Cameron kündigt harte Gangart gegenüber EU an

Alter, neuer britischer Premier David Cameron: „Das ist der süßeste Sieg von allen“
Der Premier führt nach dem Sieg seine Konservativen in eine Alleinregierung. Die muss vor allem sparen.

Kann er sich Prahlerei und Schadenfreude verkneifen?", fragte sich nervös der Kommentator der BBC, als David Cameron Freitag kurz nach Mittag in Downing Street 10 auf die Straße trat. Er konnte. Die erste Rede des Premiers nach seinem Wahltriumph, mit dem er alle Prognosen Lügen gestraft hatte, war versöhnlich und betont bescheiden.

Das Wahlergebnis spricht ohnehin für sich. Mit 331 von 650 Mandaten im britischen Unterhaus können Cameron Tories alleine eine Regierung bilden. Ed Milibands Labour-Opposition ist mit mehr als 100 Mandaten Rückstand schwer geschlagen. Die Liberaldemokraten von Nick Clegg, Camerons bisheriger Koalitionspartner, sind quasi ausgelöscht. Nigel Farages Anti-EU-Partei UKIP ist wieder in der Bedeutungslosigkeit versunken. Um die Katastrophe noch deutlicher zu machen, traten alle drei Parteichefs, Miliband, Clegg und Farage, innerhalb von einer Stunde am Freitag zurück.

Als gelte es die Spuren von fünf Jahren harter Sparpolitik zu verwischen, strich Cameron vor allem seine sozialen Pläne hervor. Er sprach von Kindergärten und neuen, erschwinglichen Wohnungen, von Steuererleichterungen für Kleinstverdiener, neuen Arbeitsplätzen. Viel konkreter als diese Versprechen aber sind die Sparpläne der Konservativen, die schon vor der Wahl bekannt wurden. 15 Milliarden Euro sollen in den nächsten Jahren aus den Sozialbudgets gestrichen werden. Wo genau, das soll fix und fertig in der Schublade von Schatzkanzler George Osborne liegen.

EU-Referendum

Cameron kündigt harte Gangart gegenüber EU an
Auch der Europakurs der neuen Regierung ist abgesteckt (mehr dazu siehe hier). Nicht umsonst kündigte Cameron schon bei dieser ersten Rede die Volksabstimmung über den EU-Austritt bis 2017 an. Vorher aber werde man einen "neuen Deal" mit der EU verhandeln. So will man sich etwa bei der Zuwanderung über EU-Recht hinwegsetzen: Zuwanderungsbeschränkungen und für die ersten vier Jahre keinerlei staatliche Sozialhilfe für Einwanderer aus EU-Staaten.

Ähnlich konkret aber sind die Pläne, mit denen Cameron seinem derzeit schwierigsten Gegner gegenübertreten will. Nach einem historischen Triumph der SNP ist Schottland fast zur Gänze in der Hand der linken Nationalisten. Ihr Ziel, die Unabhängigkeit Schottlands, hat Parteichefin Nicola Sturgeon weiter klar vor Augen.

Autonomie für Schotten

Cameron will jetzt rasch umsetzen, was eigentlich schon nach dem nur knapp gescheiterten Unabhängigkeits-Referendum im Herbst des Vorjahres fix zugesagt worden war: Mehr Autonomie für Schottland. Die Regierung in Edinburgh, versprach der frischgebackene Wahlsieger, werde "die Regionalregierung mit der meisten Autonomie in der ganzen Welt – mit eigener Steuerhoheit."

Er werde das Land "wieder zusammenbringen", mit mehr Respekt für jede Region, so Camerons Versprechen am Tag des Sieges. Politische Beobachter, wie etwa der Kommentator der Tageszeitung Guardian, sind da vorerst skeptisch: "Dafür braucht er viel mehr Weisheit, Konsequenz und Visionen, als er in seiner ersten Amtsperiode gezeigt hat."

"Das ist nicht die Rede, die ich mir vorbereitet hatte", sagte Ed Miliband vor seinem versammelten, enttäuschten Wahlkampfteam. "Es tut mir so leid." Ein paar Minuten später war seine kurze Karriere als Labour-Chef bereits wieder zu Ende. Wie ein Sieger hatte Miliband während der letzten Wochen zwar nie ausgesehen, das Ausmaß seiner Niederlage kam aber dennoch unerwartet.

Vor dem Wahlkampf hatten Kenner der britischen Innenpolitik so manche große Themen als potenziell entscheidend angesehen: Die von der rechtspopulistischen UKIP aufs Tapet gebrachten Themen Einwanderung und Europa. Die Sparpolitik und die wirtschaftliche Kompetenz. Die Sorge um das nationale Gesundheitssystem. Ed Milibands akuter Mangel an Charisma. Doch im Endeffekt war es die Ungewissheit der möglichen Konstellationen nach der Wahl, die die Wähler davon überzeugte, mit einer konservativen Alleinregierung auf Nummer sicher zu gehen.

Schottland entscheidend

Eine alte britische Binsenweisheit besagt, dass die Stimme Schottlands bei Unterhauswahlen keine große Rolle spielt. Niemand wird das nach dieser Wahl je wieder behaupten können. Der Durchmarsch der Scottish National Party, die 56 von 59 schottischen Sitzen im Unterhaus abräumte, kam nicht überraschend. Seit dem gescheiterten schottischen Unabhängigkeitsreferendum im letzten September sind die Fronten in Schottland verhärtet.

Labour hatte sich gemeinsam mit der Regierung gegen die Separatisten für den Fortbestand der Union eingesetzt. Diese taktische Allianz legten weite Teile der schottischen Wählerschaft der Labour Party als Verrat an ihren Prinzipien aus. Schließlich hatte die SNP die schottische Unabhängigkeit politisch geschickt mit der Ablehnung der von London verordneten Austerität verbunden. Labour gewann zwar gemeinsam mit den Konservativen die Abstimmung, verlor dabei aber jegliche Glaubwürdigkeit in Schottland und sollte schließlich auf einen Schlag 39 seiner 40, teils seit Generationen gehaltenen schottischen Unterhausmandate an die SNP verlieren.

Am Ende hätte nicht einmal ein Halten all dieser Sitze Labours Niederlage verhindert. Aber die weiteren Auswirkungen des Machtwechsels in Schottland reichten tief bis nach England und Wales hinein und machten sich schon lange vor dem Wahlabend spürbar.

Nicht einmal Cameron selbst hätte wohl gedacht, dass sich seine "Schreckensvision" eines kommenden Pakts zwischen Labour, der SNP (und nötigenfalls den Liberaldemokraten) als ein solcher Wahlschlager erweisen würden. Um Premierminister zu werden, so warnte er immer wieder, würde Miliband sämtliche Ansinnen der schottischen Nationalisten befriedigen, von ihrem Nein zur Erneuerung der nuklearen U-Boot-Flotte bis zur Ablehnung des für die wirtschaftliche Zukunft des Landes unerlässlichen Sparkurses.

Einerseits zwang der Premier Ed Miliband so dazu, sich immer kompromissloser von jeder Zusammenarbeit mit der SNP und ihrem Programm zu distanzieren. Das drängte den Herausforderer nicht nur in die Defensive, sondern sorgte auch für Ärger in linken Labour-Kreisen, die Nicola Sturgeons Anti-Austeritätsprogramm einiges abgewinnen konnten.

Proteststimmen zurückgeholt

Andererseits weckte Cameron damit aber auch die nationalen Instinkte der Engländer und holte so zu UKIP abgewanderte Proteststimmen in den Schoß der Konservativen zurück. Der nun zwischen einem konservativen England und einem separatistischen Schottland geteilten politischen Landschaft droht bereits die nächste Zerreißprobe in Form der von Cameron versprochenen Abstimmung über Großbritanniens EU-Mitgliedschaft. Was, wenn England gegen den Willen der pro-europäischen Schotten für einen Austritt aus der EU stimmt? Zerbricht dann am Ende erst recht Großbritannien?

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