zwischen 7,5 und 10 Euro pro liegt. An diesen Beiträgen verdienen die drei Gründerinnen aber kaum. „Man kann die Summe nicht ignorieren, aber sie ist nicht so groß, dass wir drei von ihr leben könnten“, erklärt Deerenberg.
Damit Paradocks funktionieren kann, braucht es Förderungen (wie etwa aktuell von der Stadt Wien), Bekanntheit durch Festivals und Start-up-Initiativen (wie etwa die „Vienna Design Week“ oder „Gründen in Wien “ im Oktober) und Wettbewerbe. Erst vergangene Woche sahnten sie 7000 Euro und den ersten Preis beim „City Hype“ ab, einem Wettbewerb des Kreativzentrums „departure“, bei dem es um kluge Lösungen für das städtische Leben geht.

Das Kreative im Blut

Die Freundinnen, die sich von ihren Auslandsstudien kennen, leben von ihrer Kreativität. Deerenberg arbeitet mittlerweile hauptberuflich an Paradocks, Kovacsova ist vier Tage die Woche in einem Architektenbüro tätig und Spitzer ist die Hälfte der Woche selbstständige Innenarchitektin. Sobald sie zusammen am Packhaus arbeiten, „machen alle alles“, erzählt sie. Ihre Rollen sind dabei unterschiedlich – mal sind sie Maklerin, dann Projektmanagerin, oft Hausverwalterin – eine Chefin gibt es nicht. Im Erdgeschoß des Hauses lassen sie ihren eigenen Ideen freien Lauf, eröffneten kürzlich eine Kaffeeküche, entwickeln Shop-Konzepte und veranstalten Workshops zum Thema Zwischennutzung – das Potenzial des Packhauses und des Themas ist groß.

1. Wenn man gründet, ist Kommunikation sehr wichtig. Kommuniziert nach außen, was ihr macht. Wenn ihr nur alleine an eurer Sache arbeitet, wird sie nie ins Rollen kommen. Sprecht unbedingt mit anderen über eure Ideen und habt keine Angst vor Kritik. Nur dann kann Innovation entstehen.

2. Versucht, Arbeit und Freizeit auseinanderzuhalten. Klar muss die Arbeit Spaß machen, aber sie muss auch mal echter Freizeit weichen. Es braucht Grenzen und eine gute Planung, sonst macht einen auch das schönste Projekt irgendwann kaputt. Wir planen unsere Freizeit zum Beispiel – wie Termine – im Kalender. Auch wichtig als Selbstständiger: Wissen, was man geschafft hat. Ein cooles Programm dafür ist Harvest. Damit hat man am Ende des Tages das Gefühl, echt viel erledigt zu haben – das ist wichtig für den Kopf.

3. Habt Spaß. Ohne Spaß hätten wir nichts geschafft– und wir werden auch in Zukunft ohne Spaß nichts schaffen. Gute Stimmung macht positiv und produktiv.

4. Wagt das Risiko. Man darf keine Angst vor der eigenen Unternehmung haben. Man muss einfach tun, nicht zu lange nachdenken und nicht zu viel analysieren. Wir wussten Anfangs auch nicht, ob das Haus voll wird, überhaupt als Idee gut ankommt. Aus Angst darf man nicht nichts tun. Und: Sucht euch Freunde, die Anwalt, Steuerberater oder Buchhalter sind (alle lachen).

5. Versucht, unabhängig zu arbeiten. Schafft euch eine Basis, die euch erlaubt, nicht auf andere angewiesen zu sein.

Kommentare