"Iran will klare Alternative zu Assad"

Sie denken noch nicht an Rücktritt, Bashar al-Assad und seine Frau Asmaa.
US-Iran-Experte Gary Sick über die Chancen des Gipfels und Teherans Schlüsselrolle.

Es ist, da sind sich Politiker und Experten einig, einer der wichtigsten Schritte in Richtung einer Friedenslösung für Syrien. Das Mullah-Regime in Teheran nimmt in Wien erstmals am Verhandlungstisch Platz, ist also bereit, mit seinem direkten Gegenspieler Saudi-Arabien und dem traditionellen Erzfeind USA zu verhandeln. Was aber kann und was will der Iran in Syrien erreichen? Darüber sprach der KURIER mit einem der führenden amerikanischen Iran-Experten, Professor Gary Sick vom Nahost-Institut der New Yorker Columbia Universität.

KURIER:Was bedeutet die Teilnahme des Iran am Gipfel?

Gary Sick:Schon die Tatsache, dass er kommt, ist ein großer Schritt vorwärts und eine klar positive Entwicklung. Denn Teheran kommt nur, weil man eingesehen hat, dass man seine Interessen nur bei Verhandlungen vertreten kann. Interessant ist, dass sich der religiöse Führer Khamenei erst vor wenigen Tagen gegen direkte Gespräche mit den USA zu jedem anderen Thema als dem Atomstreit ausgesprochen hat. Da gibt es auch in Teheran ständig Bewegung.

Wie wichtig ist die Stimme des Iran in diesem Krieg?

Iran ist eine der entscheidenden Stimmen bei diesen Verhandlungen, denn Assad hört auf Teheran. Schon in der Frage der chemischen Waffen Syriens hat sich gezeigt, wie groß der Einfluss Teherans ist. Erst als sich Russland und Iran engagiert haben, kam es zu einer Einigung. Teheran hat seine Rolle aber heruntergespielt. Sie wollten nicht vor den Augen der Weltöffentlichkeit Assad an die Kandare nehmen.

"Iran will klare Alternative zu Assad"
Gary sick

Was aber will der Iran bei Verhandlungen erreichen?

Teheran hat schon lange Vorschläge für eine diplomatische Lösung ins Spiel gebracht. Man hat deutlich gemacht, dass man bereit ist, Assads Entmachtung und danach eine Übergangsregierung zu akzeptieren. Was man nicht akzeptiert, ist, Assad einfach hinauszuwerfen, ohne auch nur eine Ahnung zu haben, was danach kommt. Man will, dass klare Alternativen zu Assad auf den Tisch gelegt werden – und das kann nicht die Machtübernahme der sunnitischen Extremisten (wie etwa des IS, Anm.) sein. Das würde einen Genozid bedeuten.

Wie realistisch sind echte Schritte in Richtung Frieden?

Ähnliches wie im Libanon, als nach Jahren des Bürgerkrieges die Kriegsparteien völlig erschöpft waren und in Friedensverhandlungen einwilligten, könnte auch in Syrien passieren. Wenn es allerdings eine Verhandlungslösung gibt, dann wird es eine sein, die niemandem gefällt. Assad oder zumindest seine Familie wird weiter mitspielen, aber die Macht teilen müssen, vor allem mit sunnitischen Gruppen. Es gibt hier keine Aussicht auf Sieg für eine der Kriegsparteien – ganz im Gegensatz zu der Propaganda, die sie verbreiten.

Was ist das größte Problem der Verhandlungen?

Die große Schwäche dieser Gespräche ist, dass es keine Stimme gibt, die für alle Rebellen sprechen kann. Die FSA (von den USA unterstützte Rebellen, Anm.) will das sein, aber sie ist viel zu schwach. Unter den Radikalen gibt es etwa 15 verschiedene Fraktionen, darunter den IS und die Al-Nusra-Front, die de facto El Kaida ist. Wichtig ist, was Saudi-Arabien nach Wien mitbringt, denn sie sind es ja, die die radikalen sunnitischen Gruppen seit Jahren unterstützen.

Wie geht es nach Wien weiter?

Ich erwarte keine großen Fortschritte, aber zumindest die Einsicht, dass man dem Frieden nur näherkommt, wenn alle bereit sind, eine Lösung zu finden, die für Assad ebenso unpopulär ist wie für die Opposition: eine Übergangsregierung. Das wird langwierig, aber vielleicht realisieren alle Verhandler, dass das der einzige Weg ist – und wenn man heute nicht weiterkommt, einfach in ein paar Wochen weiterredet.

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