Die Selbstüberschätzung fliegt mit

Rund 400 Verletzte gibt es laut KfV jedes Jahr bei Unfällen mit Gleitschirmen
Ein 30-jähriger Paragleiter stürzte in Salzburg in den Tod. Zahl der Piloten steigt, Unfälle werden wahrscheinlicher.

Einen Toter und zwei Schwerverletzte. Das ist die Bilanz von Unfällen mit Paragleitern am Sonntag. In Lofer im Salzburger Pinzgau rutschte ein 30-Jähriger aus seinem Gurtzeug und stürzte Hunderte Meter in die Tiefe. Ein Landwirt und dessen Sohn beobachteten den Unfall. Sie fanden den leblosen Mann in einem Waldstück – für ihn kam jede Hilfe zu spät. Der Verunglückte dürfte laut Polizei falsch ins Fluggerät eingehängt gewesen sein. Am Schirm stellten die Ermittler keine Schäden fest.

Bei Abstürzen in Tirol verletzten sich zwei Menschen schwer. Ein 15-Jähriger aus Belgien musste nach einem missglückten Tandemflug in Niederau mit dem Notarzthubschrauber ins Spital nach Kufstein gebracht werden. Der Pilot (44) hatte einen Baum gestreift und die Kontrolle über das Fluggerät verloren. Die beiden stürzten auf einer steilen Almwiese ab. Der Pilot blieb unverletzt. In Scheffau am Wilden Kaiser verunfallte ein 55-jähriger Paragleiter aus Deutschland. Auch er musste schwer verletzt ins Krankenhaus geflogen werden.

Fluglehrer Ewald Kaltenhofer, Landesleiter der Sektion Hänge- und Paragleiten des Aero-Clubs in Kärnten, geht von rund 5000 aktiven Gleitschirm-Piloten in Österreich aus. Er beobachtet generell ein leicht gestiegenes Interesse am Sport. Jedes Jahr würden rund 1000 Menschen aus dem In- und Ausland an den heimischen Schulen die Kurse für den Flugschein absolvieren. "Wir wissen aber, dass rund die Hälfte der Flugschüler nach zwei bis drei Jahren wieder mit dem Paragleiten aufhört", sagt Kaltenhofer.

Erfordert viel Training

Viele würden nach dem Kurs erkennen, dass es "vielleicht doch nicht die richtige Freizeitbeschäftigung" sei, wie Kaltenhofer meint. "Das ist ein Flugsport, der viel Praxis und Training erfordert." Ein paar Flüge im Jahr würden nicht ausreichen. Gerade bei Neulingen beobachte er immer wieder Selbstüberschätzung. Mit der Grundlizenz sei es zwar möglich, bei guten Bedingungen zu fliegen. Im Falle von Turbulenzen komme es bei Ungeübten aber häufig zu Gefahrensituationen.

Der Fluglehrer empfindet die Berichterstattung zu Abstürzen von Paragleitern als irreführend. "In der Zeitung ist nach Unfällen oft von erfahrenen Piloten zu lesen. Aber nur, weil jemand vor 15 Jahren den Flugschein gemacht, muss er deswegen nicht erfahren sein", meint Kaltenhofer.

Fest steht: Immer wieder kommt es zu spektakulären Paragleit-Unfällen, prallen Piloten hart am Boden auf oder bleiben in Bäumen hängen. In den meisten Fällen bleibt es bei leichten bis schweren Verletzungen.

Doch mitunter enden die Unfälle auch tödlich. Zuletzt war vor einer Woche auf der Gerlitzen in Kärnten ein Gleitschirmpilot aus Deutschland gestorben. Unmittelbar nach dem Start klappte der Schirm des 64-Jährigen zusammen. Der Mann stürzte aus 100 Metern in die Tiefe und starb.

400 Verletzte im Jahr

Unfälle mit Gleitschirmen müssen grundsätzlich der Austrocontrol gemeldet werden. Das Kuratorium für Verkehrssicherheit (KfV) geht von rund 400 Verletzten beim Paragleiten pro Jahr aus. Diese Zahl entspricht allerdings nur einer Hochrechnung, die das KfV aus den Unfalldaten einzelner Partner-Spitäler ermittelt.

Helmut Sobek (siehe auch Interview unten) vom Flugschulverband Austria betreibt selbst eine Ausbildungseinrichtung in Mattsee (Salzburg). Ihn stört, dass kaum danach gefragt werde, warum es zu Abstürzen von Paragleitern kommt. Er sieht ausgerechnet verbesserte Technik als Mitursache: "Die Piloten werden mehr und die höheren Flugzeiten durch bessere Schirme führen eben dazu, dass die Chance von Unfällen steigt", meint Sobek.

Paragleiter müssen zunächst einen Grundkurs mit fünf Flügen und eine Theorieausbildung absolvieren. Um anschließend einen Paragleiterschein zu erhalten, müssen 40 Höhenflüge absolviert worden sein – 15 davon mit mindestens 500 Metern Höhenunterschied.

Hänge- bzw. Paragleiter und Fallschirmspringer bekommen den Schein frühestens mit 15 Jahren. Die Ausbildung dürfen sie bereits ein Jahr früher beginnen. Segelflieger müssen für einen Schein mindestens 16 sein. Die Lizenz für Motorflugzeuge und Ballone gibt es ab 17 Jahren.

KURIER: Was sind die häufigsten Unfallursachen beim Gleitschirmfliegen?

Sobek: Zu wenig Können und Wissen der Piloten. Wenn man zu wenig Praxis hat, passieren unweigerlich Fehler, die meisten beim Starten und Landen. Manche wagen sich zu früh an schwierige Startbedingungen heran.

Häufen sich Zwischenfälle zu manchen Jahreszeiten?

Im Frühjahr und im Sommer wird am meisten geflogen, da passieren die häufigsten Unfälle. Oft fehlt nach dem Winter die Flugpraxis. Das kann im Frühjahr und Sommer gefährlich werden, weil da die Thermik am größten ist. Jene mit weniger Übung sollten dann in der Zeit nach Mittag besser am Boden bleiben und einen Kaffee trinken.

Die Selbstüberschätzung fliegt mit
Helmut Sobek, Fluglehrer für Paragleiter in Mattsee (Salzburg)
Was müssen Paragleiter-Neulinge beachten?

Die müssen wirklich schauen, dass sie selbst einige Flüge sammeln oder zusätzliche Flugstunden nehmen, um das Wetter richtig einzuschätzen. Auch wenn man jemanden in der Luft sieht, heißt das nicht automatisch, dass die Bedingungen auch für einen selbst passen. Da gehören Disziplin und richtige Selbsteinschätzung dazu. Das ist auch eine Intelligenzfrage – auch für erfahrene Piloten.

Stellen Anfänger eine besondere Risikogruppe dar?

Nein. Das kommt auf den Menschen darauf an. Das hat auch mit dem Alter nichts zu tun. Leute, die Gefahren gut einschätzen können, sind beim Gleitschirmfliegen gut aufgehoben.

Wie hat sich die Ausbildung in den letzten Jahren verändert?

Prinzipiell wird die Ausbildung von Jahr zu Jahr angepasst an neue Schirme, die immer besser und leistungsstärker werden.

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