Rotes Kreuz bemüht sich um Kontakte zum IS

Yves Daccord
Um Menschen zu helfen, müssten "Beziehungen" aufgebaut werden. Assad kritisiert unterdessen britische Luftangriffe.

Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) bemüht sich nach eigenen Angaben um Kontakte zur Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS), um die Menschen in den von ihr kontrollierten Gebieten in Syrien und im Irak versorgen zu können.

"Ja, natürlich versuchen wir, eine Beziehung aufzubauen", sagte IKRK-Generaldirektor Yves Daccord der Nachrichtenagentur AFP in einem Interview am Sonntag. Es sei das "höchste Ziel" des Roten Kreuzes, in die "unmittelbare Nähe" notleidender Menschen zu gelangen. Die Helfer müssten daher "mit jedem reden."

Das IKRK, das die Hilfsaktivitäten der Rotkreuz- und Rothalbmondgesellschaften bei bewaffneten Konflikten leitet und koordiniert, gehe mit einer "sehr klar humanitären Sichtweise" an die Frage heran, sagte Daccord vor der 32. Internationalen Rotkreuz-und Rothalbmond-Konferenz, die am Dienstag in Genf beginnt. Das IKRK interessiere sich allein für die zehn Millionen Menschen, die in den vom IS kontrollierten Gebieten lebten. "Was passiert mit ihnen? Was sind ihre Probleme? Davon lassen wir uns leiten", sagte Daccord.

IS immer größere Gefahr

Bewaffnete Gruppen wie der IS, die humanitäre Hilfe teilweise sogar ablehnten, seien für das IKRK und andere Hilfsorganisationen eine immer größere Gefahr, sagte Daccord. Allein in Syrien seien seit dem Beginn des Bürgerkriegs vor mehr als vier Jahren 49 ehrenamtliche Helfer des Roten Halbmonds getötet worden. So viele Todesfälle habe es in der jüngsten Geschichte des IKRK "noch nie" gegeben.

Um überhaupt weiter in Konfliktgebieten arbeiten zu können, müssten internationale Organisationen daher zunehmend Kontakte zu bewaffneten Gruppen knüpfen - ungeachtet ihres Weltbildes. Die Akzeptanz solcher Gruppen lasse sich aber nicht "an einem Tag aufbauen", sagte Daccord.

Das IKRK habe sich etwa jahrelang darum bemüht, in den Hochburgen der Islamistengruppe Boko Haram im Nordosten Nigerias arbeiten zu können. Dazu müssten Hilfsorganisationen aber absolut unparteiisch und neutral sein. Es dürfe ausschließlich um humanitäre Hilfe gehen und nicht um soziale oder politische Ziele.

Assad kritisiert britische Luftangriffe

Syriens Machthaber Bashar al-Assad hat die britischen Luftangriffe in seinem Land als illegal bezeichnet. Der Militäreinsatz sei "schädlich und illegal" und werde den Terrorismus sogar noch befördern, sagte Assad der britischen Zeitung The Sunday Times. Luftangriffe allein könnten den IS nicht besiegen.

Ohne eine "umfassende" Strategie würden die Angriffe "wieder scheitern", sagte Assad. Ein Sieg über den IS sei nur in "Zusammenarbeit mit den Truppen vor Ort" und mit der Unterstützung von Regierung und Öffentlichkeit in Syrien möglich.

Grünes Licht für Luftangriffe

Assad verglich den Terrorismus mit einem Krebsgeschwür, das als Ganzes bekämpft werden müsse. "Man kann nicht nur einen Teil des Krebses herausschneiden", sagte er in dem Interview. "Man muss ihn herausholen." Die internationalen Militäreinsätze in Syrien würden daher nur dazu führen, dass sich der Krebs noch "schneller im Körper ausbreitet".

Das britische Parlament hatte am Mittwoch grünes Licht für eine Beteiligung Großbritanniens an den Luftangriffen gegen den IS in Syrien gegeben. Bereits am Donnerstagmorgen flog die britische Luftwaffe erste Angriffe. Am Samstagabend kam es in einem U-Bahnhof in London zu einem Messerangriff, bei dem drei Menschen verletzt wurden. Die Polizei nahm den Angreifer fest und nahm Ermittlungen wegen einer möglichen "terroristischen" Tat auf.

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