Israelischer Beschuss trifft Krankenhaus

Nach dem blutigen Sonntag im Gazastreifen gehen die Gefechte zwischen Israels Soldaten und der Hamas weiter
Mindestens fünf Menschen wurden getötet, 50 verletzt - Ban in Kairo angekommen.

Nach Angaben von Rettungskräften hat ein israelischer Beschuss ein Krankenhaus im Gazastreifen getroffen. Dabei wurden fünf Menschen im Al-Aqsa-Spital getötet, berichteten palästinensische Helfer am Montag. Nach ersten Angaben wurden 50 Menschen verletzt. Ein Großteil der Opfer gehörten zum medizinischen Personal, sagte der Leiter der Rettungsbehörden im Gazastreifen, Aschraf al-Kidra. Sanitäter, Krankenschwestern und Ärzte in der Al-Aksa-Klinik in Dir el Balah hätten Verletzungen erlitten, als das Krankenhaus unter Beschuss geriet. Es ist bereits das vierte Krankenhaus, das seit Beginn der israelischen Offensive beschossen wurde. Das Gesundheitsministerium Palästinas fordert die Vereinten Nationen (UN) auf, Israel an weiteren Attacken auf medizinische Gebäude zu stoppen.

Nach Informationen der Times of Israel haben israelische Medien einen derartigen Beschuss zunächst geleugnet. Der kommerzielle Fernsehsender Channel 2 hat eigenen Angaben zufolge keine Zeichen einer Attacke am Krankenhaus gesehen.

Bei einem weiteren Luftangriff auf ein Haus im Zentrum der Stadt Gaza sind nach palästinensischen Angaben acht Menschen getötet worden. Die Hälfte davon seien Kinder, teilten die örtlichen Rettungsdienste mit. Eine Militärsprecherin in Tel Aviv sagte, man prüfe den Bericht. In den vergangenen Tagen hat israelische Artillerie mehrfach Gebiete im Gazastreifen beschossen, bevor dorthin Bodentruppen vorrückten.

Die Zahl der getöteten Palästinenser seit Beginn der israelischen Offensive vor fast zwei Wochen stieg am Montag auf 526, wie die Rettungsbehörden mitteilten. Mehr als 3.200 Menschen seien verletzt worden. Dem stehen bisher 20 israelische Tote gegenüber.

Tel Aviv

Der bewaffnete Flügel der im Gazastreifen herrschenden Hamas teilte mit, es gebe Feuergefechte mit der Armee im nördlichen, östlichen und zentralen Gazastreifen. Die Organisation bekannte sich auch zu Raketenangriffen auf Israel. Sie bestätigte, zehn ihrer Mitglieder seien bei einem heftigen Gefecht mit israelischen Soldaten im Norden des Gazastreifens getötet worden. Zuvor versuchten die militanten Angreifer durch einen Tunnel nach Israel vorzudringen.

Erstmals seit drei Tagen wurde auch wieder der Großraum Tel Aviv mit Raketen angegriffen. Im Stadtzentrum heulten am Montag zweimal in Folge die Warnsirenen. Es waren Explosionen zu hören. Nach Angaben der Armee wurden zwei Geschosse von der Raketenabwehr über der Mittelmeermetropole abgefangen.

Israelischer Beschuss trifft Krankenhaus
Übersichtkarte Gaza-Streifen mit Lokalisierung Shejaia Grafik 0871-14-Nahost.ai, Format 42 x 90 mm
Auf der israelischen Seite übersteigt die Zahl der Toten bereits die Verluste bei der Operation "Gegossenes Blei", die im Jänner 2009 endete. Damals waren zehn Soldaten und drei Zivilisten getötet worden, heute sind es bereits 18 Soldaten und zwei Zivilisten. Zwei der Soldaten dürften US-Bürger gewesen sein. Das US-Außenministerium bestätigte, dass die US-Bürger Max Steinberg und Sean Carmeli im Gazastreifen gestorben seien.

Zu Berichten der radikal-islamischen Hamas über einen entführten israelischen Soldaten sagte Militärsprecher Lerner: "Wir können es nicht ausschließen." Man prüfe den Vorfall weiter. Der israelische UN-Botschafter Ron Prosor hatte die Angaben der Hamas, die auch den Namen und eine persönliche Erkennungsnummer veröffentlichte, vorher als unwahr dementiert.

Ban Ki-Moon in Kairo gelandet

US-Präsident Barack Obama forderte eine "sofortige Waffenruhe" und kündigte auch eine neue Vermittlungsmission seines Chefdiplomaten John Kerry an, der am Montag in Kairo eintrifft. Auch der UN-Sicherheitsrat trifft sich erneut zu einer Dringlichkeitssitzung. Der Generalsekretär der Vereinten Nationen Ban Ki-Moon ist bereits am Flughafen in Kairo eingetroffen um Verhandlungen über eine Waffenruhe aufzunehmen.

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanyahu kündigte hingegen eine Ausweitung der Bodenoffensive im Gazastreifen an. "Wir werden nicht aufhören, bis alle Ziele erreicht sind", sagte Netanyahu am Sonntag in Tel Aviv. Die Hamas sei selbst für die vielen Toten unter den Zivilisten in dem Palästinensergebiet verantwortlich. Es könnten noch "schwere Tage" bevorstehen, sagte Netanyahu.

Beide Seiten des Konflikts kämpfen auch einen Propaganda-Krieg. Die Israel Defence Forces etwa informieren unter anderem auf Twitter über aktuelle Angriffe. Die IDF nutzen die Plattform aber auch, um ihre Sicht der Dinge darzustellen:

Der Ausbruch der derzeitigen Auseinandersetzung begann am 8. Juli, am 17. Juli startete die Bodenoffensive der Israelis. Beim letzten Bodeneinsatz in dem Palästinensergebiet vor mehr als fünf Jahren waren über 1.300 Palästinenser getötet worden.

Heifetz: "Offensichtliche Manipulation"

Israels Botschafter in Österreich beklagt eine von ihm konstatierte "offensichtliche Manipulation" der Weltöffentlichkeit durch die Hamas. Wenn sowohl internationale als auch österreichische Medien in der Folge von einer "Spirale der Gewalt" sprächen oder beide Seiten zum Gewaltverzicht aufriefen, dann sei das "frustrierend", meinte Zvi Heifetz am Montag vor Journalisten in Wien.

"Ich hätte mir eine tiefere Analyse erwartet, wer verurteilt gehört und wer unterstützt."

Israel sei der gegenwärtige Militäreinsatz durch den immer heftigeren Raketenbeschuss aus dem Gazastreifen "aufgezwungen" worden, die Hamas verweigere jeden Waffenstillstand und missbrauche in zynischer Weise die eigene Bevölkerung, in dem sie von Wohnvierteln aus angreife und die dort lebenden Zivilisten in evidentem Bruch der Genfer Konvention daran hindere, sich in Sicherheit zu bringen. "Sie wissen genau, was sie tun", sagte der Botschafter. "Sie zielen genau darauf ab, zivile Opfer zu präsentieren." Nachsatz im Hinblick auf das israelische Luftabwehrsystem "Iron Dome": "Wir schützen unsere Bevölkerung durch Raketen - sie schützen ihre Raketen durch ihre Bevölkerung."

Kontrollverlust der Hamas

Die Motive der Hamas für die Eskalation des Konfliktes liegen für Heifetz auf der Hand: Sie habe teilweise die finanzielle Unterstützung aus traditionell befreundeten Staaten wie Ägypten oder Syrien verloren. "Sie konnten in der letzten Zeit kaum mehr Gehälter zahlen und verloren zunehmend die Kontrolle. Was sie in den letzten Jahren an Geld erhalten haben, ging in den Bau von Tunnels, in den Kauf von Waffen oder in die Taschen ihrer Führer." So sei etwa Hamas-Chef Khaled Meshaal persönlich in ein Grundstücksgeschäft in Katar involviert, fügte Heifetz an.

Israelischer Beschuss trifft Krankenhaus
APA19477970_21072014 - WIEN - ÖSTERREICH: Der israelischer Botschafter Zvi Heifetz am Montag, 21. Juli 2014, während eines PG in Wien zur aktuellen Lage in Israel. FOTO: APA/GEORG HOCHMUTH

Durch die "absolut unprovozierten" Angriffe auf Israel und die daraus resultierende israelische Gegenoffensive versuche die Hamas nun wieder Solidarität zu generieren, meinte der Botschafter: "Und deshalb lehnen sie auch einen Waffenstillstand ab - die Aktion würde ihren Zweck verlieren."

Ziel Israels bei der gegenwärtigen Bodenoffensive ist es dem Botschafter zufolge vor allem, die vielen Tunnels (siehe unten) zu finden und zu zerstören, die von Gaza aus direkt in dicht bevölkerte israelische Gebiete führten: "Was wollen sie dort?", stellte Heifetz eine offensichtlich rhetorische Frage: "Wollen sie dort arbeiten? Nein, sie wollen ausschließlich Israelis töten." Waffen und Raketen der Hamas seien mittlerweile sogar in UNO-Gebäuden in Gaza gefunden worden: "Darüber hätte ich gerne in den Medien gelesen - aber ich konnte nirgendwo etwas finden." Solcherart gelinge die Manipulation der internationalen Gemeinschaft, beklagte der Botschafter: "Als ob man vergessen hat, wer diese Situation verursacht hat und wer jetzt den Waffenstillstand verweigert."

Frankreichs Regierung hat die "antisemitischen Ausschreitungen" im nördlichen Pariser Vorort Sarcelles infolge der israelischen Angriffe auf den Gazastreifen verurteilt. "Wer eine Synagoge schändet oder eine Bäckerei anzündet, weil sie einem Juden gehört, begeht eine antisemitische Tat", sagte Innenminister Bernard Cazeneuve bei einem Ortsbesuch Montagfrüh.

Bei neuen Krawallen am Sonntag hatten vor allem jugendliche Täter in dem Vorort Geschäfte geplündert und unter anderem Autos angezündet. Die Polizei nahm 18 Verdächtige fest. Die Behörden hatten die Proteste am Sonntag wegen der Ausschreitungen vom Vortag verboten, dennoch kamen hunderte Demonstranten in den Straßen von Sarcelles zusammen.

Die zunächst friedliche Versammlung eskalierte offenbar, als zum Teil maskierte Jugendliche Mülltonnen in Brand setzten und Feuerwerkskörper und Rauchbomben zündeten. Unter den anschließend geplünderten Geschäften war ein Geschäft für koschere Lebensmittel. Die Polizei feuerte Gummigeschosse auf die Plünderer. Sarcelles wird in Frankreich wegen seiner vielen jüdischen Einwohner auch "Klein-Jerusalem" genannt. Zugleich leben in Frankreich mehr Muslime als in jedem anderen EU-Land. Cazeneuve kam in dem Vorort sowohl mit Vertretern der jüdischen Gemeinde als auch mit dem Großrabbiner von Frankreich, Haim Korsia, zusammen.

Europaweit demonstrierten am Wochenende viele tausend Menschen gegen die Offensive der israelischen Armee gegen die radikalislamische Palästinenserorganisation Hamas im Gazastreifen, in Wien gingen 11.000 Menschen auf die Straße. Auch Unterstützer Israels kamen in mehreren Städten zu Solidaritätsdemonstrationen zusammen.

Im Zuge der Konfrontation mit der radikalislamischen Hamas hat das israelische Militär auch einen heiklen Kampf unter der Erde begonnen: Es geht um die Zerstörung eines weitverzweigten Tunnelsystems, das aus dem Gazastreifen nach Israel hineinragt. Ministerpräsident Benjamin Netanyahu nennt sie "Terrortunnel".

Es ist das Horrorszenario der israelischen Regierung: Im Schutz der Dunkelheit krabbeln bewaffnete Islamisten aus einem Erdloch, hinter ihnen der Gazastreifen und die israelische Grenzsicherung, um sie herum ungeschützte israelische Zivilisten und leicht angreifbare Militäreinrichtungen.

Montagfrüh wurden die Bewohner der Gebiete an der Grenze zum Gazastreifen aufgefordert, ihre Häuser nicht zu verlassen. Kurz darauf meldete die israelische Armee, zehn militante Palästinenser seien getötet worden, nachdem sie durch zwei Tunnel auf israelisches Territorium gelangt seien. Am Samstag hatten über Tunnel eingesickerte Hamas-Kämpfer zwei Soldaten getötet.

Israelischer Beschuss trifft Krankenhaus
Israeli soldiers stand guard inside a tunnel exposed by the Israeli military near Kibbutz Ein Hashlosha, just outside the southern Gaza Strip October 13, 2013. Israel displayed on Sunday what it called a Palestinian "terror tunnel" running into its territory from the Gaza Strip and said it was subsequently freezing the transfer of building material to the enclave. REUTERS/Amir Cohen (ISRAEL - Tags: POLITICS CIVIL UNREST MILITARY TPX IMAGES OF THE DAY)

Israels Armee vermutet dutzende Tunnel im Erdreich des schmalen Küstenstreifens. Das System dient nicht nur zur unbemerkten Grenzüberquerung, die Tunnel dienen laut Israels Streitkräften auch als "Werkstatt für den Bau von Raketen, als Abschussrampen und Kommandoposten". Sie sind mit Telefonen und Stromkabeln ausgestattet.

"Diese Tunnel zu zerstören, kann Jahre dauern", sagte ein ehemaliger Angehöriger der israelischen Armeeführung. Das System sei der Stolz der Hamas, es erlaube, "die Kämpfe auf israelisches Gebiet zu verschieben". Dem israelischen Experten Daniel Nisman zufolge ermöglichen die Tunnel der Hamas, Konfrontationen mit der israelischen Armee "über Wochen standzuhalten".

Israelischer Beschuss trifft Krankenhaus
An Israeli soldier squats in a tunnel exposed by the Israeli military near Kibbutz Ein Hashlosha, just outside the southern Gaza Strip October 13, 2013. Israel displayed on Sunday what it called a Palestinian "terror tunnel" running into its territory from the Gaza Strip and said it was subsequently freezing the transfer of building material to the enclave. REUTERS/Amir Cohen (ISRAEL - Tags: POLITICS CIVIL UNREST MILITARY)

Zunächst entstanden vor Jahren Tunnelsysteme an der Grenze zwischen dem Gazastreifen und Ägypten, die scharf kontrolliert wurde. Über die Tunnelschächte wurden Lebensmittel, Alltagsgüter und alsbald auch Waffen in den Gazastreifen gebracht. Inzwischen gibt es immer mehr Tunnel an der Grenze nach Israel, bis zu 20 Meter tief unter der Erde. Immer wieder berichten die Menschen im Süden Israels, sie hörten in der Nacht den Lärm der Bohrarbeiten.

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