Gaza-Demo in Innsbruck: Verfassungsschutz ermittelt

So wie hier in Wien wurde auch in Innsbruck gegen Israels Militäroperation im Gazastreifen demonstriert. Nun ermittelt der Verfassungsschutz.
Frau von Demonstranten verletzt - Antisemitische Parolen zugelassen.

Das Landesamt für Verfassungsschutz hat nach einer Demonstration gegen die israelische Militäroperation im Gazastreifen am vergangenen Samstag in Innsbruck Ermittlungen eingeleitet. Die Polizei bestätigte einen entsprechenden Bericht der Tiroler Tageszeitung.

Unter anderem wurde eine mit einer österreichischen und israelischen Fahne abseits der Kundgebung stehende Frau von Teilnehmern attackiert und verletzt. Der Verfassungsschutz ermittle aber nicht nur wegen des tätlichen Angriffs gegen einzelne Teilnehmer, sondern auch die Organisatoren sollen ins Ziel der Ermittler geraten sein, berichtete die TT. Ordner hätten zwar die Kundgebung abgesichert, dennoch seien aber antisemitische Transparente und Parolen zugelassen worden.

Der Verfassungsschutz sei zudem bereits am 13. Juli über den offenen Antisemitismus im Vorfeld der Demonstration aufmerksam gemacht worden. Die privaten Veranstalter sollen im engen Kontakt mit der Union Europäisch Türkischer Demokraten (UETD) stehen, die Ende Juni den türkischen Premier Recep Tayyip Erdogan zu einem umstrittenen Besuch nach Wien eingeladen hatte. Auch für die sonntägliche Gaza-Demonstration in Wien ist die UETD verantwortlich.

Intifada,Intifada“, hallte es durch die Gassen. Die Rufe erschallten nicht in Gaza, sondern auf der Wiener Kaiserstraße. Vereinzelt wurden auch Flaggen der Hamas geschwenkt, sogar Kinder waren mit deren grünen Stirnbändern geschmückt. Und es wurden Schilder mit „Nazis Israel“ hochgehalten.
11.000 Demonstranten zogen am Sonntag vom Westbahnhof zum Heldenplatz. Trotz der teils gespenstischen Rufe blieb die Demo friedlich. Die Mehrheit waren Türken, teilweise waren ganze Familien trotz Hitze und Ramadans zu dem Protest gekommen. Sie trugen weiße T-shirts und riefen „Kindermörder Israel“ und „Allahu akhbar“, immer wieder folgten gellende Pfeifkonzerte.

Bereits im Vorfeld wurde Stimmung gemacht. FPÖ und Kronenzeitung schrieben von „antisemitischen Protesten“, die Veranstalter distanzierten sich allerdings von derartigem Gedankengut. Doch so ganz geheuer war der türkischen Organisation UETD die Sache dann doch nicht – via Facebook wurde gewarnt, dass Provokateure die Demo unterwandern wollen.

Doch Festnahme gab es nur eine einzige und die betraf die Gegenseite: Eine Israel-Verfechterin provozierte so lange die Teilnehmer, bis sie von der Polizei abgeführt wurde. Auch am Heldenplatz gab es Störversuche gegen die Demo. Problem war eher die Hitze, mehrere (durch das Fasten im Ramadan geschwächte) Aktivisten mussten versorgt werden.
Bilder wie in Paris, wo es bei so einer Demo zu heftigen Randalen kam und Autos angezündet wurde, gab es nicht. Im Gegenteil: „Ich war bei vielen Demos, aber das ist die erste, bei der nachher kein Putztrupp ausrücken muss. Kein einziges Stück Müll oder eine Dose blieb zurück“, meinte ein Polizist anerkennend.

Den Hamas-Aktivisten wurde in der Schlussrede nahegelegt, nachhause zu gehen. Vom türkischen Präsidenten Erdogan, der Israel mit den Nazis verglichen hatte, gab es hingegen keine Distanzierung. „Wir sind Österreicher und wir lieben dieses Land“, hieß es. „Aber Präsident Fischer und Außenminister Sebastian Kurz sind mitschuldig an der Lage in Palästina, weil sie schweigen.“
Danach gingen die 11.000 Aktivisten friedlich auseinander.

Bilder von der Demo in Wien

Tag 13 war der blutigste Tag", schrieb die Washington Post. Mehr als 100 Palästinenser wurden am Sonntag durch israelische Angriffe aus der Luft und am Boden getötet. 13 Soldaten kamen nach Informationen des israelischen Militärs (IDF - Israel Defense Forces) während der ausgeweiteten Bodenoffensive im Gazastreifen ums Leben. Tausende mussten aus ihren Häusern fliehen und konnten nur noch in Gebäuden der Vereinten Nationen Zuflucht finden. Eine für zwei Stunden angesetzte Waffenruhe wurde in ein paar Minuten wieder gebrochen. Man habe "auf Beschuss der Hamas" reagiert und "zurückgeschossen", sagte ein Militärsprecher.

Während Medien über steigende Opferzahlen, internationalen Bemühungen und gescheiterten Verhandlungen berichten, gehen Menschen in Europa auf die Straßen. Die Demonstrationen gegen die israelische Offensive im Gazastreifen gehen dabei nicht immer so friedlich zu wie in Wien (siehe unten). In Paris verwüsteten Jugendliche Ämter und Läden, in Berlin skandierten Demonstranten antijüdische Parolen und am Bospurus hielt man sich an den türkischen Ministerpräsident Tayyip Erdogan. Dieser hatte Israel vorgeworfen, Hitler in Sachen Barbarei übertroffen zu haben.

Ein Überblick über die Protestwellen in Österreich, Frankreich, Deutschland und Türkei.

Was sich am Montag im Nahen Osten zugetragen hat, sehen Sie hier.

Stolz steht das kleine Mädchen neben seinen Eltern, auf ihrem Kopf ein grünes Stirnband der Hamas.

Am Sonntag hatte die Union Europäisch-Türkischer Demokraten (UETD) in Wien zur Demo gegen den Krieg im Gazastreifen aufgerufen – auf den ersten Blick wirkte es wie ein Familienausflug. Während anderswo Steine flogen, ging es in Wien gemütlicher zu, harmlos waren manche Parolen aber nicht. "Kindermörder Israel" stand auf Plakaten oder "Nazi Israel" samt Davidstern und Hakenkreuz. Junge Teilnehmer riefen "Intifada", am Heldenplatz wurden blutige Leichentücher präsentiert.

Eine bedenkliche Entwicklung, findet Raimund Fastenbauer, Generalsekretär der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG): "Die Zahl der antisemitischen Vorfälle steigt leider", sagt Fastenbauer. Wurden 2011 vom IKG-nahen "Forum gegen Antisemitismus" 71 Vorfälle gezählt, waren es 2013 schon 137.

Die Verdoppelung der Fälle sei auf den steigenden Antisemitismus junger Muslime zurückzuführen, sagt Fastenbauer: "Wir vermissen hier das Gegensteuern der muslimischen Organisationen."

Gaza-Demo in Innsbruck: Verfassungsschutz ermittelt
Anti-Israel-Demo in wien, von Türken organisiert
Auch im Internet wurden rund um die Demos vermehrt Hetz-Postings verfasst, berichtet die Anti-Rassismus-Plattform ZARA. "Einige im strafbaren Bereich. Hier müsste die Staatsanwaltschaft aktiv werden", sagt ZARA-Chefin Claudia Schäfer.

"Die hetzerischen Postings stören mich sehr", sagt Fuat Sanac, Präsident der islamischen Glaubensgemeinschaft. "Antisemitismus ist wie Anti-Islamismus abzulehnen." Man müsse aber zwischen Glauben und Politik differenzieren. Die Wiener Grünen legen sich fest: "Ich will keine antisemitischen Demos in der Stadt haben", sagt Landesgeschäftsführer Georg Prack. Diese Demonstranten stünden für ihn auf einer Stufe mit rechtsextremen Gruppierungen.

"Diskriminierung aufgrund der Religion oder der Herkunft hat in unserer Stadt keinen Platz", sagt die für das Zusammenleben zuständigen Stadträtin Sandra Frauenberger. "Wir müssen gegen Antisemitismus auftreten, egal von welcher Seite er geschürt wird."

Bis vergangenen Sonntag konnte man den Führungspersönlichkeiten der organisierten, propalästinensischen Solidaritätsbewegung in Frankreich meistens zugutehalten, dass sie antijüdische Übergriffe effektiv verhindern wollten. Etwa jene, zu denen es am Rande ihrer ersten Groß-Demonstrationen in Paris (etwa 15.000 Teilnehmer) am Samstag vor einer Woche gekommen war. Damals waren einige hundert Demonstranten ausgeschert, um zwei Synagogen anzugreifen. Vor einer der ersten Synagogen scheiterten sie an einem Polizeikordon. Bei der zweiten Synagoge, in der sich zu diesem Zeitpunkt zahlreiche Gläubige versammelt hatten, kam es zu einem kurzen Zusammenstoß mit jüdischen Jugendlichen. Dann schritt auch dort die Polizei ein und riegelte die Straße ab.

Aber diesen Sonntag wurde eine Palästina-Kundgebung ausgerechnet und ausschließlich in Sarcelles angesetzt. Das ist unter den hunderten Gemeinden des volkstümlichen, nördlichen Pariser Vorortegürtels jene Trabantenstadt, in der die meisten Juden leben. Seit den 1960er Jahren hatten sich dort und in der Nachbarstadt Garges, in mehreren Wellen, Juden aus Tunesien und Algerien angesiedelt, und eine bis heute sichtbare Gemeindestruktur aus Synagogen, Kindergärten, Sozialzentren, koscheren Imbiss-Stuben und Lebensmittel-Läden errichtet. Das hatte Sarcelles bei den französischen Juden den Ruf eines „Klein-Jerusalem“ eingebracht.

Berücksichtigt man die aufgeladene Stimmung unter einem Teil der muslimischen Jugend, waren die Exzesse in Sarcelles am Sonntag daher quasi vorprogrammiert: kaum war die – von den Behörden verbotene, aber schließlich tolerierte – eigentliche Kundgebung beendet, stürmten einige hundert Teilnehmer in Richtung der nächst gelegenen, größten Synagoge. Von der Polizei abgedrängt, verwüsteten sie Ämter und Läden, darunter ein Bistro, in dem christliche Einwanderer aus dem Irak („Chaldo-Assyrer“) verkehren, und einen koscheren Supermarkt. Dieses Geschäft war bereits 2012 zum Ziel eines missglückten Sprengstoff-Anschlags geworden. Die Täter, eine Dschihadistenzelle, konnten später ausgeforscht werden.

„Psychologische Erschütterung“

„Schlimmer als die Verwüstungen ist die psychologische Erschütterung“, sagt der sozialistische Bürgermeister von Sarcelles, Charles Pupponi: „Es ist der Schock über den Hass der Jugendlichen aus einigen Vierteln, der von Manipulierern angeheizt wurde, indem sie die Synagoge zur Zielscheibe erklärten“. Tatsächlich waren Jugendliche und Halbwüchsige aus umliegenden Bauten auf die Straße gerannt, um sich dem unter ihren Fenstern vorbeilaufenden Pulk der Angreifer (die aus dem gesamten Vorortegürtel nach Sarcelles gekommen waren) anzuschließen. Dabei galt Sarcelles bisher ein halbwegs funktionierendes Beispiel von gegenseitiger Akzeptanz zwischen arabisch- und afrikanisch-stämmigen Muslimen, Juden, christlichen Irakern und Familien aus den französischen Karibikinseln.

Die sozialistische Staatsführung, die die zweite Solidaritätsdemonstration für die Palästinenser in Paris letzten Samstag verbieten ließ (sie fand trotzdem anfänglich statt und mündete ebenfalls in Ausschreitungen), sieht in den Vorfällen von Sarcelles eine Bestätigung für ihre Verbotsstrategie.

Ebenfalls am Sonntag, anlässlich einer Gedenkzeremonie für die Großrazzia unter den Pariser Juden 1942 (unter der NS-Besatzung und dem Kollaborationsregime), warnte Premierminister Manuel Valls: „Wir dürfen die neue Form des Antisemitismus nicht leugnen, die sich unter einer Jugend ohne Anhaltspunkte und Geschichtskenntnisse entwickelt und hinter einer Fassade des Anti-Zionismus verbirgt.“ In eindringlichen Erklärungen, die von sämtlichen TV-Sendern übertragen wurden, unterstrichen sowohl Valls als auch Staatspräsident Francois Hollande neuerlich ihre Entschlossenheit, „jede Äußerung von Antisemitismus und Rassismus“ zu unterbinden.

Am Montag versammelte Präsident Hollande Spitzenvertreter aller Religionen zu einer Krisensitzung. Danach traten der Vorsitzende des jüdischen Kultusrats und der Rektor der Pariser Großmoschee Seite an Seite auf, um den Antisemitismus zu verurteilen.

Zermürbende Anpöbelungen

Die französischen Juden zweifeln im Allgemeinen nicht an diesen Beteuerungen der meisten Spitzenpolitiker, sie ermessen aber deren relative Hilflosigkeit. Zermürbend wirken vor allem die Anpöbelungen, Drohungen und Tätlichkeiten, denen Juden in volkstümlichen Vierteln immer wieder ausgesetzt sind. Auf Grund der Einwanderung aus Nordafrika ist Frankreich das Land mit den meisten Juden Europas (rund eine halbe Million, Zahl abnehmend) und Muslimen (rund sechs Millionen, Zahl ansteigend). Beide Gruppen leben teilweise noch Tür an Tür. Wobei die antijüdischen Übergriffe fast ausschließlich von Jugendlichen aus muslimischen Familien oder solchen, die kürzlich zum Islam konvertiert sind, verübt werden.

Die Juden registrieren auch eine zusätzliche Steigerungsstufe auf der Gefahrenskala, seit klar geworden ist, dass es zwischen diesen gelegentlichen Peinigern aus der näheren oder weiteren Umgebung und dschihadistischen Attentätern Querverbindungen und wechselseitige Einflussnahme geben kann. Das gilt vor allem seit dem Überfall von Mohammed Merah auf eine jüdische Schule in Toulouse im März 2012. Der Franko-Algerier Merah, der in Frankreich aufgewachsen war, und später zur „Al Kaida“ stieß, erschoss in Toulouse drei Kinder und einen Lehrer aus nächster Nähe (In den Tagen zuvor hatte Merah zwei Soldaten getötet. Nach den Morden in der jüdischen Schule wurde er von der Polizei in einer Wohnung gestellt und kam nach einer längeren Belagerung bei einem Feuergefecht ums Leben). Als Reaktion auf diese Morde gab es zwar einen nationalen Schulterschluss in Frankreich: der damalige Wahlkampf legte eine Pause ein, während der sich sämtliche Spitzenpolitiker zu einer Trauerkundgebung versammelten. An allen Schulen Frankreichs wurden Bedenk-Stunden anberaumt. Aber in der Folge kam es zu einem deutlichen Anstieg der Drohungen und Handgreiflichkeiten gegen Juden, so als hätte Merah eine Art Beispielwirkung ausgeübt.

„Zerfallende Welt“

Bei den Tätern handelt sich zwar um eine Minderheit, die von muslimischen Würdenträgern verurteilt und bekämpft wird. Aber diese bedrohliche Minderheit, die vielfach an der Schnittstelle zwischen Kriminalität und religiösem Radikalismus steht, dürfte gerade in Frankreich auf absehbare Zeit zunehmen: nähren sich diese Strömungen doch auch aus den Folgen der hohen Jugendarbeitslosigkeit (23 Prozent im Landesschnitt und etwa doppelt so hoch in den Krisenvierteln der Vorstädte). „Identitätsprobleme, Wirtschaftskrise – man kann immer Begründungen für Hass finden“, sagt die Vorsitzende der jüdischen Institutionen im Raum Marseille, Michèle Teboul: „Aber wir sind nicht bereit, einer zerfallenden Welt als Sündenböcke zur Verfügung zu stehen“.

"Juden ins Gas!", skandierten Demonstranten in Gelsenkirchen und Bochum, "Jude, Jude, feiges Schwein", die in Berlin auf dem zentralen Kurfürstendamm. In Bremen wurde ein Passant, der zu Mäßigung aufforderte, niedergeschlagen. In der Hauptstadt bedrohten die Demonstranten zwei an ihrer Kippa kenntliche Israelis, die vor dem Hamas-Raketenbeschuss geflüchtet waren. Die Polizei musste die beiden beschützen.

Vor allem in Berlin demonstrieren derzeit fast täglich bis zu 1500 meist jugendliche Araber und laut Polizei auch Türken, die sie als "aggressiv" einstuft.

"Seit der Nazizeit wurden in Deutschland nicht mehr solch judenfeindliche Parolen öffentlich gegrölt wie bei diesen arabischen Demos", fand der Tagesspiegel und kritisierte: "Die Berliner Polizei unternahm nichts."

Was nicht ganz stimmt: Sie war mit Hunderten Beamten rechtzeitig vor Ort, sperrte die Zugänge zu nahen Synagogen und jüdischen Schulen und zu einer Israel-Unterstützer-Demo. Ein Auflösen der nicht angemeldeten Demonstrationen fand aber nicht statt und schon gar nicht die strafrechtliche Verfolgung der Gröler. In Frankfurt sandte die Polizei aber überhaupt nur einen Streifenwagen, weshalb sich mehr Menschen bedroht fühlten.

Die wenigen deutschen Teilnehmer sind fast nur Linksradikale, in Berlin auch Funktionäre der Landespartei der kommunistischen "Linken". Ihre gegen die NPD übliche Taktik, mit vielfacher Übermacht deren – rechtsgültig angemeldeten – Aufzüge zu bedrohen und damit zu ersticken, wendet die deutsche Linke bei den Arabern nicht an. Auch blieb bisher jede Empörung der in Berlin großen linksgrünen Szene aus, die im Wahlkampf bei der Euro-kritischen Partei "Alternative für Deutschland" rechtsradikales Gedankengut ausgemacht hatte.

Empörte Reaktionen aus anderen Parteien auf die Israel- und Juden-Hasser-Demonstrationen fehlen. Nur die Presse reagierte bisher.

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