"In einer neuen politischen Welt"

„Ein Teil der Mindestsicherung für Flüchtlinge sollte in Sachleistungen erfolgen“: Landeshauptmannstellvertreter Thomas Stelzer.
Für den designierten Pühringer-Nachfolger Thomas Stelzer ist die FPÖ eine anerkannte politische Größe.

Thomas Stelzer ist seit drei Wochen Landeshauptmannstellvertreter (ÖVP) und verantwortlich für Bildung, Forschung und Personal. Der 48-Jährige soll im Laufe der Legislaturperiode Josef Pühringer als Landeshauptmann nachfolgen.

KURIER: Der Wirtschaftsbund sieht seit der Abstimmung im ÖVP-Landesparteivorstand, durch die Doris Hummer ihren Regierungssitz verloren hat, einen Riss in der Partei.Thomas Stelzer: Einen Riss gibt es nicht. Natürlich gibt es persönliche Betroffenheiten. Es ist allen klar, dass der Entscheidungsprozess aufgrund des Zeitdrucks und der Verhandlungssituation nicht mustergültig war. Ich bemühe mich, dass die Truppe wieder zusammenhält und wir gemeinsam agieren. Das mache ich ganz konsequent.

Der Wirtschaftsbund spricht von einer "g’schobenen G’schicht’". Sie sollen Pühringer instrumentalisiert haben, um die Agenden Bildung und Forschung von Hummer übernehmen zu können.

Pühringer kann man nicht instrumentalisieren, da er von allen anerkannt und unumschränkt ist. Es war mit allen Teilen der Partei vereinbart, dass ich die Chance bekomme, in die Regierung einzuziehen. Darum habe ich mich bemüht und auch mit allen Gespräche geführt. Bis zum Schluss der Verhandlungen und bis zum Parteivorstand war bis auf den Personalbereich die Ressortverteilung nicht klar. Darum kann ich das aus voller Überzeugung ins Reich der Legenden verweisen. Gemeinsam mit Pühringer habe ich mich bis zum Schluss bemüht, mit einem gemeinsamen Vorschlag in den Parteivorstand zu gehen. Ein gemeinsamer Vorschlag heißt, dass alle Beteiligten verhandlungsbereit sind. Das war nicht gegeben, weshalb der Parteivorstand entscheiden musste.

Der Wirtschaftsbund verlangt, dass Sie ihm entgegenkommen, ansonsten würde er Ihnen die Wahl zum Landeshauptmann verweigern.

Ich werde mich bemühen, dass die gesamte Partei meine Wahl tragen kann. Ich werde mit allen Playern sprechen, aber zum gegebenen Zeitpunkt. Den wird Landeshauptmann Josef Pühringer entscheiden, dieser hängt von ihm ab. Mein Bestreben war immer eine Teamlösung. Ich verwehre mich dagegen, jetzt schon Dinge hineinzugeheimnissen. Ich war in den Verhandlungen maßgeblich beteiligt, dass wir das Wirtschaftsressort ordentlich ausstaffiert haben. So sind die Energieagenden und das Sachverständigenwesen für die Genehmigung von Betriebsanlagen neu dazugekommen. Ich habe damit beweisen, dass das Standortressort gut dimensioniert ist.

Wie ist Ihr Verhältnis zu Wirtschaftslandesrat Michael Strugl?

So wie es vorher war. Wir arbeiten sehr gut zusammen. Wir waren viele Jahre in der Partei eng zusammengespannt. Es wird Verschiedenes in unser Verhältnis hineininterpretiert, was wir in unserem Umgang nicht leben. Unser Verhältnis ist sehr tragfähig und unbelastet.

Ihr Verhältnis zu Doris Hummer?

Ich bemühe mich darum. Erstens ist sie ist im Landtagsklub, zweitens wird sie als Chefin des Wirtschaftsbundes ein wesentlicher Player sein. Ich habe mich auch um Gespräche bemüht. Ich versuche das offen anzugehen und auf ihre Ideen zuzugehen. Es wird die Zeit zeigen, wie sich die neue Konstellation einspielen wird.

Die Forschungsagenden sind bei Ihnen, die Industrie hätte sie gern bei Strugl gesehen, um damit ein Standortressort gestalten zu können.

Wir werden im nächsten Jahr die Forschung finanziell ordentlich aufstocken. Wir werden erstmals den Forschungsförderungsfonds dotieren, das Linz Institute of Technology (LIT) war bisher auch nicht im Budget. Sollte es Reibungsverluste zwischen meinem Ressort und dem von Strugl geben, werden wir sie ausräumen. Wir sind beide bemüht, möglichst viele Mittel vom Bund und von der EU nach Oberösterreich zu bringen. Wir wollen auch die Unterstützung für die Kepler Universität neu aufstellen. Alle, die sich Sorgen machen, werden in Zukunft ihre Freude an der Neugestaltung haben.

Sie haben an der Klausur des ÖAAB teilgenommen, der sich für eine Senkung des Mindestsicherung von 903 Euro ausspricht. Wie hoch bzw. niedrig soll sie sein?

Der Grundsatz muss lauten: Wer arbeitet, muss so viel verdienen, damit er nie überlegen muss, ob es für ihn besser ist ins Sozialsystem zu gehen, weil er dort mehr bekommen würde. Wir wollen bei anerkannten Asylwerbern einen Teil der Mindestsicherung durch Sachleistungen zu ersetzen. Weiters überlegen wir eine generelle Deckelung bei der Mindestsicherung. Familien mit mehreren Mitgliedern, die Mindestsicherung beziehen, stoßen in Einkommenshöhen vor, die sie mit Arbeit nicht erzielen würden. Hier soll es eine Deckelung von 1500 Euro geben. Zusätzlich müssen wir schauen, dass wir die Menschen aus der Mindestsicherung in Arbeitsverhältnisse bringen. Hier liegen wir in Oberösterreich ganz gut, denn in Wien gibt es wesentlich mehr Mindestsicherungsbezieher.

Wo wird der Schwerpunkt der neuen Landesregierung in den nächsten sechs Jahren liegen?

Wie gelingt es, den Industrie- und Produktionsstandort Oberösterreich so aufzustellen, damit er in der jetzigen Dimension erhalten bleibt? Das hat mit Verfahren zu tun, mit Vorschriften und Forschung, mit unserem Bildungssystem. Das wird leider vom Thema Nummer 1, dem Flüchtlingsstrom, verdeckt. Das nimmt dem Standortthema die Dramatik, aber es ist tatsächlich eine zentrale Frage. Wir sind nicht schlechter geworden, aber andere Standorte und Regionen waren flotter unterwegs.

Das zweite Thema ist die Flüchtlingsfrage. Den Transport können wir mithilfe des Roten Kreuzes und der Polizei gut bewältigen, aber was ist mit den vielen, die hier in Österreich bleiben? Was ist mit jenen, deren Asylverfahren läuft? Wie bringen wir die Kinder gut ins Schulsystem? Wie schaffen wir die Integration? Wie bringen wir die Menschen möglichst schnell in den Arbeitsmarkt? Wir werden hier die Sprache vermitteln und nachschulen müssen. Das wird uns ziemlich fordern. Am Arbeitsmarkt werden wir nicht sofort die großen Effekte erzielen.

Welche Konsequenzen soll die ÖVP aus der Wahlniederlage vom 27. September ziehen?

Ich gehöre nicht zu jenen, die sagen, wir haben nur wegen der Flüchtlinge verloren. Die Dimension wurde wegen der Flüchtlingsfrage nochmals gedoppelt. Aber es gab auch andere Themen. Wir haben Reformen durchgeführt und jede Reform – Spitals-, Verwaltungsreform, Schulzusammenlegungen – ist nötig, lässt aber immer auch Betroffene zurück. Wir müssen bei den Reformen und Innovationen noch flotter werden.

Auf die Flüchtlingsfrage hat ganz Europa keine Antwort. Das, was die Bundesregierung hier aufführt, ist wirklich mehr als ein Trauerspiel. Man kann sich nicht einmal mehr semantisch darauf einigen, ob das nun ein Zaun oder kein Zaun ist. Die Lage ist schwierig genug und wir machen uns die Situation noch schwerer als sie auf europäischer Ebene schon ist.

In der Landesregierung gibt es ein Arbeitsüberkommen zwischen ÖVP und FPÖ, in Wels eine Koalition von FPÖ und ÖVP, in Linz ein Arbeitsübereinkommen von Rot und Blau. Können Sie sich auf Bundesebene eine Koalition von Schwarz und Blau vorstellen?

Ich kann mir alle Konstellationen unter gewählten politischen Parteien vorstellen. Wir sind in einer neuen Welt angekommen, auch in Oberösterreich. Wir haben mit ÖVP und FPÖ zwei Großparteien, die SPÖ ist unter 20 Prozent gefallen und damit keine Großpartei mehr. Das ist die neue Realität. Ich halte nichts von den Unterteilungen in anständige und unanständige Wähler und in unanständige und anständige Parteien. Wenn eine Partei wie die FPÖ mit fast einem Drittel der Wähler ausgestattet ist, dann braucht man hier nicht lange herumtun. Das ist eine Größenordnung, die für Regierungspartnerschaften infrage kommt.

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