Krise am Balkan: Merkel & Co in Wien

Flüchtlingsströme Richtung EU: Konferenz in Wien sucht nach Lösungen. Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Die Lage am Balkan spitzt sich dramatisch zu: Bulgarien stationiert die Armee an der Grenze zu Mazedonien und fährt Panzer gegen Flüchtlinge auf, als Schutz, heißt es. Ungarn will die Grenzen sperren. Was tun gegen diese Maßnahmen und den Strom der Migranten? Am Donnerstag wird sich eine hochrangig besetzten Konferenz zum Westbalkan in Wien damit beschäftigen. Der KURIER beantwortet vorab die wichtigsten Fragen:

Über welche Routen kommen die Flüchtlinge?

Seit Jahresbeginn sind nach UNO-Daten insgesamt etwa 224.000 Flüchtlinge in die EU gekommen. Über die zentrale Mittelmeer-Route kamen bis Ende Juli 92.000 Flüchtlinge aus Afrika in die EU, hauptsächlich nach Italien. Auf der Balkan-Route waren es mehr als 132.000.

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Warum hat sich der Flüchtlingsstrom auf die Balkan-Route verlagert?

Einerseits liegt das daran, dass derzeit weniger Flüchtlinge aus Afrika kommen als aus Syrien. Die meisten syrischen Flüchtlinge kommen über die Türkei nach Griechenland und ziehen dann weiter über Mazedonien, Serbien und Ungarn nach Mittel- und Nordeuropa. Gleichzeitig ist die Balkan-Route weniger stark kontrolliert als die Mittelmeer-Route, wo es gerade vor der italienischen Küste verstärkte und strenge Kontrollen gibt.

Wieso können die Flüchtlinge so einfach von der Türkei bis nach Österreich und Deutschland kommen?

Das liegt an der Überforderung der Behörden in den Ländern dazwischen: Griechenland etwa – für den Großteil der Flüchtlinge erste Station in der EU – kommt schon lange nicht mehr mit der Betreuung der vielen Flüchtlinge zurecht. Mazedonien hat unlängst aufgegeben, die Einreise zu verhindern und die Grenzen geöffnet. Serbien ist froh, wenn die Flüchtlinge nach Ungarn weiterreisen – und auch dort hindert man niemanden mehr daran, die Reise nach Deutschland oder Österreich fortzusetzen.

Wie schlimm ist die Lage in Mazedonien und Serbien mittlerweile?

Ziemlich schlimm. Derzeit bräuchten laut UNHCR-Informationen von Dienstag dieser Woche, 10.000 Flüchtlinge in Serbien humanitäre Hilfe. In den nächsten Wochen rechnet Serbien mit weiterhin 3.000 Migranten pro Tag.

Wie reagieren die unmittelbar betroffenen EU-Staaten?

Ungarn baut einen vier Meter hohen, 175 Kilometer langen Zaun an der Grenze zu Serbien. Er soll bald fertig sein. Eine Verlagerung der Route zeichnet sich trotz des Zaunes aber nicht ab. Bulgarien will die Grenze mit Panzern schützen.

Wie unterstützt die EU die Nicht-EU-Staaten Serbien und Mazedonien?

Die Westbalkan-Staaten – bis auf den Kosovo sind alle EU-Beitrittskandidaten – werden von der EU ab September mit acht Millionen Euro beim Migrationsmanagement unterstützt. Bereits im Juli bekam die Regierung in Skopje 90.656 Euro humanitäre Hilfe von der EU.

Könnte es auch von der EU finanzierte Flüchtlingslager am Balkan geben?

Serbische Politiker haben das zuletzt ins Spiel gebracht, die EU-Kommission dementiert jedoch gegenüber dem KURIER, dass es derlei Überlegungen gibt. Eine gewisse Logik hätte es: Serbien und Mazedonien würden bei der Versorgung der Flüchtlinge unterstützt, gleichzeitig könnte der Andrang Richtung EU etwas gebremst werden. Mehr als eine Verzögerung dürften solche Lager aber nicht bewirken: Früher oder später würden die meisten Flüchtlinge wohl versuchen, in die reichere EU zu kommen. Derartige Lager könnten aber sehr hilfreich sein, wenn es doch einmal eine EU-Flüchtlingsquote gibt.

Ist eine Reform der EU-Asylpolitik in Sicht?

Die Kommission will im Herbst noch einen Anlauf für eine Neuverteilung von Flüchtlingen mittels Quote machen. Das soll überforderte Länder entlasten und bewirken, dass sich Staaten wie Griechenland, Italien oder Ungarn wieder ernsthaft um die Flüchtlinge kümmern, anstatt sie einfach nur weiter zu schicken. Die Kommission wird demnächst neue Pläne präsentieren.

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