Heinz Patzelt: "Das wäre ein schlimmer Dammbruch"

Die Asylnovelle ist "extrem menschenrechtsverletzend", sagt Patzelt.
"Amnesty International"-Österreich-Chef Heinz Patzelt zur Asylrechtsnovelle.

Heinz Patzelt, Generalsekretär von Amnesty International Österreich, befürchtet, dass die Verschärfung des österreichischen Asylrechts in Europa Schule machen wird.

Wie sehen Sie die geplanten Sonderbestimmungen zum Asylrecht aus menschenrechtlicher Sicht?

Die sind extrem menschenrechtsverletzend. Es handelt sich um eine de facto Abschaffung des Asylrechts. In Bezug auf die EU-Menschenrechtskonvention, die in Österreich im Verfassungsrang verankert ist, fährt die Regierung nur mehr einen Minimalkurs. Damit spricht Österreich Flüchtlingen den Anspruch auf ein ordentliches Asylverfahren ab und weist jede Verantwortung von sich, dass es diese Garantie auch in jenem Land gibt, in das der Flüchtling abgeschoben wird. Dasselbe gilt auch für Kettenabschiebungen, die definitiv drohen. Das ist das Floriani-Prinzip hoch zehn. Wenn ein Flüchtling weitergereicht wird, bis er wieder in der Türkei landet und von dort zurück nach Syrien geschickt wird, dann ist das mehr als bedenklich.

Wie beurteilen Sie die vorgeschlagenen Notstandsbestimmungen?

Zuerst einmal ist es auf jeden Fall klug eine Notstandsgesetzgebung auszuformulieren, um für einen tatsächlichen Notfall mit einer soliden Gesetzesbasis gerüstet zu sein. Aber was im Moment von Seiten der österreichischen Regierung hier passiert ist eine bösartige Uminterpretation des Wortes Notstand. Man will hier mit einer Ressourcenverknappung einen Notstand herbeiführen. Denn ich kann jederzeit die Mitarbeiter zur Bearbeitung von Asylanträgen reduzieren und so auf der momentanen Definition beruhend Alarm schlagen. Ein völkerrechtliches Prinzip besagt: "Kein Staat darf zu mehr verpflichtet werden, als er leisten kann". Im Fall von Österreich ist das eher ein "will". Man braucht nur nach Beirut in den Libanon schauen. Dort hat der Bürgermeister angedeutet, dass man langsam die Last nicht mehr stemmen könne und jetzt ein bisschen Hilfe bräuchte. 50 Prozent der Einwohner Beiruts sind Flüchtlinge. In ganz Österreich sind es nicht einmal ein Prozent, im Extremfall vielleicht zwei. Und hier stellt sich die Frage: Sind wir einfach zu fett und träge geworden, um nicht mehr teilen zu wollen? In den Fünzigerjahren haben wir innerhalb von ein paar Wochen 200.000 Ungarn aufgenommen, und gerne mit ihnen geteilt was wir hatten.

Nun soll es ein Begutachtungsverfahren geben. Die Frist dafür wurde auf 10 Tage festgelegt. Aus Ihrer Sicht: Reicht das einer Institution wie beispielsweise Ihrer, um eine qualifizierte Einschätzung abgeben zu können?

Wir sind gewohnt auch unter Druck hochqualitativ zu arbeiten, aber: Bei dem Begutachtungsverfahren handelt es sich nicht einmal um ein Feigenblatt. Der Vorschlag basiert auf keinem soliden gesellschaftlichen Konsens. Die 10-Tage-Frist stinkt für mich danach, dass man die aufmüpfige Wiener SPÖ zu beruhigen versucht. Da ist das Begutachtungsverfahren bloß ein gesichtswahrender Kompromiss.

Denken Sie, dass das österreichische und ungarische Beispiel ­- Zäune zu errichten und noch stärkere Kontrollen - Schule in Europa machen wird?

Die Situation ist brandgefährlich. Bei der Schließung der Grenzen sind viele EU-Staaten dem Beispiel Österreichs mit großer Begeisterung gefolgt. Das wird auch mit der Verschärfung des Asylrechts passieren. Denn wenn ein anerkannter Rechtsstaat wie Österreich mit einer langen demokratischen Tradition so etwas tut, dann garantiere ich Ihnen, dass ein erheblicher Anteil der EU-Staaten nachziehen wird. Das wäre ein ganz schlimmer Dammbruch. Aber was passiert weiter, wenn man an den menschenrechtlichen Grundprinzipien der EU rüttelt, wo hört das auf? Kommt es als nächstes zu einer Einschränkung der Versammlungsfreiheit, wenn jemand für ein gerechtes Asylverfahren für Flüchtlinge demonstriert?

Kommentare