Mega-Runde will Waffenstillstand für Syrien

Hochkarätige Runde in Wien
Suche nach Konfliktlösung in Wien. Es war der bisher größte politische Kraftakt, den Krieg in Syrien zu beenden.

Weit entfernt von Luftangriffen und tödlichem Beschuss, kam am Freitag im prachtvollen Festsaal des Wiener Hotels Imperial so etwas wie Hoffnung auf. Eine Roadmap für eine Friedenslösung in Syrien liegt in greifbarer Nähe – wenn sich die hochkarätige Runde, die sich am Freitag in Wien zu Verhandlungen einfand, in allem einig wird. Zwischen Marmortafeln und historischen Gemälden hatten die Spitzendiplomaten aus 17 Ländern sowie der UN-Beauftragte für Syrien, Staffan de Mistura, und die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini stundenlang um den kleinsten gemeinsamen Nenner gefeilscht.

Und dieser ist: Ein Mehr-Punkte-Programm zur Beendigung des Bürgerkriegs. Wie US-Außenminister John Kerry am Abend vor Journalisten ausführte, werden dabei ein landesweiter Waffenstillstand und international überwachte freie Wahlen angestrebt. „Das ist der Beginn eines neuen diplomatischen Prozesses in Syrien“, sagte Kerry. Einig waren sich am Freitag alle Gesprächsteilnehmer auch darin, dass der Staat Syrien nicht zerfallen darf und dass der „Islamische Staat“ besiegt werden muss.

Tatsächlich seien „Fortschritte“ erzielt worden, sagte auch Deutschlands Außenminister Frank-Walter Steinmeier nach dem Ende der Verhandlungen, bremste jedoch sogleich ein: „Es gibt keine Illusionen darüber, dass der Großteil der Arbeit noch vor uns liegt.“

In spätestens zwei Wochen soll weiter verhandelt werden. Die UNO wird offiziell die Schirmherrschaft über die Gespräche übernehmen. Das Treffen dürfte erneut in Wien stattfinden – auch wegen seiner von allen Teilnehmern hoch gelobten Gastfreundschaft. Auch US-Außenminister Kerry bedankte sich ausdrücklich dafür bei Österreichs Außenminister Sebastian Kurz.

Das Damaszener Regime war zwar am Freitag ebenso wie die Opposition zu Machthaber Bashar al-Assad nicht vertreten, doch kamen die zwei rivalisierenden Regionalmächte des Mittleren Ostens, Saudi-Arabien und der Iran, erstmals an einem Tisch zusammen.

Verfassung für Syrien

Auf einer Linie waren die Verhandler auch in dem Punkt: Für Syrien soll eine Verfassung ausgearbeitet werden. Und irgendwann müssten, so die Forderung, bei der Suche nach Frieden für Syrien auch oppositionelle Gruppen eingeladen werden. Dabei gilt es allerdings noch zu klären: Welche Gruppen sollen Teil des Aufbaus eines Nachkriegs-Syriens werden, und welche Gruppen sind Terroristen?

Einer der Hauptstreitpunkte der Gipfel-Beteiligten war die Rolle Assads bei einer Konflikt-Beilegung. In immer mehr westlichen Staaten setzt sich die Überzeugung durch, dass der Despot, an dessen Händen jede Menge Blut klebt, in eine Übergangslösung eingebunden werden solle. Allerdings beharren vor allem die USA und Saudi-Arabien darauf, dass es langfristig keine Perspektive für den Präsidenten geben dürfe, den Russland als legitimen Staatschef ansieht.

Neues Kapitel

Mit dem Mega-Treffen, dem bisher intensivsten politischen Kraftakt seit Ausbruch der Kämpfe zu Jahresbeginn 2011, wurde in dem blutigen Konflikt ein neues Kapitel aufgeschlagen. Bisher wurden zwischen 250.000 und 300.000 Menschen getötet, an die acht Millionen Syrer sind Vertriebene im eigenen Land. Mehr als vier Millionen weitere flohen ins Ausland – und strömen nun in Scharen nach Europa.

Außenminister Sebastian Kurz, der bei den Gesprächen am Freitag nicht mit dabei war, zeigt sich zufrieden mit den Ergebnissen der Wiener Syrien-Konferenz: Der gemeinsame Text der teilnehmenden Staaten sei ein Erfolg und zeige ihren Willen, eine gemeinsame Lösung zustande zu bringen, sagte Kurz: „Jetzt geht es darum, einen gemeinsamen Prozess im Hinblick auf die Befriedung des Bürgerkriegs und die Zukunft Syriens in Gang zu bringen.“

Die eigentliche, wenn auch kleine, Sensation des Treffens in Wien ergibt sich schon aus der Gästeliste: Dass Vertreter des Iran und Saudi-Arabiens überhaupt an einem Tisch sitzen, ist schon beachtlich. Denn ist vielfach von einem drohenden Stellvertreterkrieg zwischen den USA und Russland in Syrien die Rede, so sind der Iran und Saudi-Arabien zwei Länder, die sich in einem solchen längst befinden. Und nicht nur in Syrien; auch im Jemen und zum Teil im Irak. Dahinter steht ein Uralt-Konflikt um die Vorherrschaft in der Region.

Während in Syrien iranische Revolutionsgarden Rebellenverbände bekämpfen, die Saudi-Arabien massiv finanziert und aufrüstet, sind es im Jemen reguläre saudische Truppen, die in Allianz mit anderen Staaten (Ägypten, Marokko, Jordanien, Sudan, Vereinigte Arabische Emirate, Kuwait, Katar, Bahrain) Rebellen bombardieren und bekämpfen, die direkt vom Iran finanziert werden, um die jemenitische Regierung zu stürzen. Und es ist kein Zufall, dass der von schiitischen Rebellen bedrängte jemenitische Präsident Abd Rabbuh Mansur Hadi zwischenzeitlich nach Saudi-Arabien floh.

Dabei ist dieser Konflikt ebenso brandgefährlich wie der in Syrien. Zwischenzeitlich hatte der Iran wieder einmal mit einer Blockade der Straße von Hormus gedroht – durch die Meerenge zwischen Iran und Oman wird rund ein Drittel des weltweiten Öl-Verbrauchs verschifft.

Gerade für den Iran stehen in der Region die Karten gerade jetzt aber so gut wie noch selten zuvor. Der mehrheitlich schiitische Irak steht nach Abzug der US-Armee Teheran näher denn je. Militärisch geben gegen den „Islamischen Staat“ (IS) aufseiten der Regierung in Bagdad inzwischen iranisch-finanzierte Milizen den Ton an – nachdem die Armee sich vor allem durch Totalversagen ausgezeichnet hat. Syrien gilt es aber zu halten, koste es, was es wolle. Und als Partner auf internationaler Ebene weiß man Moskau auf seiner Seite.

Anders sieht es für Saudi-Arabien aus. Der Krieg in Syrien hat sich verselbstständigt und Saudi-Arabiens konsequente Unterstützung für konservativ-sunnitische Gruppen in diesem Krieg könnte sich letztlich bitter rächen. Der IS wird zunehmend zu einem Risiko für das Königshaus in Riad.

Und im Jemen? Da konnte Riad zwar eine große Allianz zusammentrommeln, bezeichnend waren aber auch einige Absagen. So vor allem die Pakistans, das bisher eine enge militärische Kooperation mit Saudi-Arabien unterhalten hatte, sich in diesem Konflikt aber entschloss, neutral zu bleiben – vor allem, um es sich nicht mit dem Nachbarn Iran zu verscherzen.

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