Rauchfrei: Städten droht Beisl-Sterben

Rund 300.000 Unterschriften wurden gegen das neue Rauchergesetz gesammelt.
Wirte sehen Finanz-Zuckerl des Bundes als "Verhöhnung", jeder Zweite überlegt Schließung.

Raucher- oder Nichtraucherlokal? In der Gastronomie mit über 60.000 Betrieben scheiden sich die Geister. Laut Umfrage denkt jeder zweite Wirt ans aufhören. Vor allem kleine Gaststätten im urbanen Gebiet sind gefährdet.

Das bis Mai 2018 gültige Tabakgesetz (mit getrennten Nichtraucher- und Raucherbereichen) beschäftigt seit acht Jahren drei Gesundheitsminister, Gerichte, Wirte, Gäste und Medien. Anfang Juli setzten Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser (SPÖ) und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP) den Spekulationen ein Ende: Bis Mai 2018 verschwinden die Aschenbecher aus den Lokalen.

Eine Gallup-Umfrage zu Beginn des Jahres zeigte, dass die Mehrheit der Bevölkerung Glimmstängel aus Lokalen verbannen möchte. Doch unter vielen Wirten macht sich Resignation breit. Betreiber von Bars, Beisln oder Diskotheken kündigen an, bis Mai 2018 rauchen zu lassen, und dann ihre Betriebe zu schließen.

Rauchfrei: Städten droht Beisl-Sterben

"Dosis macht das Gift"

Peter Dobcak, Gastro-Obmann der Wiener Wirtschaftskammer, besuchte Dutzende seiner Kollegen: "Die Stimmung ist am Boden. Jeder Zweite kündigte mir an, sein Lokal 2018 zu verkaufen oder zu verpachten. Denn das Belastungspaket mit Registrierkasse, Rauchverbot und Allergen-Verordnung lässt keinen Verdienst zu. Die Dosis macht das Gift und das ist eine Überdosis." auch in NÖ geht die Existenzangst um. Mario Pulker, WKO-Obmann der Gastronomie: "Wir haben schon jede Menge Orte ohne Dorfgasthaus. Unsere Situation wird der in Wien sehr ähnlich sein. Nur ist bei uns verkaufen oder weiterverpachten nicht möglich. Die Gasthäuser stehen dann leer."

Einer, der mit dem Zusperren kokettiert, ist Eduard Schultze, 57, Wirt des Szenelokals Amadeus nahe der Wiener Stadthalle. In seinem Lokal wird Beisl-Kultur mit Live-Musik gelebt: "Solange der Staat am Zigarettenverkauf Millionen verdient, ist das Rauchverbot ein Skandal und eine Entmündigung der Gäste. Es wird ein Wirte-Sterben geben." Schultze spricht von Schikanen: "Keiner weiß, ob die Registrierkasse überhaupt funktioniert. Und suchen sie um einen Schanigarten an. Da lernt man den Wiener Magistrat so richtig kennen."

Rauchfrei: Städten droht Beisl-Sterben
Um den Qualm aus der Gastronomie schon vor Mai 2018 zu verbannen, bietet die Regierung eine Nichtraucher-Prämie an. Wer bis ersten Juli 2016 auf rauchfrei umstellt, kann 30 Prozent der Baukosten für errichtete Trennwände abschreiben. Für Funktionär Dobcak und Kollegen eine "Verhöhnung": "Der Großteil der vor Jahren getätigten Umbauten ist abgeschrieben. Durch die Aktion bleiben ein-, zweihundert Euro über."

Für Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser stellt diese Prämie ein "Zuckerl für die Branche" dar: "Ich hoffe, dass viele sich bis Juli 2016 zum Umstieg entscheiden. Österreich darf nicht der Aschenbecher Europas bleiben."

Rauchfrei: Städten droht Beisl-Sterben
Diese Diskussionen gehen an Maria Teicht, Chefin des Restaurante Mexicano in Wien-Josefstadt, spurlos vorbei. Ihr für 170 Gäste ausgelegtes Speiselokal samt einladender Bar ist schon seit Jahren rauchfrei: "Wir haben es nie bereut. Und wir haben auch Raucher als Gäste. Das hat sich eingependelt." Kritischer Nachsatz: "Trotzdem, unsere Branche wird schikaniert. Um zwei Bäumchen am Eingang aufzustellen, musste ich am Magistrat mehrere Bittgesuche einreichen. Ein Witz."

Kampfmaßnahmen

Die gereizte Stimmung in der Branche bestätigt Gastronom und Wirte-Rebell Heinz Pollischansky: "Wir haben 350.000 Unterschriften gegen das Rauchverbot gesammelt und planen Kampfmaßnahmen. Es hagelt eine Sanktion nach der anderen. Vorerst warten wir noch ab, denn diese Regierung wird sich nicht mehr lange halten."

Das generelle Rauchverbot wird vor allem in Österreichs Städten und Ortskernen eine Anzeigenflut von Lokal-Anrainern gegen Gastronomen bringen. Davor warnen Kammer-Funktionäre aller Bundesländer.

Denn Gäste, die während der Nachtstunden vor den Gaststätten ihre Zigaretten rauchen, sind in der Regel alles andere als leise. Anzeigen wegen Ruhestörung sind zum einen legitim, zum anderen jedoch fallen sie dem Lokalbesitzern – nicht aber den vor den Lokalen lärmenden Besuchern – zu. Denn das Strafmandat ist an den Wirt adressiert und muss von ihm auch gezahlt werden.

Problem Sperrstunde

"Diese Gesetzgebung ist in der Gewerbeordnung festgeschrieben. Der Wirt muss also zusätzlich als Aufpasser fungieren", ärgert sich Gastro-Funktionär Peter Dobcak. Doch diese Regelung hat einen weiteren entscheidenden Hacken. Nach jeder Anzeige kann die Bezirkshauptmannschaft oder der Magistrat die Sperrstunde des betroffenen Betriebes kürzen. Nach der dritten Anzeige wegen Lärmbelästigung können die Behörden sogar die Gewerbeberechtigung entziehen. "Das Rauchverbot wurde beschlossen, ohne die daraus entstehende Problematik für die Branche zu überdenken. Dieser Passus in der Gewerbeordnung muss unbedingt novelliert werden", fordern Dobcak und Kollegen.

Das zuständige Gesundheitsministerium zeigte sich über diese Problematik informiert: "Wir haben diesen Punkt auf dem Radar."

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