So kann Wohnen billiger werden

So kann Wohnen billiger werden
Von mehr Wohnbaugeld bis zu geringeren Betriebskosten – die Vorschläge auf dem Prüfstand.

Wohnen ist in den vergangenen Jahren im Verhältnis zu den Einkommen und zur allgemeinen Inflationsrate überproportional teurer geworden. Lag die Inflation zwischen 2005 und 2011 bei 13,1 Prozent, stiegen die Mieten um 20,5, die Preise für neue Eigentumswohnungen gar um 24,9 Prozent.

Kein Wunder, dass sich die Politik angesichts der bevorstehenden Nationalratswahl auf dieses Thema stürzt.

Ein Grund für die massive Teuerung ist die Finanzkrise, wodurch vermehrt Geld in Wohnraum als Veranlagung investiert worden ist. Besonders dramatisch ist die Situation in Wien. In der Bundeshauptstadt ist der Wohnbedarf wegen des Zuzugs am größten. Bei den Eigentumswohnungen (Erstbezug) stiegen die Preise allein 2012 um 9,7 Prozent (im Vergleich zu 2011). Auch Mietwohnungen sind teurer geworden (siehe Grafik). Günstiger sind Gemeinde- und Genossenschaftswohnungen, aber geförderte Wohnungen sind rar.

Wie könnte man Wohnen billiger machen? Was will die Politik? Und was sagen Experten? Der KURIER gibt einen Überblick.

1. Zweckwidmung, Wohnbauförderung

1,78 Milliarden Euro zahlt der Bund jährlich an die Länder an Wohnbauförderung. Zwei Probleme nennen Experten: Zum einen dürfen die Länder damit seit geraumer Zeit auch Budgetlöcher stopfen, zum anderen wurde die Höhe seit 1996 nicht angepasst. Nun wollen ÖVP und SPÖ die Zweckwidmung der Wohnbaugelder wieder einführen. „Das ist aber nur dann sinnvoll, wenn gleichzeitig eine Bedarfsprüfung eingeführt wird“, warnt Wifo-Expertin Andrea Kunnert. Während in Ballungsräumen mehr gebaut werden müsse, ist der Bedarf in anderen Bundesländern geringer.

2. Privates Geld für Wohnbau

Geht es nach der ÖVP, sollen Pensionskassen statt auf dem Kapitalmarkt künftig verstärkt in sozialen Wohnbau investieren. Die Kalkulation: Investieren die Kassen zehn Prozent ihres Geldes, fließen zwei Milliarden in den Wohnbau, was 30.000 Wohnungen bringen soll. „Die zwei Milliarden Euro sind realistisch“, urteilt Andreas Zakostelsky, Fachverbandsobmann der Pensionskassen. Attraktivere Rahmenbedingungen vorausgesetzt, könnten in ein bis zwei Jahren schon die ersten Spatenstiche erfolgen. Auch Thomas Malloth, Immobilienexperte in der Wirtschaftskammer, fordert: „Private Investitionen in Wohnraum sollen begünstigt werden.“ Er pocht auf eine schneller Abschreibungsmöglichkeit von Wohnraumschaffung – zehn statt 25 Jahre.

3. Stärkere Regulierung von Mieten

Das ist eine langjährige Forderung der Arbeiterkammer. Expertin Gabriele Zgubic: „Zu- und Abschläge müssen im Gesetz und im Mietvertrag genau ausgewiesen werden.“ Und: „Alle Zuschläge dürfen in Summe nicht mehr als 20 Prozent des Richtwertzinses ausmachen.“ Die ÖVP will, dass Zuschläge genauer ausgewiesen werden, ist aber gegen eine Obergrenze.

4. Gehalts-Check im Gemeindebau

Wer eine Gemeindewohnung will, muss gewisse Gehaltsvoraussetzungen erfüllen. Die ÖVP verlangt, dass das Gehalt regelmäßig überprüft wird – und die Miete gegebenenfalls angepasst wird. Das könnte 10.000 Wohnungen bringen. SPÖ und AK sind dagegen: Gemeindebauten könnten zu Gettos werden, der Verwaltungsaufwand wäre enorm.

5. Bevorzugung von gefördertem Wohnbau

Alle Bauträger kämpfen mit explodierenden Grundstückspreisen. Nun will die Politik geförderten Wohnbau bei der Grundstückswidmung bevorzugen. „Wir brauchen rasch günstige Grundstücke in den Städten“, fordert Karl Wurm vom Verband der gemeinnützigen Wohnbauträger. Das werde aber erst in zwei bis drei Jahren wirken. Unmittelbar müssten anstehende Projekte rascher genehmigt werden, gleichzeitig sollten Wohnbaugelder in den Neubau statt in die Sanierung fließen.

6. Mehr Wohnraum in Städten schaffen

Laut ÖVP sollen vor allem Genossenschaften bei Sanierungen ein Ausbaupotenzial, etwa des Dachgeschoßes, prüfen. „Das ist sinnvoll, weil die Infrastruktur schon vorhanden ist“, sagt WKO-Experte Malloth.

7. Preisobergrenze für Mieten

Zum Vorstoß der Grünen Maria Vassilakou, sieben Euro als Mietobergrenze einzuführen, sagt Malloth: „Dann wird nichts mehr vermietet, sondern jede Wohnung nur noch verkauft.“

8. Weniger Betriebskosten

Die AK fordert, dass die Mieter nur „echte Betriebskosten“ tragen sollen (Abwasser, Müll, Lift etc.). Zgubic: „Grundsteuer, Versicherungs- und Verwaltungskosten dürfen nicht auf die Mieter überwälzt werden.“

So kann Wohnen billiger werden

Jeder fünfte Österreicher wohnt in einem sozialen Wohnbau und ist damit nicht dem Preisdruck des freien Wohnungsmarktes ausgesetzt. Doch aktuelle Zahlen belegen, dass der Druck steigt, weil der Mangel an geförderten Mietwohnungen größer wird.

Konkret fehlen jährlich 3600 Mietwohnungen. Betroffen sind vor allem die schwächsten Einkommensschichten. „Leistbares Wohnen ist gefährdet“, betont Karl Wurm, Obmann der gemeinnützigen Bauträger (GBV). Der Neubaubedarf samt frei finanzierten Einheiten beträgt laut GBV-Obmann 48.000 Einheiten im Jahr. Die von den Gemeinnützigen Bauträgern (die ein Drittel der gesamten Neubauleistung in Österreich erbringen) fertiggestellten neuen Wohnungen sind 2012 um fast 20 Prozent auf 13.900 Wohnungen eingebrochen.

Die anhaltend hohe Nachfrage nach günstigem Wohnraum hat nicht zuletzt mit dem starken Zuzug zu tun. Allein in Wien gab es 2012 über 20.000 Menschen, die zugewandert sind, in Graz um die 2200 und in Salzburg 700. Hinzu kommt, dass die magere Einkommensentwicklung breite Bevölkerungsschichten trifft. Der Beleg dafür sind die immer längeren Wartelisten für geförderte Mietwohnungen.

„Das Wohnungsangebot zu erhöhen ist die nachhaltigste Lösung, um Druck vom Wohnungsmarkt zu nehmen,“ betont Karl Wurm. Hürden auf dem Weg zu diesem Ziel sind knappe und teure Grundstücke sowie langwierige Umwidmungen. Zudem hat die starke Ankurbelung der Sanierung Gelder aus dem Neubau abgezogen.

Ausblick: Experten erwarten, dass 2014 der Boom der freifinanzierten Wohnungen abflachen wird. Eine Steigerung des geförderten Wohnbaus ist derzeit aber nicht in Sicht. Keine guten Aussichten für Wohnungssuchende.

Gut, dass die Regierung über leistbares Wohnen redet. Schlecht, dass sie es zu Beginn eines Wahlkampfs tut. Denn es ist wie bei anderen gesellschaftspolitischen Problemen auch – der Weg zu günstigeren Wohnungen lässt sich nicht auf ein Plakat schreiben. Aber schon prügelt die ÖVP auf reiche Mieter in Gemeindebauten ein und die SPÖ schlägt mit Attacken auf Villenbesitzer zurück. So generiert man wahrscheinlich nicht einmal Stimmen, Wohnraum aber schon gar nicht.

Faktum ist, dass in Österreich nur rund die Hälfte der Menschen in den eigenen vier Wänden lebt. Das ist im europäischen Vergleich niedrig, aber Eigentum ist noch kein Beweis für Wohlstand. In der Schweiz leben noch mehr Leute zur Miete, im ehemaligen Ostblock fast alle in der eigenen Wohnung, sie konnten nach dem Ende des Kommunismus ihre Wohnungen günstig kaufen.

Also könnte man rein theoretisch die Sache fern jeder Ideologie angehen und schauen, wie wir schnell zu mehr Wohnraum kommen. Aber nicht in Österreich. Da wollen die Länder dafür entschädigt werden, dass sie die Wohnbauförderung wieder ihrem Zweck zuführen. Das wird dauern. Dann will die SPÖ eine Debatte darüber verhindern, ob man im Gemeindebau bei steigendem Einkommen auch mehr zahlen soll. Was im Kindergarten selbstverständlich ist – höhere Beiträge für Besserverdiener – darf beim Wohnen nicht gelten? Es soll ja niemand aus seiner angestammten Umgebung vertrieben werden, aber warum dürfen Preise im sozialen Wohnbau nicht sozial gestaffelt sein?

Das ganz falsche Signal kommt gerade aus Wien, wo eine neue Steuer auf Eigentum eingeführt werden soll. Dann doch lieber Miete. Bei der Gemeinde. Aber weder höhere Steuern noch Ideologie schaffen Wohnraum.

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