Snowden sucht in Österreich um Asyl an

Television screens show former U.S. spy agency contractor Edward Snowden during a news bulletin at an electronics store in Moscow June 25, 2013. President Vladimir Putin confirmed on Tuesday Snowden, sought by the United States, was in the transit area of a Moscow airport but ruled out handing him over to Washington, dismissing U.S. criticisms as "ravings and rubbish". REUTERS/Tatyana Makeyeva (RUSSIA - Tags: POLITICS SOCIETY)
Edward Snowden hat in 19 Staaten Anträge gestellt - darunter auch Österreich. Russland bot dem Aufdecker des NSA-Skandals an, zu bleiben. Doch er müsse aufhören, den USA zu schaden, verlangt Kremlchef Putin.

Der frühere US-Geheimdienstmitarbeiter Edward Snowden bemüht sich nach Angaben von WikiLeaks auch in Österreich um politisches Asyl: Einer am Montag von der Enthüllungsplattform veröffentlichten Liste zufolge beantragte der 30-Jährige in Österreich und 18 weiteren Ländern Asyl als politischer Flüchtling - darunter in Russland, Deutschland, Finnland, Frankreich, Italien, den Niederlanden, Irland, Norwegen, Polen, der Schweiz und Spanien. Außerhalb Europas habe sich Snowden neben dem bekannten Antrag auf Asyl in Ecuador auch um Aufnahme in weiteren Ländern bemüht, darunter in China, Bolivien, Brasilien und Kuba.

WikiLeaks zufolge wurden Schreiben mit einem Asylbegehren an Snowdens derzeitigem Aufenthaltsort auf dem Moskauer Flughafen an einen russischen Offiziellen übergeben, der die Schriftstücke an die jeweiligen Botschaften weiterreichen sollte.

Aufenthalt im Transitbereich

Was genau sich im Transitbereich des Moskauer Flughafens Scheremetjewo derzeit abspielt, ist Gegenstand weitreichender Spekulationen. Doch irgendwo dort soll sich Edward Snowden aufhalten. Der Mann, der mit seinen Enthüllungen über die Geheimdienstaktivitäten in aller Welt einen riesengroßen Stein ins Rollen gebracht hat.

„Aus Verzweiflung“ habe er gehandelt, weil Ecuador nicht anerkannt hatte, dass Snowden politisch verfolgt werde. Sein anscheinend ursprüngliches Zielland hat sich in den vergangenen Tagen wohl auf Druck der USA zusehends von Snowden distanziert.

Asyl mit Bedingungen

Am Montagabend präsentierte sich dann der russische Präsident Wladimir Putin als Retter. Er bot Edward Snowden an, in Russland zu bleiben. „Seien Sie mein Gast“, so Putin wörtlich. Doch wenn der 30-Jährige bleiben wolle, müsse er aufhören, „unseren amerikanischen Partnern Schaden zuzufügen“, sagte Putin. „So merkwürdig sich das aus meinem Mund anhören mag“, fügte der Kremlchef hinzu.

Zuvor hatte es offenbar hochrangige Gespräche zwischen Moskau und Washington gegeben. Der Inhalt wurde nicht kolportiert. Doch Washington hatte zuletzt großen Druck auf Moskau ausgeübt, Snowden auszuliefern. Das FBI stehe zudem in engem Kontakt mit dem russischen Inlandsgeheimdienst FSB. Ein Auslieferungsabkommen zwischen Russland und den USA gibt es nicht. Und Putin bekräftigte das auch noch einmal: Russland liefere „niemals jemanden aus“. Auch bei Snowden habe man diese Absicht nicht. Wenig später gelangte ein Asylgesuch Snowdens ein.

Doch dann relativierte Putin sein Angebot: Offenbar sehe sich Snowden als „Verteidiger der Menschenrechte“ und habe „nicht die Absicht“, mit den Enthüllungen aufzuhören“, so der Präsident. Wenn das so ist, dann müsse sich Snowden ein Land aussuchen, in das er gehen will.“, sagte Putin.

Auch Venezuelas Präsident Nicolas Maduro hatte zuvor nicht ausgeschlossen, dass Venezuela dem flüchtigen US-Spion Edward Snowden politisches Asyl gewähren könnte.

Zugleich machen Europas Grüne mobil für den abtrünnigen US-Spion. Die Chefin der österreichischen Grünen, Eva Glawischnig, forderte, Snowden dürfe nicht der Willkür Putins, der selbst mit Grundrechten auf Kriegsfuß stünde, ausgeliefert werden. Der derzeitige amerikanische Staatsfeind Nummer Eins müsse „vor Verfolgung geschützt werden“, so Eva Glawischnig in der Kronen Zeitung. Sie fordert zugleich auch, dass Österreich Snowden Asyl gewähren müsse.

Ähnlich die Führung der deutschen Grünen. Deren Fraktionschef Jürgen Trittin sprach sich klar dafür aus, dass Snowden in Europa Asyl gewährt werde. Vor allem nach dem, was er enthüllt habe – die weitreichende Bespitzelung europäischer Staaten und Institutionen durch US-Geheimdienste.

Teure Unterkunft

Wo der Gesuchte und Umworbene ist, blieb währenddessen weiter unbekannt. Am wahrscheinlichsten erschien, dass er sich in einem für Transit-Gäste reservierten Flügel des Novotel-Hotels auf dem Moskauer Flughafen aufhielt – in dem es sich laut Medienberichten wie in einem Gefängnis lebt, da Gäste ohne russisches Visum – auch Snowden hatte keines – rundum überwacht würden und nur in beschränktem Rahmen ihre Zimmer verlassen dürften.

Ein Reporter der AP, der sich in dem Hotel einquartieren ließ, fand jedoch keinen Hinweis aus eine Anwesenheit Snowdens. Nur soviel: Sollte er in diesem Hotel sein, dürfte es für ihn äußerst teuer werden. Die Nacht kostet 230 Euro, ein Steak rund 38 Euro, eine Flasche Rotwein 127 Euro.

Die Wanzenjagd hat begonnen. Die EU hat in ihren Vertretungen Sicherheitsüberprüfungen angeordnet. Man reagiert so auf jüngste Enthüllungen in der Spionage-Affäre rund um die von Edward Snowden an die Öffentlichkeit gebrachten Daten und Dokumente.

Laut einem Bericht des Guardian hat der US-Geheimdienst NSA die Botschaften zahlreicher großer EU-Länder wie Frankreich oder Italien in Washington angezapft. Schon am Tag zuvor hatte der Spiegel aufgedeckt, dass die EU-Vertretungen in Washington, aber auch bei der UN in New York überwacht worden waren. Und das nicht nur mit den Mitteln der Datenspionage, sondern auch mit althergebrachten Methoden. So wurden Telefone und Faxgeräte angezapft, Gespräche mit Spezialantennen belauscht, diplomatische Schreiben abgefangen und geöffnet.

Unter den betroffenen Ländern hat die Empörung die Regierungsspitzen erreicht. In Wien wurde US-Botschafter William Eacho gestern Abend kurzfristig ins Außenamt bestellt. In der US-Botschaft konnte man sich auf KURIER-Anfrage nicht an eine solche diplomatische Drohgebärde erinnern.

Klare Worte

Das Außenamt stand schon länger in Kontakt mit der US-Botschaft, sagte der Sprecher des Außenministeriums zum KURIER. Doch Minister Spindelegger wollte dem Botschafter direkt mitteilen, dass die Vorgehensweise der US-Regierung „unter Freunden inakzeptabel ist“. Außerdem forderte er von Eacho „Aufklärung“. Als EU-Mitglied und somit Partnerstaat der USA habe man klare Worte statt „schnoddrige Antworten“ verdient. Eacho blieb nichts, als die Anliegen Österreichs zur Kenntnis zu nehmen. Er versprach eine Reaktion der USA auf die Fragen aus Europa. Antworten auf einen Fragenkatalog aus Wien erwartet Spindelegger „binnen Tagen“, sagte er am Montag in der ZiB2.

In Berlin meinte der Sprecher der Regierung: „Abhören von Freunden ist inakzeptabel. Wir sind nicht mehr im Kalten Krieg.“ Kanzlerin Merkel wollte sich mit US-Präsident Obama direkt in Verbindung setzen. Ganz ähnlich auch die Stellungnahmen aus anderen EU-Hauptstädten, etwa Paris, wo Präsident Hollande ein sofortiges Ende der Spionageaktivitäten forderte.

Erklärungen wollten die USA nicht liefern, zumindest nicht öffentlich. James Clapper, oberster Chef aller US-Geheimdienste, versprach nur, dass man sich mit der EU und den einzelnen Mitgliedsstaaten über „unsere diplomatischen Kanäle“ verständigen werde. Grundsätzlich aber würde man geheimdienstliche Aktivitäten nicht öffentlich kommentieren. Die USA würden Informationen sammeln, so wie es andere Nationen auch täten.

Hauptziel des Spähskandals ist laut Spiegel Deutschland. Frankfurt ist Hauptbasis der NSA in Europa. Hauptgrund dafür ist die Technik: Frankfurt ist der größte Umschlagplatz für den Internet-Datenverkehr weltweit. 20 Rechenzentren dafür stehen hier, darunter der viertgrößte Verteiler der Welt, der Russland und Osteuropa mit dem Westen verbindet. Damit betrifft, von den laut Spiegel täglich bis zu 60 Millionen in Deutschland von den USA überwachten Verbindungen, ein guter Teil andere Länder.

Selten waren EU-Politiker aller Länder und Couleurs so einig wie in der Reaktion auf die Berichte zu den Spähangriffen durch US-Geheimdienste: Das Vertrauen in den Partner Amerika ist erschüttert, es muss rasche Aufklärung geben.

Die Berichte kommen diplomatisch gesehen zur Unzeit: Im Juli sollen die Gespräche über das geplante Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA starten. Doch jetzt fordern viele einen Stopp der Gespräche bis zur Aufklärung. Auch Justizkommissarin Viviane Reding hat diesen Schritt angedroht. Am Montag wurde der amerikanische EU-Botschafter vorgeladen.

Regionalkommissar Johannes Hahn meint, es handle sich um „ein merkwürdiges Verhalten unter Freunden“. Das ist der Grundtenor vieler Reaktionen: Man ging davon aus, dass sich die Spionage beim Partner Europa in engeren Grenzen halten würde.

„Absolut inakzeptabel“

„Es war klar, dass abgehört wird – aber nicht in dieser Dimension und nicht unter Freunden“, sagt ÖVP-EU-Mandatar Hubert Pirker zum KURIER. Sollten sich die Vorwürfe bewahrheiten, wäre dies „absolut inakzeptabel, empörend und ließe sich nicht mit dem Argument der Terror-Bekämpfung rechtfertigen.“ SPÖ-Europa-Abgeordneter Josef Weidenholzer sieht das Problem in den „offenbar gigantischen Dimensionen“ der Spähtätigkeit – und in deren Systematik, wie er zum KURIER sagt: „So lässt sich das Verhalten der Überwachten sehr detailliert analysieren. Das rückt die USA weit weg von dem, dass sie die Speerspitze der Freiheit waren.“ Weidenholzer erinnert an die ECHELON-Affäre rund um das Jahr 2000, als aufflog, dass (auch) US-Geheimdienste satellitengestützte Kommunikation abhörten. Damals ging es um Wirtschaftsspionage im großen Stil. Sollte dies wieder der F all sein, „wäre es doch absurd, wenn es auf der einen Seite Industriespionage gibt und auf der anderen sollen wir auf Augenhöhe über ein Handelsabkommen reden.“

Parlamentspräsident Martin Schulz zeigte sich zum Auftakt der Sitzungswoche in Straßburg empört: „Präventive Maßnahmen sind bei der Terror-Bekämpfung notwendig. Ich habe aber nicht den Eindruck, dass in den Einrichtungen der EU terroristische Anschläge geplant werden. Daher ist dieses Vorgehen unakzeptabel.“

Die mutmaßlichen US-Spionageangriffe auf europäische Regierungs- und EU-Einrichtungen gehören laut dem Historiker und Geheimdienstexperten Siegfried Beer zur "natürlichen Routine" von Geheim- und Nachrichtendiensten. "Das überrascht mich alles überhaupt nicht," erklärte der Professor an der Universität Graz am Montag gegenüber der APA. Daher sei auch die aktuelle Aufregung aus seiner Sicht "übertrieben und ein bisschen gespielt."

Wer etwas realistisch sei, wisse, dass die in den Medienberichten angesprochenen Praktiken bei Geheim- und Sicherheitsdiensten üblich seien und aus deren Sicht eine "Routineangelegenheit", erklärte Beer. "Daher nehme ich den Politikern die Empörung nicht ganz ab." In der Geschichte hätten Geheimdienste stets nicht nur die Feinde des eigenen Landes, sondern auch die eigenen Freunde überwacht. "Schließlich ist auch die EU nicht nur Partner sondern auch ein Konkurrent für die USA," so der Geheimdienstspezialist.

EU profitiert

Die Geheim- und Nachrichtendienste würden immer internationale und nationale Interessen verfolgen. Jedoch seien die USA laut Beer vermutlich als einzige in der Lage mit ihren Geheimdiensten derart global zu agieren. Die Tatsache, dass die USA angesichts ihrer Vormachtstellung auch internationale Interessen, wie die Bekämpfung des internationalen Terrorismus, verfolge, sei für die übrigen Länder durchaus von Vorteil. "Die EU-Regierungen profitieren auch davon."

Deutschland sei als europäische Führungsmacht in der EU natürlich für die Geheimdienste besonders interessant, erklärte Beer. Österreich dagegen sei heute "keine Größe". Kurzfristig sei Österreich nur während der Besatzungszeit für internationale Geheimdienste interessant gewesen. "Interessant ist Österreich heute nur, wenn es mit internationalen Fragen in Kontakt kommt", so der Experte. So könnte die heimische Politik ausländische Geheimdienste nur bei Fragen wie beispielsweise im Zusammenhang mit dem Golan-Abzug interessieren, wie sich Beer vorstellen kann.

Auch angesichts der Berichte von einer massiven Überwachung der Telefon- und Internetverbindungen im deutschen Nachbarland, könnten die meisten Österreicher ganz beruhigt sein, meinte der Experte. Angesichts der Datenmenge seien die US-Geheimdienste gar nicht in der Lage, alle Bürger zu überwachen und würden sich überdies nur vor politischen und militärischen Hintergründen für Einzelne interessieren.

In Österreich sind laut Beer rund 80 US-Geheimdienstmitarbeitern aktiv. Jedoch würden diese Verbindungsleute neben einem Angestellten-Beruf als Deckmantel hauptsächlich Netzwerke aufbauen und Kontakte pflegen.

Kommentare