Ist das Rennen schon gelaufen?

Ist das Rennen schon gelaufen?
Was sich in den letzten zwei Wochen bis zum Wahltag noch bewegen kann.

Drei Eindrücke haben sich im Laufe des Wahlkampfs in den vergangenen Wochen manifestiert. Erstens: Alexander Van der Bellen hat die besten Chancen, in die Stichwahl zu kommen. Zweitens: Irmgard Griss und Norbert Hofer haben realistische Chancen, den zweiten Wahlgang zu erreichen. Drittens: Die Koalitionskandidaten Rudolf Hundstorfer und Andreas Khol scheinen ziemlich chancenlos.

Ist das Rennen schon gelaufen?

Van der Bellen selbst sagte diese Woche bei einem Wahlkampftermin: "Wenn ich sehe, dass ich seit drei Monaten in den Umfragen in der Poleposition liege, dann verfestigt sich in mir das Gefühl, dass ich tatsächlich Bundespräsident werde. Das ist ein schönes Gefühl."

Wie viel hat dieses Gefühl mit der Realität zu tun? Wie trügerisch können die Eindrücke im Wahlkampf sein?

Anders gefragt: Was kann sich noch bewegen in den letzten zwei Wochen bis zur Wahl?

Einiges, sagt OGM-Chef Wolfgang Bachmayer: "Es gibt noch ziemlich viele Unentschlossene. Der richtige Wahlkampf und die damit verbundene Meinungsbildung hat gerade erst mit den großen Fernsehsendungen begonnen. Die TV-Runden sind sicher ganz wesentlich."

Viele Unentschlossene

Unter den sicheren Wahlteilnehmern seien noch 15 bis 20 Prozent unentschlossen, wen sie wählen. Und zusätzlich seien rund 30 Prozent noch gar nicht sicher, ob sie überhaupt wählen gehen.

Auch Werber Luigi Schober, seit vielen Jahren für Young & Rubicam tätig, sagt: "Die Orientierungslosigkeit war noch nie so hoch." Und auch er misst den kommenden Fernsehdiskussionen "höchste Bedeutung" zu. Die Grundregel für alle Kandidaten, die davon profitieren wollen: "Wer nicht angriffig ist, braucht gar nicht hingehen – eine Defensivstrategie ist völlig falsch."

Schober glaubt, dass die Diskussionen noch "einiges verändern können": "Wenn jemand ein Momentum hat, dann hat er auch den Mut, die richtigen Dinge zu sagen." Andererseits reiche "ein fundamentaler Fehler und das Ding kann gelaufen sein". Insofern dürfe sich auch Van der Bellen noch nicht zu sicher in der Stichwahl wähnen.

Stefan Sengl, Partner der PR-Agentur The Skills Group und bei der letzten Hofburg-Wahl Kampagnenleiter Heinz Fischers, sieht eher wenig Spielraum für große Überraschungen: "Hundstorfer braucht schon ordentlich Glück, Khol braucht schon eher ein Wunder."

Fallbeil-Effekt

In diesem einen Punkt sind sich die drei Experten einig: Damit der ÖVP-Kandidat in die Stichwahl kommt, müsste man einen "Supergau inszenieren" (Schober) bzw. bedarf es eines "Super-Finish" (Bachmayer). Wahrscheinlicher aber sei, dass bei Khol der sogenannte Fallbeil-Effekt einsetze: Khol-Wähler könnten ihren Favoriten für derart aussichtslos halten, dass sie jemand anderen wählen, damit ihre Stimme nicht "verloren" ist.

Davon, darauf deuten Umfragen hin, in denen Präferenzen für eine "zweite Wahl" abgefragt werden, würde vor allem Griss profitieren. Sengl: "Es könnte passieren, dass sich Wähler denken: So, wie Khol liegt, wähle ich doch eher Griss – sonst gibt es in der zweiten Runde ein Match Van der Bellen gegen Hofer."

Hundstorfers Rückstand ist hingegen in einem Maß, das motivierend wirken könnte: "Wenn Anhänger einer Partei nervös sind, gibt es einen Punkt, bis zu dem das mobilisieren kann", sagt Sengl. "Man hat das Gefühl, es ist nicht egal, ob man hingeht."

Wahlentscheidend könnte übrigens ausgerechnet der in allen Umfragen abgeschlagene Richard Lugner sein: Wird es für Hofer mit Platz zwei knapp, könnten ihm jene Stimmen fehlen, die der Baumeister aus dem FPÖ-Reservoir gefischt hat.


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