Flüchtlingskoordinator: "Der Stress ist noch nicht vorbei"

Flüchtlingskoordinator: "Der Stress ist noch nicht vorbei"
Seit Wochen ist Flüchtlingskoordinator Peter Hacker nahezu rund um die Uhr im Einsatz.

Ohne Handy am Ohr ist Wiens Flüchtlingskoordinator Peter Hacker dieser Tage so gut wie nie anzutreffen. So auch Freitagnachmittag in der Stadthalle. Die Halle E diente in den vergangenen Tagen als Notschlafstelle für 270 Flüchtlinge, die in Richtung Deutschland unterwegs waren. Jetzt wird sie zu einem Erstversorgungszentrum für Asylwerber umgewandelt. Das teilt Hacker gerade der zuständigen Stadträtin Sonja Wehsely (SP) am anderen Ende der Leitung mit. Kurz zuvor war er noch beim Krisenstab im Rathaus, in dem täglich Hilfsorganisationen, Polizei und die zuständigen Magistratsabteilungen die weitere Vorgehensweise planen.

Mittlerweile kommen nur noch wenige Flüchtlinge in Wien an. "Der Stress ist aber noch längst nicht vorbei. Jetzt kommt die Zeit der Nachbearbeitung", sagt der 52-jährige Chef des Fonds Soziales Wien (FSW). In den vergangenen Wochen hat er eine organisatorische Mammut-Aufgabe hinter sich gebracht. In kürzester Zeit standen in Wien fast 8000 Notschlafstellen bereit, Behörden und Hilfsorganisationen mussten miteinander vernetzt werden. "Fast im Minutentakt haben wir gewaltige Entscheidungen getroffen", sagt Hacker. Besonders schwer gefallen sei die Wahl des richtigen Zeitpunkts für die Bereitstellung des Dusika-Stadions – schließlich eine der größten Sportstätten der Stadt.

"Ich bin froh, wenn mich meine Frau noch erkennt, wenn ich nach Hause komme", schildert er seine Arbeitstage, die derzeit oft bis zwei Uhr in der Früh dauern. Nicht für jeden bleicht da noch Zeit: "Allein auf meiner Mailbox hab’ ich 54 Anrufe, die ich noch nicht beantwortet habe."

Gute Kontakte

Für Wegbegleiter ist Hacker definitiv die richtige Person in dieser Position. Sie beschreiben ihn aus ausgewiesenen Sozialexperten, der mitunter auch etwas aufbrausend sein kann. Andererseits auch als Pragmatiker mit gutem Draht zu Bürgermeister Michael Häupl.

Vernetzt ist der Vater eines Sohnes in der Stadt bestens: Bereits 1985 wurde er Berater des damaligen Bürgermeisters Helmut Zilk, 1992 beförderte ihn Gesundheitsstadtrat Sepp Rieder zum Drogenkoordinator, seit 2001 ist er Geschäftsführer des FSW. Ein Lebenslauf, der für seine jetzige Aufgabe alles andere als abträglich ist: "Ich arbeite 30 Jahre in der Stadt und habe somit das Privileg der schnellen Wege", räumt er offen ein. "Ich kenne jeden und jeder kennt mich." Und so kommt es, dass sich zuletzt etwa der Chef der Wiener Bäder bei ihm meldete, um Liegen für die Notschlafstellen anzubieten.

Manche sagen Hacker Ambitionen nach, selbst in die Politik einzusteigen. "Das habe ich aber definitiv nicht vor", betont er. "Ich habe so viele Jahre eng mit der Politik zusammengearbeitet, dass ich auch ihre Schattenseiten kenne." Klare sozialpolitische Ideen und Meinungen würde das aber nicht ausschließen.

Tief beeindruckt habe ihn der Kontakt zu unzähligen Flüchtlingen. "Es sind Ärzte, Rechtsanwälte und einfache Angestellte dabei, die sich mit dem Nötigsten auf die Reise gemacht haben. Ich hab’ eine Familie kennengelernt, die 15 Tage zu Fuß unterwegs war, weil sie zu Hause womöglich umgekommen wären. Dieser unbändige Wille, diese Stärke ist sehr beeindruckend. Solche Menschen kennenzulernen, ist eine große Bereicherung", sagt Hacker.

Die Notschlafstellen sind derzeit im Stand-by-Modus. Binnen Stunden können sie wieder reaktiviert werden. Wann das nötig sein wird, ist ungewiss. Ebenso, wann Hacker den nächsten freien Tag erleben wird. "Fest steht: Ich werde dann einfach nur schlafen."

Die Freiwilligen spielen bei der Flüchtlingsbetreuung eine große Rolle. Roland Reisinger befand sich am Westbahnhof am Weg zu seiner Universität in Krems, als ihm ein junges Paar auffiel. Die beiden saßen am Boden und verteilten Stofftiere und Spielzeug an die Kinder von geflohenen Familien. Als das Paar aufbrechen musste, entschloss sich der 39-Jährige kurzerhand ihre Tätigkeit zu übernehmen. "Mir ist es wichtig, dass die Kinder Platz haben zum Kindsein. Außerdem ist es eine Entlastung für die Eltern, wenn wir für eine Weile auf ihre Kinder aufpassen", so Reisinger.

Seit zwei Wochen ist er fast rund um die Uhr am Westbahnhof. Er betreut mit einer Gruppe von Freiwilligen den "Kids Corner". Hier können die Kinder beim Malen und Spielen auf andere Gedanken kommen. Momentan sind es vor allem Pädagogen, die sich an der Initiative beteiligen.

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