Bio-Bastler

Bio-Bastler
Sie nennen sich Bio-Hacker und fordern die Verknüpfung von Mensch und Maschine. Michael HOROWITZ über Visitenkarten unter der Haut und Sehen bei totaler Dunkelheit.

Nico hat ihn längst. Der Chip im Ohr meines Hundes enthält Daten über Identität, Impfungen und Behandlungstermine beim Tierarzt. Werde ich auch jemals einen Chip unter der Haut eingepflanzt haben?

Sehr bald, wenn es nach den Vorstellungen der weltweit schon mehr als 100.000 Bio-Hacker geht. Sind sie Freaks oder Visionäre? Sie wollen in Zukunft Technik und Körper vereinen, mit dem Menschen selbst experimentieren. Für ein einfacheres Leben, für ein neues Körperbewusstsein, für neue menschliche Fähigkeiten wollen sie Erbanlagen verändern und manchmal auch radikal in ihren Körper eingreifen. Kranke Science-Fiction-Utopien oder eine sinnvolle Perspektive für eine Mensch-Maschine-Verknüpfung? Mit einem zwischen Daumen und Zeigefinger eingepflanzten RFID-Chip, klein wie ein Reiskorn, der schwedischen Bio-Hacker-Gruppe Bionyfiken kann man schon heute Türen öffnen, Kopierer bedienen, das Smartphone entriegeln. Hannes Sjoblad, der Bionyfiken-Capo, schwärmt von einer Gesellschaft ohne Schlüssel, Kreditkarten und Pincodes.

Der Chip, der rund 30 Jahre hält, hat eine Hülle aus hochpoliertem Glas, damit er nicht mit den umliegenden Haut-und Muskelschichten verwächst. Und verrät persönliche Daten – eine digitale Visitenkarte unter der Haut. Der Chip ist mit einer Technik ausgestattet, die mit Hilfe elektromagnetischer Wellen dafür sorgt, dass berührungslose Signale ausgetauscht werden. In Smartphones der neuesten Generation ist diese Technik längst eingebaut – um zum Beispiel das Bezahlen an Kassen zu ermöglichen. Der BBC-Wissenschaftspublizist Rory Cellan-Jones hat sich bei seinem Bio-Hacker-Besuch in Stockholm selbst einen Chip einpflanzen lassen, der Schmerz war gering, mit dem eines Bienenstiches vergleichbar. Und plötzlich hatte Rorys Hand Zauberkraft: mit einem winzigen Wischer konnte er Türen öffnen. Allerdings sind jetzt auch alle seine persönlichen Daten mit einem Handy, das man über den Körper-Chip hält, ersichtlich …

Der Gedanke an eine Welt, in der Menschen mit eingepflanzten Chips unterwegs sind, der Körper als Spielplatz für Experimente dient, beschert Skeptikern Albträume. Doch die Bio-Bastler, die den menschlichen Körper durch Erweiterungen optimieren möchten, sind unermüdlich, ihre Experimente mit transhumanen Veränderungen immer facettenreicher. Die MIT-Hochschule in Massachusetts gilt als Keimzelle der Bio-Hacker. Die Analogie des Begriffs zum Computer-Hacken ist absichtlich gewählt, es geht den besessenen Hobby-Genetikern darum, die Forschung aus Universitäten nach Hause zu holen – und viele Dinge des Lebens in Frage zu stellen. An der amerikanischen MIT-Uni locken seit Jahren Wettbewerbe zur Gentechnik tausende Studenten an, bei denen zum Beispiel Gene aus dem Glühwürmchen genommen, verändert und dann in das Erbgut einer Pflanze eingebaut werden – die dann nachts kräftig leuchtet.Der Forscher Gabriel Licina will auch nachts – bei totaler Dunkelheit – sehen. Er hat sich 50 Milliliter des auf Chlorophyll basierenden Farbstoffes Ce6, der in einigen Tiefseefischen vorkommt und seit Jahrzehnten in der Krebstherapie eingesetzt wird, in die Augen tropfen lassen. Die aus Algen gewonnene Chemikalie wirkte: Für einen gewissen Zeitraum konnte das Bio-Hacker-Versuchskaninchen in der Dunkelheit bis 50 Meter weit sehen.

Wer in Zukunft als menschliches Nachtsichtgerät, das Licht im Infrarotbereich einfängt, unterwegs sein will, sollte noch warten: Die kalifornischen Forscher von Science for the Masses warnen ausdrücklich vor einem riskanten Selbstversuch. In nächster Zeit seien noch viele Testläufe für die menschliche Nachtsicht erforderlich.

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http://scienceforthemasses.org - Bilder aus dem Netz bzw. von deren Homepage
Der Forscher Gabriel Licina will auch nachts sehen – er hat sich eine Chemikalie in die Augen spritzen lassen

michael.horowitz@kurier.at

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