Bauernaufstand gegen "König Stronach"

Parteigründer Frank Stronach präsentiert das Parteiprogramm des Team Stronach am 09.04.2013 im Palais Ferstel in Wien.
Postenschacher und Budgetknappheit sorgen für Unmut an der Basis der Neo-Partei.

Bei Walter Wittmann in der Werkstatt brummt es: Vor drei Tagen endete die Winterreifen-Pflicht, entsprechend viel los ist in seinem Betrieb in Wien. Doch seit zwei Tagen hat der Unternehmer kaum Zeit für seine zwei Firmen mit 16 Angestellten: Seit er seinen Rücktritt im Team Stronach bekannt gegeben hat, klingelt ständig das Telefon.

„Ich war bis 23 Uhr im Büro, habe nur telefoniert und Mails beantwortet“, erzählt der einstige Stronach-Bezirkschef für Mistelbach. Schon am Mittwoch hatte er im KURIER heftige Kritik am Team Stronach geübt. „Daraufhin hab ich von zehn der 21 Bezirksleiter die vollste Zustimmung erhalten.“ Nur Frank hat nicht angerufen.

Bauernaufstand gegen "König Stronach"
Walter Wittmann, Unternehmer, aus Team Stronach ausgetreten
Wittmann ist nach Mario Lackner der zweite Bezirkschef, der innerhalb weniger Tage in Niederösterreich die Partei verlässt. Auch der Kommunikationschef Rudi Fußi und der Parteimanager Stefan Wehinger sind schon weg. Vor allem in der Basis gäre es, berichtet Wittmann: „60 bis 70 Prozent im Team sind unzufrieden.“ Viele weitere wollen gehen.

Postenschacher, Budgetknappheit und chaotische Organisation nennt Wittmann als Hauptgründe dafür: „Wir hatten 20 Tage vor der Wahl in Niederösterreich nicht einmal einen Wahlkampfleiter.“ Auch für die Nationalratswahl fehle dieser.

Streit und Hader statt Wahrheit, Transparenz und Fairness: Dabei hatte alles anfangs so positiv ausgesehen. Als Wittmann nach 27 Jahren als Unternehmer beschließt, in die Politik zu gehen, ist er zuversichtlich: „Mir hat gefallen, was Stronach sagt. Es war ein frischer Wind für die Politik.“ Stronach selbst hat er noch nie getroffen, auch die anderen 20 Bezirkschefs erhielten keinen Termin beim Milliardär: „Er hat überhaupt keinen Kontakt mit der Basis. Das wäre unter Häupl oder Pröll undenkbar.“

Heute ist Wittmann „extrem enttäuscht“. „Stronach führt seine Partei wie im Altertum. Er ist der König, dann gibt es die Landesfürsten, und wir Bauern dürfen nicht einmal ins Schloss.“ Stronachs persönliche Assistentinnen Kathrin Nachbaur und Renate Heiser-Fischer würden jede Personalentscheidung „maßgeblich für Frank Stronach vormanipulieren“. Zahlreiche Glücksritter würden die beiden Damen umschwärmen. „Das lässt sich mit unseren Werten überhaupt nicht vereinbaren“, klagt Wittmann.

Das Team Stronach wollte sich zu Wittmanns Kritik nicht äußern. Noch-Parteiobmann Ernest Gabmann jr. lässt aber ausrichten: „Wittmanns Austritt schmerzt mich sehr, auch weil ich Unternehmersohn bin. Ich nehme die Kritik ernst. Wir müssen weg vom Gefühl des Von-oben-herab-Verordnens.“

Postenschacher

Vor allem die Nominierung von Walter Laki zum Klubchef empörte viele. Der bei kleinen Funktionären beliebte Gabmann ging leer aus. Am 12. April formulierte die Basis einen offenen Brief an Frank, um den Unmut kundzutun. Das Tüpfelchen auf dem i war der Kampf um den Bundesrat: In einer Vereinbarung wollte sich Ludwig Buchinger den Job sichern, gleichzeitig startete das Team einen Wettbewerb um den Posten, den Thomas Heigl gewann (siehe unten). Stronach nominierte Gerald Zelina.

Noch etwas missfällt Wittmann und Lackner massiv. „Für die Entwicklung von Strukturen auf Bezirks- und Gemeindeebene gibt es bis dato kein Budget“, schrieb Lackner an Parteifreunde. Wittman bestätigt: „Die externen Berater bekommen gut bezahlte Verträge, die Bezirksmitarbeiter erhalten nicht einmal Geld für eine Postwurfsendung.“

Es war eine lange Schockstarre. Fast 20 Stunden brauchte das „Team Stronach“, um auf eine KURIER-Enthüllung zu reagieren. Jene, dass vor der NÖ-Wahl eine Vereinbarung zwischen Frank Stronach und zwei Getreuen getroffen werden sollte. Ludwig Buchinger sollte die Wahlkampfhilfe mit einem Bundesratsmandat gedankt werden, Franz Marchat mit dem Klubchef-Posten. Für den Fall, dass es damit nichts wird, sollten „Zahlungen in der Höhe der jeweiligen Gehälter für die nächsten fünf Jahre fällig“ werden. Der Deal wurde nicht besiegelt. Kathrin Nachbaur, Stronachs rechte Hand, versuchte, die Kosten auf je 100.000 € zu drücken.

Gestern ließ das „Team Stronach“ wissen: „Es handelt sich bei diesem Schriftstück lediglich um einen Vorschlag, der weder von Frank Stronach oder von seinem Büro verfasst, noch autorisiert oder unterschrieben wurde, weil dieser den Grundsätzen von Frank Stronach widerspricht.“ Der Schuldige wurde andernorts ausgemacht: „Offenbar hat ein übereifriger niederösterreichischer Funktionär über das Ziel hinausgeschossen.“ Zu den 100.000 € – dazu, ob sie bezahlt wurden oder werden, weil es mit den Jobs für Buchinger und Marchat ja nichts geworden ist – äußerte sich die Bundespartei nicht. Auch Marchat schwieg dazu. Er sagte nur, eine derartige schriftliche Vereinbarung habe es nie gegeben. Und für die Dienste im Wahlkampf sei er bezahlt worden.

Wie bewerten Fachleute die Vereinbarung, die der KURIER am Mittwoch abgedruckt hat? „Mir ist nicht bekannt, dass es so etwas schon einmal gegeben hat“, sagt Parteienexperte Hubert Sickinger. „Es ist das Sittenbild einer Partei – wie locker mit Geld umgegangen wird, wie Posten versprochen werden.“ Auch der Korruptionsexperte Franz Fiedler „hat noch nicht erlebt, dass man eine Zahlung für eine Legislaturperiode in Aussicht stellt“. Das sei „ein neuerliches Zeichen dafür, dass Geld im Zusammenhang mit Wahlen eine immer größere Rolle spielen dürfte – und dass die Motivation, sich für Werte einzusetzen, in den Hintergrund tritt“.

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