Elf Gründe für ein Turnier mit Pleiten, Pech und Pannen

Nach dem Schlusspfiff gab es viele hängende Köpfe.
Drei Spiele, ein Tor, ein Punkt: Mit einer Bilanz wie bei der Heim-EM 2008 verabschiedete sich Österreich aus Frankreich. Nach einem enttäuschenden Turnier ist Ursachenforschung angebracht.

Österreichs Fußballteam tritt nach der 1:2-Niederlage gegen Island in St-Denis heute als Letzter der Gruppe F die Heimreise von der EURO 2016 an. Trotz aller Emotion gilt es, die vielfältigen Ursachen für das schnelle K.o. nüchtern zu analysieren. Der KURIER nennt elf Gründe für das Ende des österreichischen Traums.

Erwartungshaltung

Die fast perfekte Qualifikation hat in der Öffentlichkeit für sehr hohe Erwartungen gesorgt. Nicht auszuschließen, dass das bis in die Köpfe der Spieler eingedrungen ist. Dass die Vorrunde überstanden wird, wurde beinahe vorausgesetzt. Schnell wurde die Frage gestellt, ob denn Österreich gar Europameister werden könne. Weit gefehlt.

Taktische Flexibilität

Gegen Ungarn waren Österreichs Spieler nicht in der Lage, auf einen taktischen Schachzug des Gegners zu reagieren, obwohl dieser diesen bereits im letzten Testspiel gegen die Deutschen praktiziert hatte: Die Ungarn stellten Österreich vom Abstoß weg mit zwei Stürmern zu und verhinderten so den gewohnt gepflegten Spielaufbau von Dragovic und Hinteregger. Robert Almer musste infolgedessen hoch und weit abschlagen. Die ersten und zweiten Bälle landeten vorwiegend bei den Ungarn. Da hätte mit Baumgartlinger oder Alaba ein Sechser für Überzahl im Spielaufbau sorgen müssen.

Spiel in Ballbesitz

Während die Defensivarbeit zumindest gegen Portugal und Island funktionierte, agierten die Österreicher in allen Partien in Ballbesitz zu unpräzise. Schon gegen die Ungarn gelang kaum ein sauberes Kombinationsspiel. Gegen Portugal konnte man nicht für Entlastung sorgen, weil es nach tollen Balleroberungen von Ilsanker und Baumgartlinger schnell wieder Ballverluste gab. Erst gestern gegen Island war eine Steigerung erkennbar.

Verletzungspech

Dass Marc Janko, in der Qualifikation mit sieben Treffern Österreichs Torgarant, nicht fit in die EURO starten konnte und sich dann im ersten Spiel auch noch Zlatko Junuzovic verletzte, war für die Österreicher nicht zu kompensieren. Auch, weil von der Bank außer Schöpf wenige Alternativen kamen. Koller vertraute in der Vergangenheit stets einer Stamm-Elf, wohl auch aus gutem Grund.

Achse

In der Qualifikation verfügte Österreich über eine funktionierende Achse: Almer, Dragovic, Baumgartlinger, Junuzovic und Janko befanden sich in Hochform. Während der EURO konnten nur Almer und Baumgartlinger dieses Niveau erreichen. Zu wenig.

Effizienz

Übermäßig viele Chancen hat sich Österreich nicht herausgespielt. Dennoch hätte es gegen Ungarn zur Pause und gegen Portugal nach drei Minuten eine Führung geben müssen, als Harnik bei seinem Kopfball schlecht getimed und zu früh hochsprang.

Formkrise

Wichtige Spieler wie Arnautovic und Alaba präsentierten sich leider weit weg von ihrer Normalform, gegen Portugal war Alaba sogar der schwächste Österreicher.

Psyche

Die Qualifikation war das eine, die EM ein anderes, neues Thema. Die Österreicher versuchten, in ihrer Vorbereitung nichts zu ändern. Vielleicht hat man den Druck falsch eingeschätzt, da jedes Gruppenspiel natürlich mehr Bedeutung hatte als die einzelnen Quali-Matches. Vor allem gegen Ungarn vermittelten die Spieler diesen Eindruck.

Coaching

Elf Gründe für ein Turnier mit Pleiten, Pech und Pannen
Austria's coach Marcel Koller reacts during the Euro 2016 group F football match between Iceland and Austria at the Stade de France stadium in Saint-Denis, near Paris on June 22, 2016. / AFP PHOTO / FRANCK FIFE
Auch Marcel Koller war bei seinem ersten Turnier als Trainer nicht fehlerfrei. Die Ungarn schafften es, Österreichs Teamchef durch ihr hohes Attackieren zu überraschen. Die Dreierkette gegen Island funktionierte nicht, weil die Beteiligten im Spielaufbau viel zu langsam agierten. Der augenscheinlich in Form befindliche Schöpf hätte allerspätestens gegen Island in der Startelf stehen müssen.

Die Testspiele

Seit der geschafften Qualifikation absolvierte Österreich durchwachsene Tests, verlor gegen die Türkei, die Schweiz und die Niederlande. Auch andere Nationen überzeugten im Vorfeld der EURO nicht, doch gegen die Ungarn gelang es Österreich nicht, den Schalter umzulegen.

Ablenkung

Die Zukunft einiger Spieler ist ungeklärt. Etwa jene von Dragovic, Hinteregger, Harnik und Junuzovic. Viele wollten die Bühne nutzen, um einen tollen Transfer zu schaffen. Das lenkte ab – und sorgte für zusätzlichen Druck in den Köpfen der Spieler.

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